Sonntag, 14. Januar 2018


Super

Ich habe jetzt auch den Supermarkt gewechselt. Der alte hat einen neuen Besitzer, erst bat man um ein wenig Geduld, nun aber sind es schon Monate mit halbvollen Regalen und halbabgelaufenen Sachen, dem Auslisten meiner Lieblingsprodukte und dem nur zögerlichen Adoptieren neuer. Tomatentreu ging ich dennoch immer wieder hin, weil ja alle in den neuen Supermarkt gehen, der in der Nähe vor einiger Zeit eröffnet hat. Einer muß hier Arbeitsplätze retten, dachte ich. Und dann: Wie schön leer es auf einmal immer war, kaum, daß man mal an der Kasse warten muß.


Aber immer häufiger bekam ich nicht alles, was ich wollte. Zuletzt hatten sie keine Spülbürsten, sodaß ich extra für eine simple Spülbürste ins Spülbürstenfachgeschäft hätte gehen müssen, um eine Spülbürste zu kaufen. Das war mir ein wenig zuviel der Aufmerksamkeit für so ein simples Küchenhilfsgerät. Spülbürste, Spülbürste, Spülbürste. Sagt das mal dreimal schnell hintereinander.

Der neue Supermarkt ist groß und sauber und hat sein Licht mittlerweile so eingestellt, daß man kein Augenflimmern mehr bekommt. Also ich. Mir ist es ein wenig zu groß und zu hell und zu schick, und die Spülbürsten, die sie immerhin haben, sind so schäbige aus buntem Kunststoffklump, die ich eigentlich nicht haben möchte, aber wann geht es im Leben da schon drum? Es gibt aber ganz viele biologisch abbaubare Speisen und Milchsorten und auch Gemüse und dies und das für den besonderen Abend.

Und eine nette Fachkraft mit freundlichen Wesen gibt es dort auch. Wir schauen uns manchmal so zwischen den Regalreihen an, zufällig, und sie lächelt dann. Ich lächle dann nicht, sondern denke, Mist, wieder vergessen, mich zu rasieren. Ich sehe aus wie ein zotteliger alter Mann, der hier seinen Einkaufswagen mit rotem Wein (den haben sie dort auch) durch die Gänge schiebt, andekoriert mit einem Brokkoli, diesem Supergemüse, als durchsichtigen Alibieinkauf. Die junge Kollegin sprach neulich auch schon quer über den Labortisch hinweg etwas von "verlottert", so mit Spaß in der Stimme, aber ich verstehe die Zeichen sehr wohl. Ich bin da ein wenig leger geworden. Unangenehm nun, wie abgelaufene Restware am Ende der Woche der netten Supermarktfachkraft zu begegnen, die so freundlich ist und blaue Augen hat. Mir hingegen fehlt nur noch so ein rotes "30 Prozent"-Rabattetikett auf der Stirn.

Letztens habe ich sie beim Abbiegen in den Gängen mit meinem Einkaufswagen fast umgefahren, konnte aber rechtzeitig bremsen, wie so ein Cabrio vor dem Zebrastreifen. "Danke", meinte sie und lächelte mich an. Ich aber konnte vor Schreck gar nichts sagen. Nicht einmal "Spülbürste" zum Glück, dabei hatte ich das die ganze Zeit im Kopf deklamiert. "Spülbürste, Spülbürste, Spülbürste". Um die nicht zu vergessen.

Habe ich dann aber.