Der gefundene Satz, 19

"An artist's life is very selfish. But it's thrilling to create something, and you need a certain set-up for the process to take place. You can`t have a lot of obligations."

"It's not a hardship for me. It`s only a hardship for me if I see I'm hurting other people. But maybe they were holding me back."

(David Lynch)

Ex Libris | 23:34h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
arboretum - Montag, 13. Juni 2005, 03:57
An diesem Satz über die selfishness kaue ich jetzt schon seit etwa anderthalb Stunden herum und frage mich, ob der Egoismus der Künstler nicht auch wieder so ein Klischee ist wie auch deren angeblich chronische Armut. Es lassen sich wahrscheinlich immer genügend Beispiele und Gegenbeispiele finden. Genauso wie einige unbedingt ein bestimmtes Drumherum brauchen, um kreativ zu sein, während andere wo sie gehen und stehen Kunst erschaffen.

Aber es stimmt, es gibt Menschen, die sind Kreativitätskiller. Dazu zählen die Verrücktmacher und die giftigen Spielkameraden, die einen entmutigen.

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kid37 - Montag, 13. Juni 2005, 11:58
Und ich frage mich, woher andere Menschen so viel Zeit hernehmen - zum Totschlagen.

Jeder Indikativsatz kann selbstverständlich mit Ausnahmen und Gegenbeispielen widerlegt werden. Mit dem Künstler, der in Krawatte und Anzug arbeitet, finanziell erfolgreich ist... David Lynch ist so einer.

Wobei er nur darauf hinweist, daß man als kreativer Mensch, der ständig schaffen muss, kaum Zeit für andere Obligations hat. Das unterschreibe ich vollumfänglich.

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arboretum - Montag, 13. Juni 2005, 13:03
Und ich frage mich, woher andere Menschen so viel Zeit hernehmen - zum Totschlagen.

Och, wissen Sie Herr Kid, ich bin multi-tasking-fähig. Ich kann tatsächlich eine Sache tun und dabei über eine andere nachdenken. Die nächste Frage wäre dann, was jeweils als obligation gewertet wird.

Klar kann ich mich als verheirateter Künstler mit Familienanhang darauf hinausreden, dass kindliche Rotznase abputzen eine lästige Verpflichtung ist, für die mir mein Schaffenszwang keine Zeit lässt, während andere Künstler - speziell die Künstlerinnen - es trotzdem nebenbei hinkriegen (das Nase abwischen, nicht die Kunst). Warum ich jetzt mit so einem profanen Beispiel aus der Privatsphäre komme? Weil sich gerade dort eben solche Indikative besonders häufig und besonders schmerzhaft (für die Betroffenen) auswirken. Oft sind das Künstler, die im Privaten keine anderen Künstler neben sich dulden (denken Sie an Mahler, der seiner "Almschi" das Komponieren verbot. Ok, er hat es etwas anders ausgedrückt: von ihr verlangt, dass sie das Komponieren aufgibt, wenn sie mit ihm leben wolle, sie müsse ihr Leben ganz in den Dienst seiner Kunst stellen).
Lange Rede kurzer Sinn: Ich glaube einfach nicht, dass man als Künstler zwangsläufig ein egomanisches Monster sein *muss*.

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kid37 - Montag, 13. Juni 2005, 13:45
Aha.

Man muß auch nicht als Mutter ein egomanisches Monster sein. Diese Fälle - wo die Brut über alles geht - gibt es ja auch. Ich frage mich gerade, wieso Sie jetzt das eine gegen das andere ausspielen und die Künstlerexistzenz auf einen "Männer sind so und Frauen sind ach so anders"-Gegensatz zurechtstutzen wollen. Das Problem der Rollenteilung in Paarbeziehung ist ja nicht auf Künstler beschränkt. Das betrifft auch den Sparkassenangestellten oder die Lehrerin von nebenan.

Ich frage mich hingegen, wo die ach-so-Multitasking-fähigen Künstlerinnen mit Kindern sind. Parken die vielleicht gerade alle rückwärts ein? Wenn ich mich recht entsinne, hat Diane Arbus die Kinder bei ihrem Mann gelassen - aus einigen Gründen, von denen der Kunstbetrieb nur einer war. Katharina Sieverding hingegen hat ihre Kinder im kleinsten Alter um die Welt geschleppt. Ihr Mann - selbst Künstler, aber nicht so bekannt - wird das möglicherweise ähnlich gehalten haben. Geht also so, geht also auch anders. Gerade aber Alma Mahler-Werfel mit ihrer überspannten Sehnsucht als zukurzgekommene Märtyrerin zu überhöhen, befremdet mich etwas. Man könnte als Gegenbeispiel auch Claire Goll anführen - auch nicht unbedingt sympathisch, aber kompromißlos, verbunden - und eine Zeitgenossin, die sich nicht von ihrer Kunst hat abbringen lassen.

