Dipl. Kunst



Am Wochenende lockte ein forschender Blick auf frischdiplomierte Kunst. Die Diplomausstellung der HfbK ist meist amüsant, interessant und guter Überblick über den akademischen Schwebezustand zwischen Epigonentum und frischer Idee. Die Malerei, meditativ, aber vermehrt gegenständlich, einzelne, vor allem die von unterm Dach (u. a. Anna Gestering) wirken wie gewohnt sehr "fertig", anderes wiederum nicht ganz so. Die Konstruktivisten und Bastelfreunde hingegen entziehen sich diesmal nicht völlig meinem Verständnis. Neben einer Installation im Industrial-Ambiente (tolle Sounds und mechatronische Instrumente inklusive) begeisterte mich vor allem ein überdimensionales Laufrad aus Metall. Durch eine schmale Luke stieg man ein und lief dann zum Geräusch einer quietschenden Bremse im Dunkeln entlang. Was einem sonst nur die ewige Mühle täglichen, emsigen Broterwerbs vermittelt, simulierte hier zugleich ein völlig neues Raumgefühl. Endlos gab der Boden unter einem nach, wie ein Hamster im Rad hätte man ebenso endlos - oder so weit die Puste reicht - weiterlaufen können. Doch selbst ich, für gewöhnlich ohne Arg, kam bald dahinter, daß ich so kaum je von der Stelle kommen würde.



Großartig auch die Fotos von Jo van de Loo, die er aus Nepal (muß ich hin) mitgebracht hat. Anna Cieplik fotografiert Details, Flächen, Strukturen, ganz unaufgeregt, fast abstrakt, das gefiel mir gut. Wie ein Rückgriff auf die 50er Jahre wirkten die sehr flächigen, bunten geometrischen Malereien von Monika Michalko. Wie unberührt im Zeitstrom, ihr Tableau vivant wirkte wie Dada-Theater, eine hübsche Idee auch für einen Nachmittag im Sommer am See. Am meisten haben mich aber die Sammelsurium-Skulpturen einer Künstlerin begeistert, deren Namen ich leider nicht entdecken konnte. Reliquiare aus alten Schrankschubladen, es grüßt der deutsche Einrichtungsmief der 70er Jahre, bergen Fotos und Allerweltskitsch und Kram, Flohmarktfunde, Haushaltsreste, alles an die Wand dekoriert, ornamental hochgewuchert wie ein gotische Kathedrale und zu Themenschreinen wie Pragmatismus, Terrorismus, Feminismus zusammengefaßt. Witzig, entlarvend, bitter oft. Und sehr, sehr schön.

Auch nach Jahren verlaufe ich mich immer wieder in diesem labyrinthischen Bau, aber das gehört dazu. Das Finden, nicht das Suchen. Die Kunst zeigt sich sowieso oft in den Details am Rande.

Mehr Fotos in den Kommentaren.

Flanieren | 13:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
kid37 - Mittwoch, 4. März 2009, 13:40


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frl.deville - Mittwoch, 4. März 2009, 14:34
Die Prothesen haben beim Anblick der schönen Strumpfmode
sicherlich mit den Gelenken gequietscht, nein?!

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fishy_ - Mittwoch, 4. März 2009, 15:56
Danke für den Einblick - sehne mich nach Kunst. Und diese hier sagt gar, was ich fühle.

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nicwest - Mittwoch, 4. März 2009, 21:54
Ich verlaufe mich dort auch regelmäßig. Und ich besuche immer gern die Toiletten, weil die oft sehr hübsch verziert sind.

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kid37 - Donnerstag, 5. März 2009, 00:49
Die quietschten neidvoll wie ansonsten das große Hamsterrad. Verständlicherweise. Interessant waren die aber auch. Frau Fishy, so ein bißchen was haben wir hier schließlich auch.

Man darf ruhig auch mal vergleichen, das Schachspiel gab es 2005 bereits. Das Waschbecken auch. Hony soit qui...

Frau Nicwest, ich bin schon immer froh, wenn es tatsächlich eine Unisextoilette ist. Manche sind dort nicht ganz eindeutig bezeichnet, und so sehr möchte ich mich nicht verirrt haben.

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gaga - Mittwoch, 4. März 2009, 23:08
Besonders die Bierflaschen-Installation im Waschbecken! Das sieht man ja immer wieder als Plagiat - aber das hier scheint mir ein Original zu sein! Sie Kenner!

Und das dritte erste Bild Bein von unten auch! Ich sehe das. Auch ich habe diesen speziellen Blick dafür, den man nur durch jahrelanges, konsequentes Studium des Sujets erwirbt!

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kid37 - Donnerstag, 5. März 2009, 00:43
Ein weiteres Original war auch die berühmte Vernissagen-Gesöffflasche avec Blume, die man häufig in Imitationen, Hommagen und dreisten Plagiaten sieht. Hier aber ist es diplomiert. Ansonsten gilt: Was Beine angeht, sind die Natur, Oroblu, Wolford, Cavallini etc. die großen Künstler.


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nnier - Donnerstag, 5. März 2009, 09:03
Und er hier.

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kid37 - Donnerstag, 5. März 2009, 12:09
Gut, das Dings liegt einzig im Auge des Betrachters. Vielleicht bin ich auch einfach ein wenig festgefahren.

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jean stubenzweig - Donnerstag, 5. März 2009, 02:43
Jo van de Loo? Ist das ein Sohn von Marie-Jo, der Münchner Galeristin, die wiederum die Tochter von Otto ist? Wissen Sie mehr?

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kid37 - Donnerstag, 5. März 2009, 12:12
Das ist ja interessant. Ich weiß, daß er ursprünglich aus München stammt, und wer ihn erlebt, könnte so etwas wahrnehmen, was man in anderen Kreisen vielleicht "Stallgeruch" nennen würde. Kurz, er ist da zu Hause, wo er ist, und strahlt es auch aus. Ich schätze, es ist dann so, wie Sie vermuten.

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jean stubenzweig - Donnerstag, 5. März 2009, 17:11
«Stallgeruch» – wenn er's ist, dann wird er ihn sicher haben – denn er müßte schon von Opas Hand durch die Kunstwelt geführt worden sein.

Ich werde die vermutliche Mutter einfach mal fragen.

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sunny5 - Donnerstag, 5. März 2009, 04:30
http://www.youtube.com/watch?v=8knVoYK2mkc

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kid37 - Donnerstag, 5. März 2009, 12:07
Und das im Hermetischen Café. Sie hätten mich heute morgen beim Frühstücken in meiner Küche herumtanzen sehen sollen, das Lied auf den Lippen. Ich bervorzuge dann aber doch diese Version.

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