Feurio!

Wie ich gerade in Spiegel Online lese, ist in London die berühmte "BritArt"-Kunstsammlung von Charles Saatchi verbrannt.

Unter den zerstörten Arbeiten sollen auch weltbekannte Werke von Avantgarde-Künstlern wie Tracey Emin, Damien Hirst, Sarah Lucas und den Brüdern Jake und Dinos Chapman sein.

Wahnsinn. Ich habe einige dieser Werke noch in Berlin ("Sensation") und Hamburg sehen können, darunter Damien Hirsts Haifisch und das Zelt von Tracey Emin ("Everyone I have ever slept with"), das für mich zu den eindruckvollsten und emotional berührendsten Kunstwerken der letzten Jahre zählte.

Zum Bericht in der Netzeitung, die den Titel von Tracey Emins Installation allerdings reichlich mißverständlich wiedergeben.

Flanieren | 01:11h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
yvonnesonne - Donnerstag, 27. Mai 2004, 02:49
herrje ist das sympathisch!
"es ist doch nur kunst!"

für herrn saatchi allerdings ist es mehr als das: schnöder mammon. (und über "mehr" ist auch streitbar.) die hölle holt sich eben, was ihr gehört. hehehehe.

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kid37 - Donnerstag, 27. Mai 2004, 11:08
Na, mal nicht so despektierlich hier. Kunstwerke haben schließlich Unikat-Charakter.

Aber Sie sind jung, die Jugend darf so denken.

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lady.death1 - Donnerstag, 27. Mai 2004, 15:52
So sei es.
Kunst und Rauch...oder wars Schall? ... egal
Futsch.
Hätten se mal ne Sicherungskopie gemacht :O)
Feinfühlig-
wie immer
Lady Death
:O)


PS. Wie geht es Dir ,
Habe schon LAAAANGE nix mehr von Dir gehört:O)
Ich hoffe beser als es sich nach den Texten anmuten läßt....

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kid37 - Samstag, 29. Mai 2004, 02:03
Ihr Damen seid alle so herzlos.

PS: Na ja. Ich habe ja ein notorisch sonniges Gemüt. ;-)
Danke der Nachfrage. Die Trauer weicht einer gewissen Aggressionsphase. Scheint mir ein gutes Zeichen zu sein.

Ich habe mich ja jetzt auf Wiener Sofas austherapieren lassen. Irgendwann schaffe ich es sicher, Herablassung mit Herablassung zu begegnen.

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yvonnesonne - Samstag, 29. Mai 2004, 12:36
herzlos??
das kann nicht ihr ernst sein! ich finde es nur immer wieder grausam, wenn menschen dinge höher bewerten als andere menschen. solange niemand zu schaden gekommen ist, den man nicht einfach mal schnell so nachbasteln kann, find ich es egal. ja - so denke ich.

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sweetmaker - Samstag, 29. Mai 2004, 13:04
aufrechnen ist nie gut

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yvonnesonne - Samstag, 29. Mai 2004, 13:11
da haben sie allerdings sehr recht. also ich ziehe meine kommentare hiermit zurück.

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kid37 - Samstag, 29. Mai 2004, 13:52
Ich glaube, Herr Sweetmaker hat eher mich gemeint. Soviel Arroganz muss sein ;-). Wohl wegen "Herablassung mit Herablassung begegnen".

Nein, "Aufrechnen" ist überhaupt nicht gut. Wenn ich Sie zitieren und unterstreichen darf:
"aufrechnen finde ich natürlich den vorgang schlimm aber vor allem das wort (und deshalb habe ich es hier gepostet); diese erkaltende technisierung/mathematisierung eines schlimmen prozesses."

Das sehe ich genauso. Aufrechnen ist aber das, was man bewußt tut. Ein Wie du mir, so ich dir. Möglicherweise noch gar nicht mal so "erkaltet". Ich meine aber nicht das Aufrechnen. Da würde mich ja zum kühl versklavten Buchhalter machen. Ich meine eher eine Art Equilibrium. Ein emotionales Gleichgewicht, in dem alles ausbalanciert ist, kein Interessensgefälle (wie vor Jahren) mehr besteht.

Wenn das auf der Ebene der "Herablassung" (oder wie auch immer) geschieht, ist mir das immer noch lieber, als wenn sich soziale Interaktion auf der Ebene völliger Indifferenz vollzieht. "Och, ja. Wir kannten uns doch mal. Wie war noch mal gleich dein Name...?" Gleichgult ist schlimm.

Ganz andererseits, und jetzt mal Händchen in die Luft:
Wer würde denn bei einem Satz wie "Ich will Freude mit Freude begegnen!" an Aufrechnen denken? ;-)

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kid37 - Samstag, 29. Mai 2004, 14:06
@Yvonne Sonne: Kaum schaut man noch vor dem Rasieren in sein Blog, schont hat man 'ne Ethik-Diskussion am Hals. ;-)

"ich finde es nur immer wieder grausam, wenn menschen dinge höher bewerten als andere menschen. solange niemand zu schaden gekommen ist, den man nicht einfach mal schnell so nachbasteln kann, find ich es egal. ja - so denke ich."

Ich denke da anders. Sie sind jung, Sie kennen den Wert der Dinge nicht, ihren Permanenzcharakter und können noch Umsturz predigen. Natürlich bin ich auch froh, daß niemand zu schaden kam. Das heißt ja nicht, daß ich den Verlust der Dinge nicht betrauere. Sie denken natürlich (zu Recht), heute war kein schöner Tag, aber morgen macht die Sonne alles neu.