Ich glaube aber nicht, daß David Lynch überhaupt die Frage der Kindererziehung berührt hat. Da mag jeder projizieren, wie er muß. Ich glaube, die (sozialen) Verpflichtungen, die er meint und als potentiell hinderlich empfindet, sind weitaus weitläufigerer und allgemeinerer Natur. So verstehe ich es jedenfalls.

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arboretum - Montag, 13. Juni 2005, 14:25
Was Sie da sofort alles hereinlesen, interessant. Ich habe Alma Mahler-Werfel ganz gewiss nicht als zukurzgekommene Märtyrerin überhöht, sondern sie nur als ein Beispiel für eine solche Forderung benannt. Gehören immer zwei dazu, sie hat sich bereitwillig darauf eingelassen. Die Zeit, in der die beiden lebten, dürfte auch eine Rolle gespielt haben. Und zweifellos war die Dame überspannt, in mehr als einer Hinsicht, scheint aber die, die ihr so zu Füßen lagen nicht sonderlich gestört zu haben.

Ich schrieb andere Künstler, habe also durchaus Männer einbezogen (und ich erspare es jetzt uns beiden, die - speziell männlichen - Künstler aufzuzählen, die ihren Kinder liebevoll Spielzeug entwarfen oder Geschichten schrieben), wieso kommen Sie denn jetzt mit der Mann-Frau-Nummer? *
Dazu nur so viel: Beim Sparkassenangestellten und der Lehrerin ist halt die Begründung eine andere, da muss dann nicht die Kunst herhalten. Aber auf die Diskussion habe ich jetzt eh keine Lust.

Im Übrigen lautete meine Eingangsfrage, was jeweils als obligation gewertet wird. Dass auch die (anderweitigen) sozialen Verpflichtungen dazu gehören (können), lag für mich so auf der Hand, dass es mir keiner besonderen Erwähnung zu benötigen schien. Vielleicht könnten Sie meine Gedankensprünge eher nachvollziehen, wenn Sie wie ich gestern zufällig einen Ausschnitt aus dem Briefwechsel zwischen George Sand und Gustave Flaubert im DRadio gehört hätten (Gedanken, die ich jetzt aber aus Zeitgründen nicht komplett wiedergeben kann und mag).

Nachtrag: Wenn sich laut obigen Zitat ein Künstlerleben dadurch auszeichnet, dass es egoistisch, selbstsüchtig (selfish) sei, dann finde ich die Frage, wie sich das wohl auf sein Privatleben auswirkt, berechtigt. Wohl nicht zufällig ist im nächsten Satz die Rede vom andere-Menschen-verletzen die Rede.

Vielleicht stehen bei meinem Künstlerbild eher positive Aspekte im Vordergrund: kreativer Überfluss und Großzügigkeit, mehr Schaffensdrang, als Schaffenszwang.
Und, ganz allgemein gesprochen (nicht auf Lynch bezogen), der Vorwurf, ein anderer Mensch würde einem vom kreativen Schaffen abhalten, deutet meiner Erfahrung nach eher auf eine tiefergreifende künstlerische Blockade hin. Es sei denn, dieser andere Mensch ist so ein Verrücktmacher oder Entmutiger - die sollte man allerdings meiden wie die Pest.

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* Kann das sein, dass Sie da irgendwann einmal eine Überdosis davon abbekommen haben?
Um das dann hier also ein für alle Mal klarzustellen: Ich gehöre nicht zu denen, die Frauen für die besseren Menschen halten oder ähnlichen Quatsch. Und ich werde Sie auch nicht zum Stricken zwingen. ;-)

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P.S. Diese Übermütter haben meistens eh einen Knall.

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burnston - Montag, 13. Juni 2005, 11:53
kunst wird nicht von den rücksichtsvollen gemacht.

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modeste - Montag, 13. Juni 2005, 15:34
So geht dann wohl immer eine Intensität auf Kosten der anderen, weil die Seele nicht unendlich ist. Man bräuchte viele Leben, und formt nicht einmal das eine. Mag sein, dass es diese Formung ist, die den Künstler vom Nichtkünstler unterscheidet.

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kid37 - Dienstag, 14. Juni 2005, 00:57
Rücksichtslos. Oder ungebremst. Vielleicht nicht ganz genau so, aber sicher in der Stoßrichtung. Wie in der ungehemmten Liebe steckt eine gewisse Gier dahinter, eine Intensität, die wenig Raum läßt für andere Dinge. Man kann nicht mit allen Bräuten verheiratet sein.

(Es fängt ja schon damit an, daß - zum Unverständnis vieler - Konzepte wie die Trennung von Arbeit und "Freizeit" obsolet sind.)

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