"Ein offenbar lustiges Tier"



Jetzt habe ich mir das Buch einfach mal zugelegt, nachdem mir mehr und mehr Menschen aus meinem Bekanntenkreis heimlich zuflüsterten, sie hätten "es" gelesen und... (die Gespräche brachen dann verschwörerisch ab). Meine zweite überarbeitete Auflage enthält Danksagungen, detaillierte Quellenangaben (!), ein umfangreiches Glossar (!!) und ebenfalls umfangreiches Literaturverzeichnis und viele Bilder (!!!). Inhaltlich ist es tatsächlich ausgesprochen explizit, ein schonungslos-animalischer Bericht aus schummrig beleuchteten Feuchtgebieten: "Die eigentliche Paarung findet nachts statt; das Männchen setzt eine oval-zylindrische Spermatophore ab, die vom Weibchen in die Kloake aufgenommen wird."

Man hört augenblicklich den dumpfen, hammerharten Beat, sieht das fluoreszierende Licht aus Clubs, die "Aquarium" heißen und eine glaswandharte Türpolitik betreiben.

An einigen Stellen, das muß man einräumen, liest es sich etwas holprig und verstellt abstrakt ("Die Umwandlung muß zwischen Schlupf und Geschlechtsreife stattfinden und Strukturen umfassen, die nicht mit der Fortpflanzung im Zusammenhang stehen.") Vielleicht ist das mit dem Alter des Autors zu erklären, der Lesefreude steht das nur selten im Wege, überzeugen doch immer wieder im Sound einer Generation gesetzte, messerscharfe Beobachtungen über flüchtige Begegnungen mit Bewohnern der dunklen Hinterräume: "Sie sind schwanzlos, ihr Darm ist relativ kurz." Unmißverständlich.

Die Anwürfe, daß manche Bilder an die erinnern, die sich auch in Blogs finden, lassen sich leicht entkräften. Es ist ein Remix, ein ebenso intelligentes wie ironisches Spiel, freundlich lächelnd wie das Axolotl selbst.

(Joachim Wistuba. Axolotl. Münster: Natur und Tier Verlag, 2. Aufl. 2008.)

Ex Libris | 13:44h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
monnemer - Donnerstag, 18. Februar 2010, 14:54
Sie gründeln gehen der Sache auf den Grund.

(Im Kopf Radio läuft ein Liedchen von Bon Scott über seine Bekannte. Sie wissen schon, die Wholotl Rosie. Bei Ihnen auch?)

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kid37 - Donnerstag, 18. Februar 2010, 15:26
Hammerharte Beats!

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vert - Donnerstag, 18. Februar 2010, 15:38
gleich der näxte smashhit:
wholelotl love

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schneck08 - Donnerstag, 18. Februar 2010, 23:50
Auch der Koalabär ist ein Kloakentier, das darf man nicht überbewerten!

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kid37 - Freitag, 19. Februar 2010, 14:31
Die Fäden werden überall ausgespannt. Apropos: Es gibt ein eigenes Kapitel "Internet und Colonies - Axolotl im Netz". Offener geht es nun wirklich nicht mehr.

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burnster - Freitag, 19. Februar 2010, 12:42
Message in A Lotl gefunden?

Aber die Rezension: fair und offen. Das fehlt ja den ganzen Spöttern im Internet, so eine Aufgeschlossenheit gegenüber jungen Talenten. Weil die sind ja nur neidisch, weil ihre Bücher kein Mensch verlegt. Wistuba ist für mich der neue Botho Strauß und Stuckrad-Barre in Personalunion. Mit Anklängen an Houellebecq, vielleicht sogar stellenweise arg angelehnt. Aber hey, wer ist schon frei von Einflüssen. Ein Axolotl sicher nicht.

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kid37 - Freitag, 19. Februar 2010, 14:23
Es ist erstaunlich, wie der Subtext des Buches die Mechanismen des Betriebes aufs Korn nimmt und deutlich vorwegnimmt, wie sich die Kritiker verhalten werden: Hindernissen weichen sie in solchen Situationen nur selten aus, zumeist versuchen die Tiere, sich stur in der ursprünglich eingeschlagenen Richtung weiterzubewegen. (S. 78)

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vert - Freitag, 19. Februar 2010, 16:04
oh, da hätte ich noch einen weiteren tipp.
(auch vor diesem hintergrund)

es ist zumindest auch was mit tieren.

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nnier - Freitag, 19. Februar 2010, 16:49
Sie kennen dieses Buch, Mann? Ich nicht, Mann, aber den unglaublich komischen Fan Man habe ich mal gelesen, Mann, und den lifestyle, Mann, kulturell gesamplet:
I just woke up, man. Horse Badorties just woke up and is crawling around in the sea of abominated filth, man, which he calls home. Walking through the rooms of my pad, man, from which I shall select my wardrobe for the day. Here, stuffed in a trash basket, is a pair of incredibly wrinkled-up muck-pants. And here, man, beneath a pile of wet newspapers is a shirt, man, with one sleeve. All I need now, man, is a tie, and here is a perfectly good rubber Japanese toy snake, man, which I can easily form into an acceptable knot.
Das hat übrigens leider nicht der Herr Pfitzinger übersetzt. Aber inspirieren lassen, nicht zuletzt von der axolotlhaften Sturh Zielstrebigkeit des Herrn Horse Badorties, sollte man sich dennoch.

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rollinger - Dienstag, 23. Februar 2010, 17:56
Dieses ewige Juvenilstatustier ic hwollte es damals besuchen da indem Tito sein Land, aber dann kam der Krieg dann bin ich ganz wo anders hin.
Das Axolotl ..irgendwie ein infantiles Arschloch.

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kid37 - Dienstag, 23. Februar 2010, 18:50
Gut, dieses Dauergrinsen kommt sicher nicht von ungefähr. Das kann wird ja nicht ständig Drogen schnupfen. Aber freundlich guckt es schon.

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gheist - Sonntag, 28. Februar 2010, 02:04
In Alain Tanner's Dans la ville blanche erzählt Bruno Ganz' Figur, dass sein Kapitän ihn einst als Axolotl bezeichnet habe. Seine Frau schreibt darauf in einem Brief (Ganz ist in Lissabon von Schiff gegangen und gewissermassen ein blinder Passagier an Land seitdem), dass Julio Cortazar dies zum Axolotl im Wörterbuch erwähne: "What fascinated me was their stillness...the first time I saw the axolotl, and I soon thought I understood their secret will: to abolish space and time with an indifferent quietness. They seemed to be spying on something, some remote extinguished realm, a time of an aloof and absolute freedom...when the world belonged to the axolotl."

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kid37 - Sonntag, 28. Februar 2010, 02:58


Ein schönes Zitat, und es mag etwas dran sein. Die haben so einen Blick. Andererseits gelang es mir einst in Wien nicht, eines dieser Tiere von vorn zu fotografieren. Sie sind wirklich sehr symbolisch.

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