Monstermusik


In meinem Debütroman Bring' Ziesen mit! (Hamburg: Faust & Auge Verlag, 2018) geht es bekanntlich um einen jungen, desorientierten Mann, der, um soziale Kontakte aufrechtzuerhalten, Montag für Montag und nur zum Schein interessiert in eine Diskussionsgruppe mit dem Thema "Yucca oder Monstera?" geht.

Sich im Nebel da draußen nicht verirren, ist die quälende Aufgabe nun. Es sei der dunkelste Winter seit Zeiten, heißt es. Wer Heizung hat, bleibt zuhaus und gießt die Pflanzen. Ich sortiere die Schallplattenneueingänge der letzten Zeit (also: CD) und höre Charles Mingus, denn der beschwingt, wenn man die Wohnung z'samm räumen will. Heimlich zupfe ich Kontrabaß am Besenstil. 2017 machte ja vieles neu und weckte auch mein Interesse an Musik wieder. Noch mehr Jazz, dann Ligeti, Penderecki (ausgelöst durch Twin Peaks: The Return, Caspar Brötzmann, viel Gedrohne wie Bérangère Maximin (die bald im Bunker spielt), Ben Frost, Varèse, das großartige Ensemble Iris Electrum natürlich, das für mich alle Risse in Wien versöhnlich kittete, und die ganz interessante Calypso Valois mit ihrem noch interessanteren Video (Schauspiel 1.01, aber immerhin).

Immerhin nach sieben Jahren schon Anika gehört, mit dieser Mischung aus Joy Division, Nico und Portishead (hier live, und ja, man könnte über "Präsenz" reden). Vielleicht hätte es mir damals gar nicht gefallen.

Ich lese immer noch nicht wieder viel, aber schon viel mehr. Das Buch des Jahres (ebenfalls mit Verspätung) ist aber so oder so Viv Albertines fantastisches Clothes, Clothes, Clothes, Music, Music, Music, Boys, Boys, Boys. Lebenserinnerungen, die sie hier ganz nett zusammenfaßt. Ich habe viel gelacht, und manchmal auch ein bißchen geweint (self-pity!), denn ich habe mich in vielen Episoden wiedererkannt, und ich bin für viele Stellen sehr dankbar, weil sie sehr aufrichtig - oder wie der Klappentext sagt - oder auch "brutal ehrlich" geschildert sind, ohne Sensationsgeheische, immer mit Selbstironie, aber auch ohne falsche Scham. Schonungslos, heißt das, glaube ich.

Zuletzt habe ich ihr Soloalbum "Vermillion Border" gekauft. Sehr hübsch, sehr witzig, und es bringt das Kunststück fertig, auf einem Stück Jack Bruce gemeinsam mit Mick Jones ("The Clash") spielen zu lassen. "The Cut", das erste Album der Slits, war das zweite Punkalbum, das ich gekauft habe (das erste war "The Scream" von den Banshees), und viel habe ich ja nicht gekauft, wg. Geld. Ich bin also schon sehr lange Fan, länger als ihr ausrechnen könnt - und ich mag Ms Albertine jetzt sogar mehr als damals.
Mich übrigens auch.

>>> Geräusch des Tages: Viv Albertine, Live, 2011

Radau | 22:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
textaroma - Montag, 22. Januar 2018, 12:44
Während meine sogenannte bessere Hälfte in Südtirol einen herrlichen weissen Winter genießt, gießt es hier. Und ist warm. Was für ein Winter! Diesertage spricht man vom Klimawandel. Früher hieß das einfach Schietwetter. Aber was macht man da nicht alles, wenn die Muse wegen Regen zu Hause rumhängt. Den Plattendreher neu verkabeln und eine fabelhafte Doppel-LP hören: The Barr Brothers "Silent Operator".

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kid37 - Montag, 22. Januar 2018, 17:44
Gerüchte flüstern ja von einem Märzwinter, allein mir fehlt der Glaube, daß überhaupt noch mal ein Licht einkehrt. Ich sitze hier am beschlagenen Fenster und warte auf Cracks im Nebel. Damit das Licht durchscheinen kann, wie Cohen sagte.

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kuena - Montag, 22. Januar 2018, 14:41
"Yucca oder Monstera?" auf keinen Fall Yucca! Die sind viel zu gefährlich für die Ohren, wie ich gerade heute hier: https://www.stuff.co.nz/life-style/homed/garden/100711204/a-surprisingly-dangerous-plant-found-in-many-kiwi-gardens las.

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kid37 - Montag, 22. Januar 2018, 17:46
Oha. Danke für die Warnung. Ich habe mir mal so ein Ding ins Auge gestochen. Heimtückische Dinger. Leider kriege selbst ich meine Yucca nicht tot, und mir fehlt die rabiate Haltung, mit der häufig Frauen ihre Gärten roden.

