Ficken gegen das System

Ich will so kalt sein, dass alle erfrieren
Will mich nie mehr verlieben, um nie mehr zu verlieren
Es dauert noch, bis ich begreife, was das heißt:
Es ist vorbei, ich weiß nicht, warum
(Die Ärzte, "Nichts in der Welt")


Man kann seine Pubertät nicht immer nur unter der Bettdecke suchen.
Dachte ich mir, und hielt es für an der Zeit, nach längerer Zeit mal wieder ein Konzert der nach feststehender Rede "besten Band der Welt" zu besuchen.
Eine schwer nette Punkette hatte zwei Karten aufgetrieben, ich weißnichtwoherundwillsauchnichtwissen, und gut war.


Wie immer waren die Herren Doktores schwer in Ordnung, das Publikum, nun ja. Im Vorfeld hat mich schon der hohe Anteil an, nun sagen wir mal, Prollrockern gewundert, die sich mit Popcorn, Nachos und falschem Bier (Holsten! Kein Astra!) eindeckten - zu Beträgen, für die ihre Eltern in, sagen wir mal, Pinneberg, etliche Sonderschichten haben einlegen müssen. Bands wie die Ärzte haben im reservierten hanseatischen Klima einen schweren Stand, "Westerland" hin oder her. Das fiel sogar den Hauptaktiven auf der Bühne auf. "Die Ärzte rocken - Hamburg schweigt", wurde bald zum geflügelten Wort.
"Hallo Hamburg, seid ihr noch da?"

Ansonsten wurden übliche Rituale abgefeiert, Dreitagebärte aus den Schubladen geholt, Schäferhunde durch falsche Stücke gehechelt, bekannte Politiker mit "Wassersport" in Verbindung gebracht... alles ganz gut dosiert.



Nochmal zum Publikum. Die Ärzte gehören ja zu den Bands, die selbst Plätze wie die Wuppertaler Unihalle zum rocken bringen, aber toter Fisch kann nicht rocken, har har. Elegante Überleitung, denn: Meine Begleitung brachte noch einen anderen delikaten Punkt zur Sprache. Auf dem Damenklo lag wohl tatsächlich eine EINFÜHRHILFE rum. Es gibt diese Dinger also tatsächlich in freier Wildbahn! Wahnsinn. Mir fiel ein, daß ein entfernter Bekannter als Student mal bei Johnson&Johnson or whatever gejobbt hat. Zu seinen Aufgaben gehörte das ENTGRATEN DER EINFÜHRHILFEN. Nun kann ich ja nicht wirklich viel dazu sagen, zugegeben, aber Frauen, die ich so kenne, liegen regelmäßig am Boden bei Erwähnung dieses, sagen wir mal, Distanzierungsapparats.
Und nun liegt so ein Teil, sauber entgratet hoffentlich, im Klo bei einem Ärzte-Konzert. Sweet, sweet Gwendoline!


Nun gut. Das nur nebenbei. Es ging ja auch um Pubertät. "Ficken gegen das System", halbe Liebeslieder, ("Soll es das gewesen sein?"), alles zu spät. Grenzgänge am Rande der Geschmacklosigkeit. Wehmütige Erinnerungen auch. Wie lange ist "Richy Guitar" eigentlich schon her?

Sehr lange. Zu lange, vielleicht.
"Ich hoffe, meine Worte machen es nicht noch schlimmer."

Liebe ist nur ein Traum, eine Idee und nicht mehr.
Tief im Inneren bleibt jeder einsam und leer.
Es heißt, dass jedes Ende auch ein Anfang wär'.
Doch warum tut es so weh und warum ist es so schwer?
(Die Ärzte, "Nichts in der Welt")

Radau | 03:39h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
maz - Donnerstag, 10. Juni 2004, 04:23
Tja,
Die Ärzte, einige Lieder wurden sogar damals indiziert (ich bin ein absoluter Idiot, wenn es um Musik geht - kurz , ich habe keine Anung)...
Heute würden sich totlachen über das Verbot der Geschwisesteliebe.

