Samstag, 21. März 2009


Tagebuch #2

You don't feel like mine anymore
This night i wrestle with pride on the floor
That's cos you don't look back like i look back
That's cos you don't look back like i look back

(The Duke Spirit, "My Sunken Treasure")



Regelmäßiger vorbeischauen, hieß es zuletzt. Berlin in kleinen Dosen, quasi mal vorbeipaddeln, Elbe und Spree, ein Boot führen und nicht nur Gast sein. Eigene Orte schaffen, neue Erinnerungen, die den Blick durch zerkratzte S-Bahn-Scheiben überlagern, wenn draußen wehmütig bekannte Stationennamen vorbeiwischen.



Museum für Kommunikation also, viel Andrang, Gläser klirren, ziehen Menschen an wie eine Lockrufpfeife. Nachdenken über Distanz und Distanzlosigkeit, soziale Scharaden und Dos and Don'ts auf dem Gesellschaftsparkett. Oder besser nicht. Das ist mein Abend, denke ich, beiße mir auf die Zunge, als im Treppenhaus ein Satz an mich gerichtet wird, zu dem ich gleichzeitig "Ja, natürlich, sehe ich genau so" und "Nein, das ist doch nur ein Bild für etwas anderes" sagen möchte. Aber falscher Ort, falscher Anlaß, falsches Gegenüber für so etwas verquer Zerrissenes, Mißverständliches gilt es auszuhalten - und den Springteufel lassen wir an diesem Abend besser im Kästchen. Zumal der Haken bedrohlich geöffnet wurde. Schweigen also im Museum für Kommunikation, ich betrachte die Wände, vor die man gemeinhin die Sachen fährt.






Eigentlich ist der Abend ein Bloggertreffen, dabei gehe ich gar nicht mehr zu so etwas. Wie sich das anhört. Als seien Menschen aus Papier. Mek, Miss Monolog, Kinky und Frau Kopffüßler sehe ich, Frau Casino hat es zu meiner Freude noch geschafft, sagt mir etwas für mit auf den Nachhauseweg, Frau Gaga macht sich leichtbestrumpft davon, das hingegen wird ein Nachspiel haben.

Fliesensuchen, eng bekritzelte Tagebücher aus echtem Papier bestaunen, dann das Holzklotzdiarium von Anke Gröners Opa. Das ist wirklich wunderbar. Sehr faszinierende kleine Details überall, aber ich bin zu hibbelig, ich bin zu aufgebracht, ich bin zu aufgedreht, ich würde gerne allen am Ärmel zupfen, eine Rauchen, einen unglaublich geistreichen Witz reißen, der das toll illuminierte Glasdach aus dem Lichthof sprengt. Oder etwas ganz anderes.

Es gibt schlimmeres, sage ich mal mit hanseatischer Nüchternheit, als zwischen Madame Modeste und Anousch zu sitzen und darüber nachzudenken, ob Nüchternheit wirklich eine Option ist. Während das Gespräch auf nautische Themen kommt, entwickeln Wortschnittchen und 40Something die Idee einer Blogger-Kommune im noch näher zu definierenden Osten. (Ich bleibe dabei, es muß Wasser in der Nähe sein.) Wo aber werden wir unsere Leichen verscharren?

Den Abend über versuche ich, ein Bonmot zu formulieren, das sich um das Produkt dreht, daß Anouschs und meine Heimatstädte verbindet: die Rauhfaser. Irgendwas mit wie etwas in verschiedenen Farben daherkommen kann, aussieht wie eine grobverputzte Wand. Und darunter doch nur, na ja, Papier. Ein Bild nämlich über etwas Zerrissenes. Es klingt albern, es klingt falsch. Berlin ist immer noch nicht richtig, und vielleicht sind an diesem Abend die Menschen einfach zu nett zu mir. Ich möchte Madame Modeste sagen, wie toll sie aussieht, ich möchte schreien, ich möchte laut rufen "Entschuldigung" (kann man ab und zu mal tun), sagen, daß es weh tat, ich möchte etwas in mein Tagebuch schreiben, eine Frage formulieren. Wie oft wohl kann man sein Herz verlieren?

"Der Rest", heißt es bei PeterLicht, "ist Hobby."

("@bsolut Privat!?". Museum Für Kommunikation, Berlin. Bis zum 30. August 2009.)