Die guten Ratschläge Tucholskys ("...verlange von der Gegend, in die du reist, alles: schöne Natur, den Komfort der Großstadt, kunstgeschichtliche Altertümer, billige Preise, Meer, Gebirge – also: vorn die Ostsee und hinten die Leipziger Straße") im Ohr, stieg ich täglich in meinem rotgestreiften Badeanzug in die Fluten, ordnete Wellen und spielende Kinder in adrett gescheitelte Reihen, warf wasserscheuen Hunden die Bälle zurück an den Strand und verzehrte jeden Tag ein gut ausgeklopftes, aber sandiges Käsebrot.
An trüberen Tagen entdeckte ich das Geländeradfahren für mich. Über Stock, Stein und Baumwurzeln ging es getreu dem Motto "Don't be gentle - it's a rental" mit dem Leihrad über schlammige Waldpfade an den Jagdrevieren ehemaliger Nazigrößen vorbei, flog ich mit wehenden Rockschößen über Bodenwellen und -dellen, klingelte teuflisch Fußgänger auseinander wie aufgescheuchte Weiderinder und blieb dabei immer schön im Takt mit dem eigenen keuchenden Atem, während die ringsherum naturgeschützten Tiere des Waldes sich ihren Teil gedacht haben mögen.
Die Kultur, auch das, schwitzte sich in diesen künstlerkolonisierten Breiten aus allen sandigen Poren. Den Rückweg zum Bahnhof über hörte der Busfahrer laut eine erbauliche Schlager-CD. "Hinter den Tränen wartet die Sonne", trällerte eine Frau Fischer, während der Bus seine Schleifen durch die Dörfer zog. Auch daß das Herz der Sängerin wie ein Bumerang sei, der immer zurückkehre, blieb eine nicht unverkündete Behauptung. "Publikum noch stundenlang/wartete auf Bumerang" ergänzte ich im Stillen, Ringelnatz zu Hilfe holend, just als wir an der "Erlebnisgastronomie Daddeldu" vorbeifuhren, wo für den Abend schon die Resopaltischchen bereitet wurden. So manches Herz wurde ja schon über Steilküsten verweht, von Schnüren gekappt wie ein verlorener Lenkdrache. Aber dafür fährt man ja in den Urlaub und geht in kalte Fluten tauchen. Alles ein Erlebnis. Brot & Regenschirm nicht vergessen.
Genau. Und wenn man sein Herz nicht in der Nähe von Kuttel Daddeldu verlieren sollte, ihm nachwinken, wenn es über die Wasser davonschwebt, wo denn dann?, das fragt man sich ja.
Man bekommt ja sofort Lust und Sehnsucht loszufahren in die wilden Gegenden; Sie sollten mal überlegen, was mit Schreiben zu machen, wenn Sie groß sind. Also so kleine, garstige Reiseführer*.
(*Wie jener, in dem sich zur Stadt Saarbrücken damals die wunderhübsche Anmerkung fand, das wäre eine Stadt, durch die eine Autobahn führt, die - wenn man keine der Ausfahrten nähme (wovon mehrfach abgeraten wurde) und somit stur bliebe - einen garantiert nach Frankreich brächte, was das einzig Positive der erwähnten Stadt sei. Ich kann das so auch bestätigen und muss sagen, mir wäre bei früherer Lektüre jenes weisen Führers einiges erspart geblieben.)
(Das erinnert mich an mein Projekt: Moseltour. Gleich noch mal notieren.)