Das Seltsame. Vertraut.

Vor Jahren, ich möchte nicht rückwärts zählen, gab es einen Moment, damals auf einer Hochzeit, die nicht die meine war, aber vielleicht besser hätte sein sollen, als das Glück an Bord eines Schiffes war. Für einen kurzen Moment konnte man es sogar mit geschlossenen Augen sehen.



Wir haben viel gelacht an Bord der Beständigkeit und viel geredet, oft sogar schweigend, manchmal gestritten - weil man jung war, selbst ich, und die Dinge oder man selbst mehr Funken schlagen, wenn sie schwierig scheinen. Aber keine schöneren. Da waren die Hamburger Tage und die Hamburger Nächte und die Widerstände und Stürme und die schönen Entdeckungen. Wir gingen über Flohmärkte, krochen durch stillgelegte Fabriken, sammelten das Skurrile, die Funde von der Straße, weswegen die Menschen uns oft aus schräggestellten Augen betrachteten. Uns seltsam fanden. Weil sie die Schätze nicht erkannten, in dem, was bloß Schrott schien oder banal. Lange Zeit schrieben wir uns Briefe, manchmal täglich, collagiert mit Fotos und Polaroids und Zeichnungen, Funden und Zeitungsschnipseln. Im Laufe der Jahre tauschten wir hunderte. Jeder ein Schatz.



Und weil wir irgendwann Abstand suchten, immer noch jung, uns auseinanderoperierten, das Ende einer gemeinsamen Reise, lange schwiegen, also anders schwiegen, nichts mehr hörten, noch weniger wußten, wog jeder so rare Brief um so schwerer. Zwei Schiffe namens Vorsicht, die nun Flaschenpost finden, seltene Signale, die Flaggen am Horizont.



Die Meere, die sie befährt, sind nun andere. Aber als sie schreibt, sie sei heute ausnahmsweise einmal nicht wunderlich genannt worden, wegen dem, wie sie so ist, wußte ich - wir spielen vielleicht nicht mehr im selben Team. Aber immer noch in derselben Liga.

Homestory | 15:27h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
cabman - Dienstag, 15. Juli 2008, 18:54
Ganz großes Kino!

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frl.deville - Dienstag, 15. Juli 2008, 19:46
Man möchte schluchzen.
kumma.

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2008, 00:41
Der tapfere Mann. Nicht auszudenken.

@ Cabman: Wir hatten schließlich auch denselben Lieblingsfilm. ;-)

(Und manches hätte man wirklich Filmen sollen (alles noch vor der Generation-Digicam-Zeit). Ist aber alles in Kopf & Herz bewahrt. Immerhin.)

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au lait - Dienstag, 15. Juli 2008, 19:47
Als Fußballfan, gleitet mir fast "Champions League" über die Zunge, mit Blick auf diesen Text. Aber er eigentlich ist er besser. Und erfreulicherweise taucht der FC Bayern nicht drin auf. Grandios!

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monolog - Dienstag, 15. Juli 2008, 23:14
Und anders als beim Fußball verlässt man ja im Leben selbst die eigene Liga eher selten.

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2008, 00:30
Aber manchmal vertut man sich in der Gewichtsklasse, wie es bei Irving heißen würde, und will mitspielen, wo man nicht hingehört. Man muß seinen Platz kennen.

@Ole: Merci. Dieser Stoff macht es einfach ;-)

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frau stella - Dienstag, 15. Juli 2008, 21:42
Seelenverwandschaften bleiben Seelenverwandschaften, egal wohin es einen weht.... Wunderschön geschrieben.

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2008, 00:36
Das hoffe ich sehr. Auf den Meeren kann so viel passieren.

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vert - Donnerstag, 17. Juli 2008, 02:24
tatsächlich. so ein maelstrom ist nicht ohne!

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kid37 - Donnerstag, 17. Juli 2008, 02:39
Ja, die mit den Großspursegeln kommen leicht ab vom Kurs. Wir hingegen waren schon sehr beständig. Nicht achtlos.

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vert - Donnerstag, 17. Juli 2008, 04:05
ein echter seebär
das merkt man gleich.
sie bringt man nicht so schnell vom kurs ab - dann noch mast- und schotbruch!

(see, weib und feuer sind drei ungeheuer;-)

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kid37 - Donnerstag, 17. Juli 2008, 11:09
Ich bringe mich nur selbst vom Kurs ab, dabei liegen Sextant und Karte direkt vor mir.

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vert - Donnerstag, 17. Juli 2008, 12:27
sie sollen doch nicht dem gesang der sirenen folgen, das gibt nur trümmer!
und hinterher läuft wieder nix(e).

(desinit in piscem mulier formosa superne.)

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kid37 - Donnerstag, 17. Juli 2008, 12:47
Wohl gesprochen! Nur noch Fische und Wassermänner. Die goldene Dublone habe ich gerade vom Mast gepuhlt. Soll der Wal blasen, wo er will. Ein zweites Bein kriegt er nicht.

Whenever I find myself growing grim about the mouth; whenever it is a damp, drizzly November in my soul; whenever I find myself involuntarily pausing before coffin warehouses, and bringing up the rear of every funeral I meet; and especially whenever my hypos get such an upper hand of me, that it requires a strong moral principle to prevent me from deliberately stepping into the street, and methodically knocking people's hats off - then, I account it high time to get to sea as soon as I can.
(Herman Melville. Moby Dick. 1851.)