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frau eff - Dienstag, 23. Januar 2018, 09:25
Wenn Sie mir als Lohn 15 wirklich gute Franzbrötchen bieten, komme ich vorbei und erledige das für Sie.
Gruß,
die Frau aus dem Garten

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textaroma - Dienstag, 23. Januar 2018, 11:20
Die Yucca ist dicht gefolgt vom Ficus Benjamini wie mir scheint. Selbst Kakteen sind bei mir entweder vertrocknet oder ersoffen. Aber Yucca und Ficus...

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kid37 - Sonntag, 28. Januar 2018, 20:00
Fraueff, das glaube ich Ihnen sofort. Meiner Erfahrung nach sind Frauen im Schnitt weitaus rigoroser im Umgang mit "Kroppzeug". Der Mann neigt zum Sentimentalen.

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kid37 - Sonntag, 28. Januar 2018, 20:41
@textaroma: Ficus besiegen kann ich. Solche Pflanzen zählen bei mir auch als Jugendsünden. Da sind wir sicher alle mal durch. Vielleicht müßte Frau Schüssler mal eine Beschimpfung machen.

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ana - Donnerstag, 25. Januar 2018, 14:47
Ich habe hier schon lange nicht mehr vorbei gesehen - man kennt ihn ja, den großen Konkurrenz - Konzern, aber gleich hat es sich für mich gelohnt Herr Kid. Ich wäre übrigens eher für Monstera im Zimmer und Edgar Varèse könnte ich selber mal wieder hören...

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kid37 - Sonntag, 28. Januar 2018, 20:44
Schön, daß Sie trotz Verlockungen dieses Internetmolochs auch nach links und rechts gucken. Ich tendiere auch zur Monstera, mir ist nach Veränderung. Sonst wäre ich wohl auch ein Gummibaumtyp, man muß zu dieser Pflanze aber ein frisch gestärktes weißes Hemd tragen, finde ich.

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fritz_ - Sonntag, 28. Januar 2018, 22:01
Wenn Sie noch Bedarf haben, probieren Sie doch einmal einen Drachenbaum, speziell Dracaena fragrans in der Spielart massangeana.

Fragrans heißen sie, weil die Blüten nach Blumenladen müffeln, wenn sie nach zwei, drei Wochen aufgehen. Wenn man noch länger wartet, bis man die Gartenschere rausholt, wird es dann klebrig vom Harz, kleine Blütenblätter überall und stink. Also genau, wie man es im Schlafzimmer haben will.
Als Pauschalaussage: jeder Stamm blüht jedes Jahr, ich hab sie noch nicht dazu bekommen, es sein zu lassen. Ich habe sie bei Ikea und bei Supermärkten mitgenommen. Alle zwei Wochen gießen, wichtig ist, dass der Wurzelballen die Chance hat, zwischendurch furztrocken zu werden, damit nichts fault. Vorher habe ich eine Zeitlang ein mal in der Woche mit der halben Menge gegossen, ging auch.

Hier sieht man ein paar Bilder: https://en.wikipedia.org/wiki/Dracaena_fragrans
Dort wird behauptet, man sage im Englischen auch chinesischer Geldbaum. Und Glückspflanze.

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kid37 - Donnerstag, 1. Februar 2018, 01:10
Mein Schlafzimmer ist natürlich mit lauter Lilien gefüllt, für die heimelige Endzeitstimmung vor dem Narkoseschlaf. Glück ist schon ein Argument, obwohl mein Jahreshoroskop verspricht, dies käme schon durch Jupiter. Hier muß jedenfalls ein pflanzlicher Wechsel her, eine Imagekorrektur. Ich bin jetzt in einer neuen Lebensphase, die soll sich nicht nur in kahlen Bäumen ringsherum ausdrücken. Vielleicht gibt es bei Ikea nun, den Ereignissen angemessen, ein paar Trauerweiden.

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ana - Sonntag, 4. Februar 2018, 23:49
Das für mich schöne an der oft "Platt"form Herr kid ist, dass ich selber als Impulsgeber da tätig sein kann, für ein eigenes blog wäre ich technisch zu blöde, und einige Menschen habe ich dort tatsächlich von weit her kennengelernt, die wirklich Substanz haben. Ansonsten kann man dort wie vor der eigenen Haustüre, die Eitelkeiten, das geheime Hauen und Stechen, da ein like da keiner, sehr gut beobachten. Aber einige Menschen sind dort zu einem schönen "gründigen" Ausstausch bereit, viele sind da nur um selber "gebauch-gepinselt" zu werden...

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ilnonno - Sonntag, 28. Januar 2018, 21:55
Und dann stirbt auch noch Mark E. Smith.

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kid37 - Donnerstag, 1. Februar 2018, 01:12
Ja. Man könnte regelrecht MISSMUTIG werden. The Mighty Fall, wie John Peel immer sagte. Gut, daß der das nicht mehr erleben muß.

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