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kid37 - Donnerstag, 10. Juni 2004, 04:31
Danach haben Sie es ab und an instrumental gespielt und den Text vom Publikum singen lassen. Heute verbasteln sie verfängliche Worte wie "Claudia" und "Schäferhund" in ganz andere Stücke - das reicht als Erinnerung. Hübsche Idee auch. Eine Art Rabattmarkensystem für Alt-Patienten. ;-)

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ella - Donnerstag, 10. Juni 2004, 13:53
Zauberwort
In Deutschland liegen [Frauen] regelmäßig am Boden bei Erwähnung dieses, sagen wir mal, Distanzierungsapparats.

In Amiland konnte frau, zumindest vor nem guten Jahrzehnt, kaum welche ohne bekommen. Na ja, die Ami-Damen haben ja nu eh ein etwas seltsames Verhältnis zum eigenen Körper ...

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kid37 - Donnerstag, 10. Juni 2004, 15:22
Eigentlich klar, das konnte nur von dort stammen.
Kneift frau auch die Augen dabei zu? Schrecklich, alles.

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ella - Donnerstag, 10. Juni 2004, 17:22
Seltsame Erkenntnisse
Wahrscheinlich. Damals klärte mich auch die 13-jährige Göre meiner Au-pair-Familie darüber auf, dass es "disgusting" sei, sich nicht Beine und Achselhöhlen zu rasieren ... hm, ob ich sie heute mal nach dem "magischen Dreieck" fragen sollte und wie's da bei ihr so aussieht? ;o))

Einige Jahre später beim zweiten Mal, an der Uni im Doppelzimmer, durfte ich dann aber auch lernen was Doppelmoral bedeutet ... ist das Licht erstmal aus, juckt es nicht, wenn eine dritte Person 2 Meter weiter versucht zu schlafen ...

Na ja, will nicht auf die Amis schimpfen ... gab auch verdammt viel schönes da drüben.

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kid37 - Donnerstag, 10. Juni 2004, 18:00
Oh, toll. Schamhaardiskussionen. Das gibt es ja sonst nur bei Frau Lyssa. Schön, daß nun auch im hermetischen Café darüber geredet wird. Viel ließe sich dazu beitragen, z.B. über das Pro und Contra von Haaren in den Zähnen... aber bei dem feuchtheißen Wetter daußen führt das nachher wieder zu weit. Und ich bin grad allein.

Die Geschichte vom dormitory kenne ich ähnlich aber auch aus Irland, unsere Uni schickte nämlich gerne Austauschstudenten auf diese "grüne Insel". (Die eine wurde von einem besoffenen Iren "beglückt", gleichzeitig der anderen bei dem eher kurzlebigen Gehampel das Mineralwasser aufs Bett gekippt. Wenn das mal keine freudianische übersprungshandlung ist!) Möglicherweise also ist die amerikanische Geschlechtsmoral auf irische Einwanderer zurückzuführen. Diese komplett reglementierte und tolerierte Dating-Promiskuität ist so oder so schwer faszinierend, aber auch beängstigend.

Ein kurzer aside: Auf dem Flohmarkt erstand ich unlängst ein faszinierendes Buch von 1958. Aus der Reihe "Frauen fremder Völker" ergatterte ich den von einem "Prof. Dr. A. Ch. de Guttenberg" herausgegebenen Band "Die Amerikanerin". Der Klappentext verheißt eine großartige Lektüre:

"Das ist die Amerikanerin: Der Teenager... Sex im College... Necking und Petting... Heiratsalter... Frühehe... Flitterwochen... Die Lebens- und Liebesfreuden der Frau... Die Vormachtstellung der Frau... Das Leben aus der Büchse [es geht um die Küche!].... Kühlschrank-Kultur... Schönheitsköniginnen... Sexrummel nach Maßen und Gewichten... Schnellehen und Blitzscheidungen... Striptease, die moderne Entkleidungsschau... Seitensprünge... Call-Girls... Erpresserinnen... Rauschgift, Taxigirls und Gangsterliebchen [wird bestimmt mein Lieblingskapitel]... die Probleme der unverheirateten Frau..." usw. usw.

Bald weiß ich Bescheid, dann müßt ihr Weiber zittern, woahaha! ;-)

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ella - Donnerstag, 10. Juni 2004, 18:13
Gedanken(über)sprünge
z.B. über das Pro und Contra von Haaren in den Zähnen... aber bei dem feuchtheißen Wetter daußen führt das nachher wieder zu weit. Und ich bin grad allein.

