Zweithandreisen
Heute morgen den Kaffee aus der frisch aufgeschnittenen Verpackung nicht in die Vorratsdose, sondern beherzt und ausdauernd wie man es sonst nur in der Liebe halten sollte gleich in die Kanne. Alles rein. Na, halb. Das wäre ein Kaffee geworden, mit dem ich die zusammengekrümmten und irgendwie sehr trockenen großen Spinnen, die seit Tagen in kleinen Trupps in meine Zimmer spazieren, bald aber, der Hunger! der Hunger! tot auf dem Boden liegen, warte Wanderer, bald folgst auch du, zum Leben hätte erwecken können. So habe ich bloß blanke Drähte hineingesteckt, die Spinnen also, und muß auf das nächste Gewitter warten.
Heute wird folgen ein letztes Aufbäumen der Sonnenseuche, eine gute Gelegenheit, die Vorhänge zu schließen, sich ins dunkle Zimmer zu sperren, die dick gewebten Spinnennetze zu zerreißen und von Triers Melancholia zu schauen. Oder aber ohne weitere ultraviolette Gefährdung die Bilder anderer Leute zu betrachten, das Reisen aus zweiter Hand, wie Andrea Diener neulich in der FAZ beklagte.
Gestern, vom abendlichen Fenster gegenüber der Jagdschlößer an den Kanälen Hamburgs aus geworfen, einen Blick auf die Läden der Stadt Paris (das ist in Frankreich). So ist das dort in tout la cité, ungelogen, das macht die Stadt ja so attraktiv für Reisende. Hier gibt es mehr, mehr, mehr Reiseimpressionen aus diesem sehr hübschen Blog der Künstlerin Lisa Congdon.
Über den Reiseinformationsdienst Flickr, dessen neues Layout eine Katastrophe ist, kann man Lichtbilder zwischen hübsch und Kitsch aus der großen, buntdurchwürfelten Stadt Konstan Istanbul (das ist in der Türkei) bestaunen. Die Etappe, Paris - Istanbul nämlich, wäre eine schöne Reise mit dem Art-déco-verzierten Blogger-Express, wobei auf der Fahrt ein belgischer (nicht etwa Frankreich!) Detektiv mit Monokel ein paar grundsätzliche Dinge über die mitreisende Bagage aufklären könnte.
Weiter mit Kitsch: Ich habe ja kein Händchen für Urlaubsfahrten und lade lieber in den eigenen Hinterhof. Ich selbst bleibe schüchtern im kühlen Treppenhaus, sollen andere herumtollen, meinetwegen Dinge machen und Kastanien essen oder Wein trinken oder Musik dazu hören - diese Frivolitäten muß man der Jugend überlassen.
Ich bleibe im Boudoir, oder besser im (Achtung, Kinder jetzt mal weggucken) Boudoir Boudoir, einem meiner Lieblings-Tumblr-Blogs mit gegen den Strich kuratierter Entblößungsfotografie im weiteren Sinn und einem elastischem Begriff von Körperlichkeit und deren Präsenz in Raum, Betrachtung und Bewertung. Nicht alles ist im herkömmlichen Sinne "schön", aber dann eben doch. Ich selbst ziehe mich ja nicht aus, mir fehlt der Vergleich.
Ärger auf der Arbeitsstelle. Ich stellte aber in vorgesetzte Richtung gewandt fest, ihr, so sagte ich, ihr müßt hier durch. Ich, also ich kann immerhin noch Malerfürst werden. Zum Beispiel mit Entblößungskunst. Da wußte er dann auch nichts mehr zu sagen.
Also - Herr Kid - Sie brauchen sich nicht auszuziehen. Das passt schon so, wie es ist und war, nämlich bekleidet, von mir aus auch in Streifen.
Da wäre ich genant. Das ginge nur, wenn im Internet überall Licht aus wäre.
Ja, da ist er verstummt. - Kalter Kakao: déja zwiegemahlen.
Das darf man natürlich nicht zu oft machen. Bald aber Urlaub, dann fährt sich die britzelnde Spannung meist zurück.
Übrigens ist das ganz normal, vor dem ersten Kaffee, und wenn man versehentlich auch noch aufgießt, kann man das resultierende Extrakt einige Tage gekühlt aufbewahren: Instant-Kaffee, der richtig schmeckt - einfach mit heißem Wasser auffüllen! Trinkt man's allerdings pur, sieht man womöglich überall
Spinnen. Oder sagt Vorgesetzten mal die Adrenalinmeinung.
Danke für die beruhigenden Worte. Ich dachte, ich müßte zur Synapsenkontrolle. Der Hausmanntipp klingt interessant, sehr überzeugend auch diese Spinnenexperimente. Hätte ich mein Gebräu heute aufgegossen und getrunken es hätte wohl wie in dem berühmten
Lied von Christiane F. geendet.
Man kann die Vorhänge jetzt wieder für ein paar Stunden beiseite schieben. Eben ausprobiert. Angenehme, leichte Wolkenformationen, kein Blendwerk und noch Tageslicht. Man kann sogar wieder Kleidung tragen.
Kleidung! So wichtig. Heute kühler Regen in Hamburg, so erfrischend. Keine verklebten Schweißgenossen auf der Straße, nur amtlich eingesuhlte Festivalheimkehrer.
Ja man kann jetzt bekleidet im Hinterhof vor prächtigen Hortensienbüschen Kunststücke auf der Bionadekiste vollführen. Sie haben es für diesen Abend wieder auf den Punkt gebracht. Fein.
Ich finde die Socken reißen es richtig raus. Und natürlich die Musterung. Wahrschienlich ein senza pelle-Sporttrikot. Orthopäden warnen übrigens vor Nachmachereffekten. Nicht jede Bandscheibe macht da mit. Von anderen Dingen nicht zu reden.
Ach, Orthopäden sind völlig überbewertet.
Einfach toll die Läden in Paris. Dabei gibt es fast an jeder Ecke eine Boulangerie oder Patisserie. Bei uns ist ja beinahe der ganze Backwarenhandel in die Hände von Billig-Backketten geraten, und wer nicht nur "coffee and cigarettes
Klick ", sondern dazu guten Kuchen will, ist fast gezwungen selber zu kneten, rühren und backen.
Kekse und Kuchen nur selbstgebacken, oder von guten Menschen angerührt. Ich muß jetzt langsam mal wieder kleine Reisen unternehmen, hat für mich noch Expeditionscharakter, aber ein wenig stelle ich mich grad auch an.
Aber obacht: Expeditionen können in die Blogferne führen. Da wird das Transkribieren des Reisetagebuchs mitunter zur übermächtigen Anstrengung und bestenfalls mit unangemessner Laxheit ausgeführt.
Da ist was dran, dazu braucht es viel Disziplin. Man kennt das von Erinnerungsreisen.
Oooh, die Pariser Ladenfronten! Marilyn Institut Wunderbar.
Und die Malerfürst-Idee gefällt ebenfalls. Aber Sie tun es ja doch nicht... *provozier*
Seit ich nicht mehr in der Künstlersozialkasse bin, ist der Weg so steinig geworden. Selbst als Malerfürst fängt man ja in der Regel als kleiner Landvogt an.
... dieser Vortrag.
Also wenn ich eins kann, dann ist es Vorträge halten. Don't get me started!