Frau Eva und Herr Sebas warfen mit Stöckchen nach mir. So was sind ja Ehrenschulden, blabla, und gute Gelegenheiten, die Regale der Eitelkeit zu öffnen, sich fürchterlich interessant zu machen usw., die kryptotheologischen Inkunabeln und die Mann-bin-ick-belesen-ey-Laure-Romane aus dem Schrank zu holen. Seit dem Studium lese ich ja fast nur noch Bildbände, Joel-Peter Witkin, Gilles Berquet, Diane Arbus, Ralph Gibson, Bacon, Dix, Grosz, Masereel, Hausmann, Schwitters... die Liste ist lang. Gut, also Bücher mit Wörtern:
1. Du steckst in der Welt von Fahrenheit 451, welches Buch möchtest Du sein?
Mnemosyne, steh mir bei! The Melancholy Death of Oyster Boy & Other Stories von Tim Burton. Skurril (wer hätte es gedacht) und vor allem knapp genug gehalten, daß ich mit meinem löchrigen Gedächtnis eine Chance hätte, das Werk überhaupt zu memorieren.
2. Warst du je in eine Figur aus einem Buch verknallt?
O ja, so eine Schwester wie Franny aus Salingers Franny und Zooey hätte ich gerne gehabt. Natürlich frei von erotischen Gelüsten. Da müßte dann schon die Ich-Erzählerin aus der Autobigophonie von Françoise Cactus genannt werden.
3. Welches Buch hast du zuletzt gekauft?
Das waren drei: Erotisches im Alltag zwischen Kunst und Kitsch, ein amüsanter Band über die Erotica-Sammlung von Wolfram Körner. 4 Euro aus der Bücherstube der Kirche in der Nachbarschaft. Arnold Stadler, Mein Hund, meine Sau, mein Leben, ebenfalls von dort (50 cts.). Ebenfalls von dort: T. C. Boyle, Der Samurai von Savannah.
4. Welches Buch hast du zuletzt gelesen?
Siehe oben, Arnold Stadler. Davor war es Butchershop In The Sky von James Havoc. Durchgeknallte Skizzen und Erzählungen im Stile von Gilles de Rais trifft Manchester-Rave, die ursprünglich bei Creation Press erschienen sind (Alan McGee/James Williamson). Pronografisch, blutlüstern, psycho-pathologisch, nicht unbedingt nett.
5. Welches Buch liest du gerade?
Die ganz wunderbar lebendige Biografie Man Ray: American Artist von Neil Baldwin. Man Ray ist seit 20 Jahren einer meiner fotografischen Helden (neben Ralph Gibson, Gilles Berquet, Joel-Peter Witkin, George Hurrell...) vom alten amerikanisch-dadaistischen Schlag. Das bezaubernde an ihm war, daß er sich keiner "Schule" zuschlagen lassen wollte, mit Dada und Surrealismus knutschte, aber keine Kirche daraus machte. Weniger bekannt sind ja seine Gemälde und Schriften. Dichten konnte der nämlich auch. Außerdem war er mit Kiki de Montparnasse zusammen (Wer nicht? höre ich es schon gröhlend schallen, nun gut), was ich an seiner Stelle auch getan hätte.
6. Welche fünf Bücher nähmst du mit auf eine einsame Insel?
1. Das Buch der Bücher oder Herman Melville, Moby Dick. Kommt letzten Endes auf das gleiche hinaus.
2. J. D. Salinger, Franny und Zooey. Eine weitere Studie über den Glauben.
3. Kurt Pinthus Sammlung expressionistischer Lyrik Menschheitsdämmerung, trotz aller Schwächen immer noch der Klassiker. Vielleicht geht es ja wieder los.
4. Christian Reuter, Schelmuffsky. Man will ja auch was zu lachen haben.
5. Was, schon fünf? Das heißt, ich muß wählen zwischen Chandler, Schiller, Hemingway, Camus, Pynchon, Capote oder Laurence Sterne? Gut, dann nehme ich doch einen Bildband: Ellen von Unwerth, Revenge. Auch wenn darin die Ringelstrümpfe fehlen.