*aufdemBodenliegtvorLachen* na das möcht ich sehen - sie allein und Schamhaare zwischen den Zähnen - sind wohl Turner, was? ;o)

Bald weiß ich Bescheid, dann müßt ihr Weiber zittern, woahaha! ;-)

... nur wenn Sie auch den Band "Die Deutsche" bzw. "Die Österreicherin" - für Frau Sonne - haben. ;-)

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yvonnesonne - Freitag, 11. Juni 2004, 14:06
die enzyklopädie "die österreicherin" umfasst ja alleine 42 bände - zu jeweils über tausend seiten. eine lebensaufgabe. ;)

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kid37 - Freitag, 11. Juni 2004, 14:39
Das klingt wirklich nach einer Lebensaufgabe.
Die Österreicherin ist ja sehr komplex. Der muß man sich ganz widmen, da bleibt für Amerikanerinnen und andere keine Zeit.

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yvonnesonne - Freitag, 11. Juni 2004, 17:39
genau, das haben sie gut erkannt.

;)

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shako - Samstag, 12. Juni 2004, 15:07
Leider nicht die Österreicherin ...
... aber dafür immerhin die Pariserin, die Italienerin, die Spanierin und die Orientalin aus der Reihe "Frauen fremder Völker" kann man (wenn mann/frau sich beeilt) gerade hier ersteigern. Es ist auch noch zweimal die Amerikanerin im Angebot, bitte mir fairerweise die zweite, die morgen abläuft und auf die ich unter dem Pseudonym "kunstganove" biete, mir überlassen, danke!

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kid37 - Samstag, 12. Juni 2004, 23:02
Sie kleiner Ganove! Es wird Ihnen viel Vergnügen bereiten. Leider müssen Sie auf den hübschen Schutzumschlag verzichten, der bei meiner Ausgabe dabei war.

Der Band Die Orientalin bietet bestimmt auch aufschlußreiche Einblicke in die Geisteswelt der... 50er Jahre.

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lady.death1 - Freitag, 11. Juni 2004, 13:58
Mach die Augen zu ..und küss mich.....

;O)

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kid37 - Freitag, 11. Juni 2004, 14:38
Sie erkenn' ich doch mit verbundenen Augen ;-)

(Ham'se gar nicht gespielt an dem Abend.)

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lyssa - Samstag, 12. Juni 2004, 13:43
Verdammt,
ein Schamhaardiskussion außerhalb meines virtuellen Wohnzimmers und ich hab sie verpaßt (wie gut, daß ich wenigstens den wunderschönen Eintrag nicht verpaßt habe ... ich hab auch prompt gesucht, meine Pubertät aber nicht unter der Bettdecke gefunden, die hat sich offensichtlich woanders abgespielt).

Diese dämlichen Einführhilfen haben mich mit zarten 16 in Kansas in den Wahnsinn getrieben. Außer unterarmdicken Binden und diesen Gerätschaften gab es nämlich sonst nix, fragen konnte ich niemanden und mit den Teilen kam ich nicht zurecht. Entweder wollte der Tampon gar nicht raus aus seiner Hülle, oder das obere Ende verabschiedete sich mit Tampon in die Tiefen des weiblichen Körpers. Grauenvoll.
Ich hab mir schließlich einen Jahresvorrat o.b. von meinem besten schwulen Schulfreund schicken lassen.

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ella - Samstag, 12. Juni 2004, 16:45
Wie gut,
dass ich damals "schon 19/20" war und SanFrancisco so europäisch war, dass frau nach einigem Fragen und Suchen auch Tampons ohne Intubations-Schnickschnack bekommen konnte. ;o)

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Lu - Montag, 14. Juni 2004, 12:25
tampax
hatte diese einführhülsen hier in deutschland.
meine mutter benutzte diese teile, das "warum" wort lasse ich an dieser stelle einfach mal aus. :)
im zarten alter von 13-14 ( wo auch mal die ärzte liefen, klar ) hatten wir keine blättchen und nach minutenlangen überlegen, woraus man den jetzt rauchen sollte, kam der spontane einfall !
is klar, wer sich die lungen zerhustet hat, während im hintergrund "ich bin der lustige astronaut...">/em> im kinderzimmer lief.

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kid37 - Sonntag, 20. Juni 2004, 03:44
Die Geschichte... ist eine Geschichte voller Mißverständnisse. Fürwahr.

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