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gheist - Freitag, 18. Juli 2008, 03:50
Das gibts auch sehr schön vorgetragen von Herrn Welles: link

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kid37 - Freitag, 18. Juli 2008, 14:03
Sie haben immer tolle Links. Danke. Ich werde gleich an Bord gehen, drei Tage Jagd auf den weißen Wal.

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donalphons - Mittwoch, 16. Juli 2008, 01:53
Sie ist es.
Rufen Sie sie an und heiraten sie.

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2008, 11:06
Die Transferliste ist sozusagen geschlossen.

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donalphons - Mittwoch, 16. Juli 2008, 14:57
In keinem Spielermarkt der Welt würde man bei der Einreichung des obigen Angebots nicht zumindest überlegen, ob da nicht noch Platz für einen stürmischen Stürmer wäre. Man weiss ja, wie schnell verletzungsbedingt ausgewechselt werden kann.

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2008, 16:51
Ich glaube, Freigaben werden nicht erteilt. Und ich spiele ja nur noch Alte Herren ;-)

Riefe ich mit diesem Anliegen an, würde aber sicher herzlich gelacht und mir ein wirklich skurriler Humor bescheinigt. Wir würden uns aber im Alter gegenseitig Suppe kochen, wenn wir versorgungslos an anderer Leute Tür klingeln müssen. Das ist doch auch was wert.

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donalphons - Mittwoch, 16. Juli 2008, 17:10
"Riefe ich mit diesem Anliegen an, würde aber sicher herzlich gelacht und mir ein wirklich skurriler Humor bescheinigt."

Das ist eine wirklich feine, wohlformulierte Ausrede von der Sorte, wie sie der gern gelangweilt trottenden Menschheit viele spannende Geschichten erspart hat. Ich darf gratulieren, ich gehöre nämlich auch als führendes Mitglied der Klasse B-Senior zum Club "Aufwärmungsverweigerer 67".

Bis zum nächsten Mal.

Juliane könnte ich mal wieder anrufen.

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2008, 18:57
Man sieht es der Dame vielleicht nicht an, aber sie kann Kickboxen. Ernsthaft jetzt. Da komme ich als alternder Linksaußen nicht weit. ;-)

Rufen Sie da mal an. Wo es Bedeutung hatte, bleibt auch der Kontakt.

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derherold - Mittwoch, 16. Juli 2008, 19:10
Herr @kid, sie haben Ihre spannende Geschichte.
Es klingt rüde aber "alte Zeitungen gehören in den Papierkorb".

Ansonsten: Vor allem können nur Unerfahrene glauben, mit "rufe ´mal an und frag´, ob wir nicht heiraten sollten" könnten sie einen erfolgreichen(!) Kaltstart hinkriegen. Eine Reanimation - wenn auch nicht empfehlenswert - bedarf eines besonderen Moments. So etwas gelingt nur vis-a-vis. Das geht nicht am Telefon.

An "Freigaben", "Wechselsperren" u.ä. habe ich mich allerdings nie gehalten. ;-)

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2008, 19:30
Ich glaube, das kriegt jetzt einen leicht falschen Dreh. Frau Stella hat das etwas besser erfaßt. Alle anderen Kirchen bitte ich im Dorf und zugesperrt zu halten ;-)

Die spannende Geschichte allerdings bleibt so oder so. Da haben Sie recht.

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kaethe feinstrick - Mittwoch, 16. Juli 2008, 10:53
Manchmal wundert man sich schon, dass zwei, die dieselbe Klasse haben, dann doch in getrennten Teams spielen. Verschenken wir unser Glück vielleicht zu leichtfertig, weil wir glauben, es gäbe immer noch etwas Besseres, es wäre noch mehr Seelenverwandtschaft möglich, noch mehr gemeinsame Wunderlichkeit, noch mehr Harmonie? Und dabei sind wir dann wie jene, die auf dem Flohmarkt an den wahren Schätzen vorbei gehen.

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2008, 11:04
Ja.

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hora sexta - Mittwoch, 16. Juli 2008, 16:19
Die noch größere Gefahr: Dann selbst auf dem Flohmarkt landen und vorbeigegangen werden. Aber vielleicht ist das zu befürchtet gedacht. Für Sie, meine ich.

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2008, 16:42
Ich glaube, das geschieht nur bei oberflächlichen Beziehungen. Und da sollte man sich dann nicht lange grämen.

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neo-bazi - Mittwoch, 16. Juli 2008, 16:27
Ein schönes Paar in der schönsten Stadt. Auch wenn alles fließt.

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2008, 16:40
Wenigstens für die eine Hälfte hat das ja einst Lyssa schon festgestellt ;-)

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lilli marlen - Donnerstag, 17. Juli 2008, 12:51
...und manchmal weiß man nicht, ob der erfüllte Wunsch sich wirklich so anfühlen würde wie der schöne Traum...

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kid37 - Donnerstag, 17. Juli 2008, 14:06
Schöne Träume bitte nur noch auf der großen Leinwand.

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chaosmaedchen - Freitag, 18. Juli 2008, 01:06
was so schön geschrieben ist, kann gar nicht mehr be"hach"t werden, da kann man nur noch sitzen und aufeinmal Sehnsucht kriegen und dann still sein und schließlich lächeln. Wie immer Danke für diesen schönen Gedanken, Herr Kind =)

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