(Lolita, Seemann, deine Heimat...)
Gegen Ende einer jeden maritimen Saison werden Reusen, Angeln und Segel eingeholt. Aber bevor es Zeit ist, die Schlauchboote an Land zu kranen und winterfest zu machen, kann man sie ja noch mal aufpumpen und in die letzten warmen Stunden hinein zu Wasser lassen.
Leider ohne Akkordeon und zufällig auch ohne Ringelhemd steche ich mein Billigpaddel in die See, erst neulich ist mir schmerzlich klar geworden, und nur hier kann ich es zugeben, welchen Trainingsrückstand ich habe. "Peter-Michael Kolbe, sprich zu mir!" beschwöre ich den großen Schutzheiligen des Ruderwesens, Meter um Meter kämpfe ich mich mit übermenschlicher Willenskraft an meinen imaginären Herausforderer namens Muskelträgheit heran. Dann erst einmal eine Pause.
Vom Wasser aus stellen sich viele Dinge nicht so sehr anders dar als auf der Straße. Ver- und Gebote, Abgezäuntes, Deklariertes und Privates, die Freiheit ist immer relativ - und es gilt, sie regelmäßig neu auszuloten (1,87 m Fadentiefe). Auf dem Boot sammelt sich erstes Laub, am Paddel hat sich Seemansgarn verfangen, filziges Zeug, in das man sonst nur die ganz großen Fänge verpackt. Sonst aber Ruhe an Bord, und etwas Wasser. Entspannt gönne ich mir ein Stück Schiffszwieback, lasse mich "mal so treiben", wie es im Lied heißt, ich bin völlig allein auf dem Kanal, nur ein Bläßhuhn sucht meine Nähe.
Endlich finde ich ein wenig Zeit, die gesammelten Stapel des Feuilletons der letzten Wochen durchzulesen. Das Boot locker an einer Weide vertäut, trudel ich durch Wort- und Wellenbewegungen, grüße den ein oder anderen Skipper, der am Ufer sitzt, mir sein Bier entgegenhält oder sich an sein Käppi tippt.
Langsam wühle ich durch die Kanäle, von Gleiten wie bei einem echten Kajak kann nicht so wirklich die Rede sein, meine Paddeltechnik macht zuviel Geräusch, zuviel Wasser, es ist also gut, sich ab und an auszuruhen. Die Sonne geht unter, und ich taste mich zurück durch das Zwielicht. Selbst schon angenehm müde, gleite ich schließlich doch durch dösende Enten, die - den Kopf unter dem Flügel - ihren eigenen kleinen Dämmertörn auf dem Wasser machen. 1-2-3-4!, die Sportruderer ächzen mit ihrem Abendtraining an mir vorbei. Als ich an irgendeiner Böschung an Land schubber (ein Lob der zusätzlichen Nylonhülle, die über und vor allem unter dem Boot liegt), ist es bereits dunkel geworden. Der erste Nachtangler kommt mir entgegen, Schichtwechsel am Kanal. Fische habe ich keine gesehen, sage ich. Schon lange nicht.
>>> Petula Clark mit der französischen Version
Jetzt bleibt uns nur das Drachensteigen.
:-(
Ich finde aber doch, dass die Welt vom Wasser aus betrachtet, speziell von Flüssen und Bächen aus, ganz anders erscheint, sehr eigenartig. Die Perspektive nah der Wasseroberfläche macht es aus, und die Natur einerseits, die Rückseitenoptik der Zivilisation andererseits.