Antichrist

Ganz in der Nähe dieser alten Seifenfabrik ("Hoho, mein Junge. Da machen sie Seife aus alten Knochen!") bin ich aufgewachsen. Manchmal wehte der schwermütig parfümierte Geruch herüber ("Das ist gute Seife", sagte Frau Mutter) und hing wie ein klebriges Spinnennetz in der feuchten Luft, in dem sich die ganz kleinen Tiere und unbrave Kinder verfangen konnten. An der Schwarzbach saß die Fabrik, eine schmutzgefärbte schnurgerade Straße mit düsteren Hausfassaden, "genau eintausend Meter lang", so das drohende Raunen der gichtigen Männer, die, Männer wie wir!, den ganzen Tag über unten am Büdchen standen und heiser in braune Glasflaschen sprachen.

Lars von Trier benutzte die zerfledderte Fabrik als einen Drehort für Antichrist, ich hätte ihm die Stelle verraten können.

Super 8 | 18:47h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
mark793 - Mittwoch, 30. März 2011, 19:10
Als ich eben das Video anklickte,
stand oben auf der Liste der Vorschläge: "Verlassene Orte, Teil 37". Wie Sie das nur immer machen.

Der Name der Chose Luhns sagt sogar mir als Sunlicht Südlicht entfernt noch was.

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kid37 - Donnerstag, 31. März 2011, 00:51
Ich weiß auch nicht, es verfolgt mich. Ich wußte allerdings nicht, wie groß Luhns war/ist. Sauber.

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kreuzbube - Donnerstag, 31. März 2011, 09:46
"Knochenmühle" hieß das bei uns.
Von Duft konnte jedoch keine Rede sein, bei dem, was da herüber wehte. Ich weiß nicht mehr, was sie damals herstellten, vielleicht war es Leim?

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kid37 - Donnerstag, 31. März 2011, 12:38
"Duft" steht hier auch nirgends, obwohl das manchmal auch so parfümierte Wolken waren, ähnlich widerlich wie der Geruch von Weichspüler (brrr). Manchmal roch es so als würde jemand Pansen kochen.

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zeilensturm - Donnerstag, 31. März 2011, 13:48
Auch prägend: Hefe
Ich traf mal einen Mann, der lebte in der Nähe einer Hefefabrik. Die ganze Gegend roch süßlich nach Erbrochenem, je nach Windrichtung. Sein Lebenstraum war: "aus der Hefe wegziehen".

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mark793 - Donnerstag, 31. März 2011, 14:07
Verstehe ich.
Zu den olfaktorischen Zumutungen meiner Mannheimer Jahre zählten - je nach Windrichtung - eine Schokoladenfabrik und eine Ölmühle (nicht zu vergessen, was BASF, Boehringer und die ZEWA-Werke so alles in die Luft bliesen). Je nach Duftnote wusste man immer gleich, woher der Wind weht. Exakt dieser süßlich-widerliche Ölmühlen-Odeur verfolgt mich übrigens manchmal auch hier, wenn der Südwind vom Neusser Hafen heraufweht.

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monnemer - Donnerstag, 31. März 2011, 14:48
Ich überlege gerade was schlimmer ist - dass der Wind im Moment aus Richtung Ölmühle weht, oder dass ich jetzt When The Wind Blows im Ohr habe.

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kid37 - Donnerstag, 31. März 2011, 17:22
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
Ah, die bitteren Madeleines unserer Kindheit im Industriezeitalter.

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jean stubenzweig - Donnerstag, 31. März 2011, 17:30
Auch ich erinnere mich an besondere Gerüchekombinationen – etwa an Aachen, wenn Alt gebraut wurde und die Ludwigs zur selben Zeit Schokolade kochten, um wieder ein bißchen Geld zu haben für die Kunst.

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kid37 - Donnerstag, 31. März 2011, 18:40
Chocolat
Schokolade für die Kunst. Was für eine Liebe.

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der_papa - Dienstag, 5. April 2011, 12:48
Ich komme da manchmal vorbei an der Fabrik in der Schwarzbach. Eine dunkle Straße, selbst am Tag. Und ich bin immer froh, wenn ich durch die Straße durch bin. Wobei, bergauf wird die Gegend auch nicht besser, allenfalls heller …

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kid37 - Dienstag, 5. April 2011, 16:37
Als Kind nach der Schule manchmal... dazu die donnernden Laster auf dem Weg zur Autobahn. Dann gab es noch eine noch dunklere steile Treppe den Berg hoch, wo man immerhin wieder die Sonne sehen konnte.

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