Hossa!





Wie ich gestern feststellen mußte, bin ich nicht Deutschlands bekanntester Blogger, diese Stelle ist nun offiziell vergeben, aber dafür, so dachte ich im Stillen, bekanntlich Deutschlands ausgelassenster. Heute nämlich fühlte ich mich irgendwann wie Carter the unstoppable Se Fun-Machine, als meinen Weg Menschen mit roten Irokesen, blauen Bobs und pinken Planet-Claire-Frisuren säumten; ach, so schien mir erst, da war wohl gestern etwas im Absinth. Von vorbeifahrenden Trucks herab schallte es "Anton! Anton!" und irgendwas mit Tirol. Die sind ja bekanntlich lustig - und auch froh - und so wollte ich, dem bekannten Ausruf einer noch bekannteren Bloggerin folgend schon "Hossa!" rufen, hielt mich aber im letzten Moment zurück. Nachher wird man erkannt, dann heißt es wieder in Blogs, da stand auch so ein Man in Black mit seiner kleinen Kamera und verzog keine Miene - bis er plötzlich Hossa! rief, und wie albern ist der das denn? So albern wie man kann, schätze ich. Hamburger, dachte ich, des Denkens noch nicht müde, da hätte ich aber auch im Rheinland bleiben können, wenn ihr hier so was macht. Immer wieder erstaunlich, diese Norddeutschen. Tun so als hätten sie ihren unbefangenen Humor auf irgendeiner von der Welt abgeschnittenen Hallig zurückgelassen, aber kaum gibt man ihnen schlechte Musik, schlechte Getränke und eine schlechtsitzende Perücke, wird gebützt und gruppengekuschelt, gegröhlt und auf Tischen getanzt, daß man sich im Kalender verirrt glaubt. "Norddeutsch tun, aber La-Paloma-pfeifen, wa!" rief ich empört, aber inhaltlich völlig unsinnig, da war wohl was im Absinth, aber egal, es geht ja heutzutage nicht darum, eine sinnvolle Meinung zu haben, sondern überhaupt eine und diese auch noch lautstark zu verkünden.

So war ich auch gleich gut Freund mit ein paar Aloha-Blumenketten-behangenen Deerns, die mich zum Schunkeln aufforderten. Die waren - wir sprechen von nachmittags um fünf - schon so promillebeschleunigt, daß man ihnen locker ein paar Mobilfunkverträge hätte andrehen können. Aber wer locker verkaufen will, muß selber erstmal locker werden und nicht so verbissen sein, also sagte ich, nennt mich den Tiger interessierte ich mich für das perückenbunte Getränk in ihrer Mitnehmflasche (Frauen und ihre mitgeführten Getränkeflaschen, ein weites Feld). Was soll ich sagen? Bald spürte ich den Don Pascal in mir, das alte Drängen. Mensch, dachte ich, schon etwas heiter im Gemüt, ich kann es doch noch, da geht doch noch was, ich hab's doch noch drauf, die alten Zeiten sind doch lange nicht passé! Yeah! gröhlten die Görls, Aloha! fraternisierte ich, das ist doch Rhythmus, wo man mitmuß, dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf die Perücke usw. ff. Meine Fresse.

Die U-Bahn später sah aus wie die Auswechselbank nach der zweiten Verlängerung im Pokalfinale. Ausgepumpte, weggetretene Gestalten, Flaschen rollten klong, klong, klong in den Kurven hin und her - und ich fürchte, das geht noch so die ganze Nacht.

Homestory | 00:00h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
mark793 - Sonntag, 12. Juli 2009, 00:54
Öha,
Sie gehen ja wirklich da hin, wo's weh tut. Haben Sie diesen Stuntbericht auch schon bei den Mannesmännern eingereicht? Ich hörte, als Held für einen Tag könne man da was gewinnen, Baggerfahrt durch die Eifel oder aufblasbare Waschmaschine und so Sachen.

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kid37 - Sonntag, 12. Juli 2009, 01:10
Mein diesbezüglicher Forscherdrang und die damit verbundene Furchtlosigkeit werden eh viel zu wenig gewürdigt. Das ist doch alles Kulturaufkärung im Graswurzelstil. (Ich sollte eine Pressekonferenz einberufen und "Lückenlosigkeit im Wald" fordern!) Und wie gut sich erst Plakatwände voller Ringelstrümpfe und Käsebrote gemacht hätten! Von den toten Tieren gar nicht zu reden. Aber die haben ja alle keine Ahnung. Hossa, ich blas jetzt meine Waschmaschine auf.