Der Mensch aber, der vielleicht fälschlich nach Fortbestehen und dem ewigen Leben strebt, war immer schon bemüht, nicht nur in seinen biologischen Nachkommen, sondern auch in seinen Werken weiterzuleben. Seit Kunst nicht mehr dazu dient, böse Dämonen zu bannen oder zürnende Götter zu beschwichtigen und zu preisen, seit die Idee des Künstlers geboren ist, ist sie sozusagen auch geistig-ästhetisches Saatgut. Und die Saat zu erhalten und zu verbreiten - nun, dafür sind wir doch alle hier...

(Und jetzt bitte keine Kalauer wie "isch möscht auch gern mal widder Saatgut verbreiten, doo..." ;-))

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kid37 - Samstag, 29. Mai 2004, 14:31
Zum Thema "Aufrechnen" siehe auch hier bei maz.

Vielleicht sollte man so lange aufrechnen, bis alles irrelevant geworden ist. Und dann macht die Sonne alles neu.

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sweetmaker - Samstag, 29. Mai 2004, 14:46
kein angst ich hab sie beide gemeint ; )
hr. kid sie haben uns da ja was vor den latz geknallt!
aber dass sie sich hinter ihrem alter verstecken müssen um fr. sonne zurechtzuweisen, tstss.
die diskussion ist heiss und ihr einwand dass in den kunstwerken das herzblut der menschen steht die es erschaffen haben und eigtl. auch der ganzen menschheit ist absolut wahr.
meine ersten reaktion zu dem ereignis selbst (der brand) war allerdings auch "...na, der ist ja sicher gut versichert, der reiche saatchi-sack...", denn gerade bei dieser "young british art" steckt ein schon zt. widerlicher kunstmarkt-mechanismus dahinter, sodass man durchaus schadenfroh werden könnte...
sollte man aber nicht, denn siehe herzblut.
ach ja, fällt mir ein:
"die blendung" von canetti muss ich unbedingt fertig/nochmal lesen. der arbeitstitel war "kant fängt feuer"

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yvonnesonne - Samstag, 29. Mai 2004, 16:02
@kid: naja. zur relativierung muss ich sagen, dass ich schwer schockiert wäre, wenn michelangelos kunstwerke oder gar da vincis meisterstücke verloren gingen, durch welche umstände auch immer. doch gerade bei der jungen kunst ist es ja so, dass das herzblut im konzept steckt. tracy emins arbeit ist vom handwerklichen standpunkt her bestimmt reichlich ungenial. daher auch der satz: "man kann es ja nochmal machen". weil es egal ist, die idee zählt und die ist unvernichtbar solange der künstler am leben und bei geistiger gesundheit ist. wirklichen schaden hat nicht die kunstwelt von diesem brand, sondern ein reicher fuzzi um dessen wohl es mir wirklich egal ist. (finanzielles wohlgemerkt). die jungen künstler haben eine schlagzeile mehr.

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sweetmaker - Samstag, 29. Mai 2004, 16:38
ich wage es dem reichen fuzzy sogar zu unterstellen, dass es ihm gar nicht so weh tut, da er wie gesagt sicher gut versichert war (die leiden wahrscheinlich am meisten, hehe)
@objekt vs. idee: in wien wird vom kulturhistorischen standpunkt immer das objekt/gebäude gehuldigt. in japan zb. zählt die idee/das handwerk.

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kid37 - Samstag, 29. Mai 2004, 17:59
hr. kid sie haben uns da ja was vor den latz geknallt!
Gefangene werden nicht gemacht. Und das war nur die Kurzversion. ;-)

Außerdem muß ich der Funktion des Hermetischen Cafés auch als höhere moralische Lehr- und Versuchsanstalt wenigstens ansatzweise Rechnung tragen.

Ich glaube nicht, daß Saatchi (um dessen Millionen es mir auch nicht leid tut, höchstens um sein Engagement. Er hätte sein Geld ja auch - sagen wir, in Pferdewetten - verpulvern können) versichert ist. Die wenigsten Kunstwerke sind versichert, denn die satten Prämien kann sich nicht mal der Louvre leisten.

Als Freund der arte povera stehe ich dem Gedanken technischer Qualität als Kriterium der Kunst eher skeptisch gegenüber. Insofern ist der Unterschied zwischen Michelangelo und einer Assemblage aus Filz, Ei und Kakao eine Frage des Maßstabs. Jedes für sich kann gut oder schlecht sein. Grundsätzlich entstamme ich ja auch eher der "Search & Destroy"-Sozialisation. Kill your Idols usw.

Andererseits werde ich mit zunehendem Alter (keine Koketterie, Frau Sonne besitzt Fotos, auf denen bemerkenswert graues Haar von mir zu sehen ist!) zum Bewahrer. Vergangenheit ist wichtig. Letztlich aber strebe ich zunehmend dem Barocken zu. Zusammenfall der Gegensätze, das Leben als Totentanz, alles eitel und vergänglich. Vanitas vanitatem.

So gesehen ist die Feuertod der BritArt auch nur ein weiteres memento mori. Genießen wir also den Augenblick und machen alles neu. Vielleicht sammelt Saatchi ja nun Young German Art, und ich habe noch mal eine Chance ;-)

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