Schwarzweißschön

An mir und meiner Aufmerksamkeit vorbeigemogelt hat sich der nun mal wirklich ganz wunderbare spanische Stummfilm Blancanieves - Ein Märchen von Schwarz und Weiß. Der Kandidat für den Auslandsoscar 2012 ist berückend, tatsächlich schwarzweiß - und stumm. Und hat wohl deshalb den Oscar nicht gewonnen, weil ja kurz zuvor mit The Artist ein total anderer, aber eben auch schwarzweißer Stummfilm ausgezeichnet wurde, der zudem einen kleinen Hund als Star hat. Blancanieves, also eine sehr spanische Version des Grimm'schen Schneewittchens, hat hingegen nur einen Hahn, der - soviel sei verraten - das Ende des Films nicht erleben wird. Und natürlich Stiere.

In wunderbaren Bildern und bezaubernden Dekorationen verlegt Regisseur Pablo Berger (der auch die lustige Heimpornokomödie "Torremolinos 73" gemacht hat) das bekannte Märchen in das Spanien der 20er Jahre. Ein Unfall zwingt den populärsten Matador dieser Zeit in den Rollstuhl, seine Frau stirbt bei der Geburt der Tochter. Die wiederum wächst bei der Großmutter (Angela Molina) auf, kommt aber nach deren Tod ins so herrschaftliche wie düstere Haus der bösen Stiefmutter. Heimlich bringt ihr der schwerkranke Vater das Stierkämpfen bei, doch als Blancanieves zu einer schönen jungen Frau (nun: Macarena García ) heranwächst, arrangiert die herrische Stiefmutter (die sich ansonsten die deviant-lüsterne Zeit mit ihrem devoten Liebhaber vertreibt) ein Mordkomplott. Keine Angst, setzt euch hin, die unschuldige Schöne überlebt und wird von sieben Kleinwüchsigen gerettet, die als "Zwergenstierkämpfer" vor den eigentlichen Kämpfen für burleske Unterhaltung in der Arena sorgen.

In derem skurillen, aus Holz gezimmerten "Mobile Home" zieht sie über die Lande, durch einen Sommer, wie er mir am besten gefällt: schwarzweiß und flipflopfrei. Ich weiß, das kommt jetzt überraschend. Da die Handlung gut tradiert ist, braucht es nicht viele Schrifttafeln, die Tonspur offenbart einen fröhlich vor sich hinplappernden Mix aus Geräuschen, Tönen und Musik - und glücklicherweise kommt der Film ohne die ganz großen bekannten spanischen Schauspielgesichter aus, von Angela Molina mal abgesehen. Daniel Giménez Cacho, der den Vater spielt, erkennt man vielleicht noch, aber der Verzicht auf die Almodóvar-Bande lädt das grimme Stück nicht unnötig mit mitschwingendem Filmkunstballast auf. Die Hauptdarstellerin Macarena García spielte bislang gar nur spanische TV-Serien und Telenovelas. Die Kinderdarstellerin Sofía Oria ist zudem eine echte Entdeckung.

Und ja, einen Prinzen gibt es auch. Einen, den ich gut verstehen konnte. Und dessen Geschichte ein großes, trauriges Blog füllen würde.

Blancanieves - Ein Märchen von Schwarz und Weiß. (Span. 2012). Regie: Pablo Berger.

>>> Trailer zu Blancanieves

Super 8 | 00:22h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
novesia - Freitag, 8. August 2014, 08:27
Ooh, wundervoll!!

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maphisti - Freitag, 8. August 2014, 11:03
Wie liebevoll Sie alles beschreiben!

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kid37 - Freitag, 8. August 2014, 22:43
Auch das schlummert manchmal in mir.

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maphisti - Samstag, 9. August 2014, 13:53
Ich weiß ...

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