Weiter, weiter soll es wandern: Herr Stubenhocker, von dem ich weiß, daß er sich mit Literatur auskennt, die wunderbare Frau Modeste, die tatsächlich noch niemand aufgefordert hat? - und den Herrn Shako, weil der bestimmt ganz obskure Dinge zu benennen weiß.
Da ich ja zwei Stöckchen bekam, möchte ich die Gelegenheit nutzen, zwei derzeit pausierende Bloggerinnen aufzufordern: Frau Sonne und Miss Monolog. Sie dürfen gerne in den Kommentar reinmalen. Dürfen Sie.
Da ist es würdig und recht, dass Sie gleich drei Stöckchen bekommen haben.
Zooey:
"Ich fahre zu gern mit der Eisenbahn, und wenn man verheirtet ist, bekommt man nie einen Fensterplatz."
Sigimund Rüstig habe ich als Kind gelesen. Ich glaube, das ging irgendwie traurig aus.
Hmmm, Sigimund Rüstig ging traurig aus, ja, irgendwas war da, ich kann mich erinnern, dass ich das Buch sehr aufregend und spannend fand und es in mir an manchen Stellen Angst eingejagt hat. Meine Ausgabe ist sehr alt und sehr zerlesen, fleckig, die Seiten bereits vergilbt, eine Kostbarkeit auf dem Dachboden... scheiss kleine Wohnung..... ;o)
Mir geht eher der Werfel auf die Nerven. Aber mit der Linie hin zu Baudelaire, Mallarmé, Rimbaud und eben auch Hofmannsthal haben Sie vollkommen recht.
Aber vielleicht liege ich ja auch daneben und die anderen anwesenden Damen schätzen Stramm ganz außerordentlich?
Ich glaube, dass Frau Modeste mit der Genderthese Recht hat. Habe aber zufällig heute morgen gerade ein Bukowski-Gedicht ausgewählt, der mir teils gefällt und teils eben auch nicht.
Philip Roth ist spätestens seit Der Menschliche Makel bei Frauen sehr beliebt, scheint mir. Die lesen vielleicht eher nicht so Pronos, äh, Portnoys Beschwerden oder The Professor of Desire (obwohl gerade letzterer ja nicht nur hochpronografisch, sondern vor allem hochliterarisch ist und man letzte Dinge über Kafka erfährt). Goodbye, Columbus möchte ich da noch empfehlen.
Von August Stramm stammt der Ausspruch "Ich bin Mann und Weib! Ich habe die Gedichte eines August Stramm gelesen." (Allein sein Name ist Programm, scheint mir ;-))
Ich mag diesen Neologismen-getränkten, futuristischen Tour de Force-Ritt durch Sprache, Schlamm und Erleben. Diese ungeheure Verdichtung. Man sollte mal ein Blog machen, in dem nur so wie Stramm geschrieben wird (Wie erwähnt, wurde er ja bereits zu Lebzeiten eifrig parodiert).
Gefallen
Der Himmel flaumt das Auge
Die Erde krallt die Hand
Die Lüfte sumsen
Weinen
Und
Schnüren
Frauenklage
Durch
Das strähne Haar.
(um 1915)
Dann doch eher so:
O, Nacht, o leih mir Stirn und Haar
Verfließ Dich um das Tag-verblühte!
Sei, die mich aus der Nervenmythe
Zu Kelch und Krone heimgebar
Oder in durchaus kleinerer Münze: Tritt aus dem Tor, Erscheinung, namenlose! - Hach!
Dass explizite Lyrix aber nicht mehr unbedingt das Merkmal sind, dass Männlein und Weiblein trennt, da würde ich Ihnen durchaus beipflichten...
put up his aluminum tree
it looked pretty strange
because he couldn't really see.
Das ist die kürzeste Geschichte in dieser anheimelnden Sammlung. Dazu müssen Sie sich aber herzallerliebste bunte Krikelkrakelzeichnungen vorstellen von kleinen verschmutzten Superhelden (mit Cape), verbrannten Streichholzmädchen und einem Jungen mit