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kid37 - Sonntag, 12. Juli 2009, 01:13
Ach so, es handelte sich übrigens um dieses Ereignis.

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hora sexta - Sonntag, 12. Juli 2009, 01:27
Himmel, Herr Kid. Sie machen hier Schubladen auf, ohne Schild dran, und was da für ein Lärm rauskommt - toll.

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kid37 - Sonntag, 12. Juli 2009, 01:42
Nicht wahr? Das hermetische Café - wie Rhein in Flammen.

(Wobei mir dann wieder einfällt, daß wer hier nicht lange mitliest und dementsprechend konditioniert ist, den Witz gar nicht versteht. Da muß ich morgen erstmal wieder singen: "Für mich soll's tausend Tränen regnen!" Hm.)

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hora sexta - Sonntag, 12. Juli 2009, 01:48
Dann versteht den Witz eben nicht jeder, oder muss das? Nö. Machen Sie sich mal keine Gedanken.  WirIch verstehe auch nicht jeden Witz, und so einen guten Pastor wie Sie, der jedes Schäfchen einsammeln will, den muss man erstmal finden. Hab ich Sie jetzt beleidigt? Nö. Hoff ich.

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cabman - Sonntag, 12. Juli 2009, 12:41
Sie müssen wissen Herr Kid, wir vernahmen es im Radio, weil daraufhingewiesen wurde, dass die Strassen sowieso und sowieso wegen der Veranstaltung gesperrt werden würden.

Ich sprach dann: Wir müssen eilen. Aufem Flohmarkt gab es, wie es dann immer so ist, gar nichts. Stellen Sie sich vor, all die Hektik, all der Stress für NÜSCHT.

Und dann rollten auch schon die ersten Beschallungswagen und ausgelassene Menschen aus Winsen Luhe und Boizenburg gröhlten und hatten diese albernen Hüte und Perücken auf.

Scharenweise strömten sie in ein und ich wunderte mich ganz ehrlich: Was treibt wohl erwachsene Menschen mit Schnauzbart und welkendem Arschgeweih dazu, sich bei solchen Events die Kante zu geben?

PS Schöner Bericht übrigens, wie immer!

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kid37 - Montag, 13. Juli 2009, 12:51
Ich habe dieses Jahr selbst den Akademie-Rundgang geschwänzt, die Kunst gerät ins Hintertreffen. Und was folgt daraus? Man landet unter bunten Luftballons und noch bunteren Perücken und Cowboyhüte. Aber wenn ich vom rheinischen Karneval erzähle, wird hier wieder gelacht. Entseeltes Brauchtum. Irgendwann riß ich mir die Blumenkette vom Hals und rief: "Ihr wißt ja gar nicht, was ihr tut!" Das hat aber gesessen, sag ich Ihnen. Da wurde es richtig einen Moment still.

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diagonale - Sonntag, 12. Juli 2009, 13:21
Da gibt es eine Hossa-Preisliste? Die haben wir nichtmal im Rheinland.
Kostet jedes Hossa was? Und haben die da Staffelpreise?

Ich bin sprachlos.

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kid37 - Montag, 13. Juli 2009, 12:47
Drei Hossa kosteten ungefähr so viel wie ein Feigling. So geht das hier.

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kelly mg - Sonntag, 12. Juli 2009, 22:21
Sie sind ja soooooo tapfer, Herr Kid, und einer der ganz großen ethnologischen Abenteuerer unserer Zeit. Das ist ja wie bungee jumping für den Verstand und das Gemüt. Das könnte ich nicht. Vielen Dank für Ihre aufopferungsvolle Recherche und die herrlichen Wortfindungen.

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kid37 - Montag, 13. Juli 2009, 12:46
Es sind die letzten Abenteuer und ungefähr so herausfordernd wie die Zeiten, als man als Völkerkundler bei einer Feier gleich neben dem Häuptling zu sitzen kam und Suppen mit Augen und Affenhirn als Dessert zu essen bekam (ich kenn es halt nur aus dem Kino). Da heißt es, tapfer bleiben und niemanden verärgern. Ähnlich wie bei diesen Nautvölkern konnte man den gewissen Eindruck gewinnen, einer bislang von jeglicher Zivilisation unberührten Ethnie gegenüberzutreten. Vielleicht besser abschotten, diese Kultur, und in Ruhe erforschen - ehe die Medien kommen und westliche Krankheiten.

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kristof - Montag, 13. Juli 2009, 11:06
"Hossa" ist ein wunderschönes Wort. Damit kann man sich gar nicht blamieren.

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kid37 - Montag, 13. Juli 2009, 12:41
Hossa!

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