
Samstag, 16. Juli 2022
In meinen bereits länger dauerndem Hiatus blieb ich fingerrege und habe eine Maschine gebaut, die meine Träume verarbeiten kann. Die komplexe Konstruktion (Details erspare ich an dieser Stelle, auch aus Sicherheitsgründen, da die Konstruktion nicht in allen Teilen die gängigen DIN-Normen erfüllt und für Laien, die ihr seid, gewisse Gefahren beim unsachgemäßen Betrieb bereithält) passt von den Dimensionen her so eben noch in den Musiksalon und summt und kröchelt dort so vor sich hin.
Auf dem Bild sehen wir das sogenannte Traumnetz auf der rechten Seite, den eigentlichen Reaktor links (nur von geschultem Personal zu bedienen!) und einem Projektionskondensator im Vordergrund. Man muss sich nur ins Traumnetz stellen und in eine meditative Trance begeben, vielleicht ein Lied singen oder tiefe Töne auf Herzfrequenz. Die Traumwellen werden vom Reaktor verarbeitet (Transmutation) und zum Projektionskondensator geleitet, der die Träume für den gewöhnlichen Betrachter sichtbar macht. Ganz simpel eigentlich, wenn man mal darüber nachdenkt.
Ich träume viel von Fischen, wie sie durch dunkle Gewässer treiben, durch die Kiemen atmen, ins Unergründliche tauchen oder aufblubbern und Blasen schlagen, Ideenfragmente seufzen oder Wünsche erfüllen oder das Leuchten anfangen in den Schwärzen der Tiefsee. Wenn man vom Tage aufgewühlt, jeder Kopf seine eigene Sargassosee, in so einem Maschinenraum zur Ruhe kommt, Sphärenklänge und unentzifferbares Gewisper, sich verfängt im Traumnetz, Ideen nachgreift, Nervenspannung, dann kann an sehen, wie sich die Fäden aufladen und anfangen zu leuchten. Ganz hübsch eigentlich, wie eine Rauminstallation mit Medusenleuchte und Schleiertänzerinnen. Ein illuminiertes Séancen-Hinterzimmer.

Dienstag, 12. Juli 2022
(Doom von Merlin Reichart. Hamburgensie, möglicherweise prophetisch.)
(Alien Skin Tolles Fungusprojekt, Name des Künstlers entfallen.)
Die jährliche Diplomausstellung, neuerdings Graduate Show genannt, an der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HFBK) ist in Zwischen-Corona-Zeiten wieder etwas barrierefreier zu erreichen, kein Check-in, keine langen Schlangen, zum Glück aber doch viele mit Maske. Vorbildlich. Zu sehen gibt es wie immer etwas aus allen Regalebenen. Manches, wie das pilzige Hautprojekt in der Eingangshalle, schon spektakulär. Angefangen von der amorphen Unterkonstruktion hin zu den ledrigen, außerweltlichen Häuten ein sehr faszinierendes Projekt.
(Changing of the Guard. Der Künstler dreht Teller.)
Oft spielt die Musik aber auch einfach auf den Gängen, wo achtlos vollgekritzelte Kreidetafeln geheime Botschaften offenbaren oder Zusammengefegtes zu skulpturalen Interventionsinstallationen zusammenfindet. Das Haus atmet Kunst, und die bohrt sich wie ein extraterrestrischer funguider Finger durch achtlos Weggeworfenes, lockt und winkt und will nach Hause telefonieren.
(Tafelbild. Sieger im Cy-Twombly-Ähnlichkeitswettbewerb)
Manches steht offenbar im Zeichen der diesjährigen documenta, wo ja Gruppen zusammenfinden und abhängen, reden und abhängen und reden sollen. (Das ist jetzt nur grob wiedergegeben.) Man merkt, wie sich eine Funkstrecke bildet zwischen den einzelnen Kulturinstitutionen, und da gibt es auch gar nichts zu lachen. Freude darf es trotzdem machen.
(Gruß an die documenta. Einfach gesellig abhängen.)
(Gruß an die documenta. Einfach gechillt abhängen.)
In vielen Ateliers finden sich weitere Exponate für mein seit Jahren gepflegtes Projekt Blumen & Waschbecken (streng genommen: Blumen & Flaschen & Waschbecken), weshalb ich gerne am Tag nach den ganzen Feiern und Parties im Gebäude zum Sondieren gehe. Nicht alles habe ich gesehen, nicht alles fand ich überzeugend, aber wie fast immer gab es doch ein paar interessante Positionen (dieses Jahr vor allem Bildhauerei).
Immer weitermachen!
(Blumen & Waschbecken. Mein eigenes wegweisendes Projekt.)

Dienstag, 5. Juli 2022
Wie überzeugend Künstliche Intelligenz mittlerweile auch in den kreativen Künsten arbeitet, kann man am Textgenerator Volkslied 3000 beispielhaft erkennen. Ein paar Eckdaten eingegeben, schwups, spuckt der Algorithmus etwas Singbares aus dem gut gefüllten Satzbau-Korpus originellen Kunstkopf heraus. Wie zum Beispiel ein Lied über das weltberühmte und von Groß und Klein geschätzte Blog, Das hermetische Café:
Hermetisches Café
Ich mache mir einen Kaffee,
mit Kakaobuttermilch und so,
das ist gesund und gut für mich.
Das erfahre ich immer wieder.
Ich kram mir 'ne Tüte Kräcker,
mit Erdnussflips und so,
das ist gesund und gut für mich.
Das erfahre ich immer wieder.
Ich stelle mich vor den Fernseher,
wenn ich bin nicht fit und so,
das ist gesund und gut für mich.
Das erfahre ich immer wieder.
Ich sitze hier alleine,
weil mein Freund nicht schlafen kann.
Er ist depressiv und so.
Er ist depressiv und so.
Und ist so gesund und gut für mich.
Das erfahre ich immer wieder.
Ich rauche Nikotinzigaretten,
mit Mentholzigaretten auch so,
ist gesund und gut für mich.
Das erfahre ich immer wieder.
Ich trinke Tee mit Pfefferminztee,
mit Heilerde von Tibet auch so,
ist gesund und gut für mich.
Das erfahre ich immer wieder.
Ich nehme Speicheldruckerbsen,
dazu Jiaoguliubao auch so,
ist gesund und gut für mich.
Das erfahre ich immer wieder.
>>> Geräusch des Tages: Rainald Grebe, Volkslieder Singen

Dienstag, 28. Juni 2022
Ich war ja schon lange nicht mehr bei Karstadt. Ich meine, schon lange vor der siebenjährigen Pandemie, die uns wie unablässiger Regen in den Häusern hält. Noch weniger bei "Karstadt Sport", wo ich ab und an mal etwas fürs Rad oder zum Radfahren gekauft habe und einmal auch ein Theraband. Dann war es ja vorbei mit Karstadt oder Kaufhof oder Galeria, und dann stand auch Karstadt Sport auf einmal leer.
Nun hat aber auch Hamburg das Prinzip der Zwischenlösung erkannt und sich entschlossen, das große Gebäude am Eingang der Fußgängerzone zu bespielen. Für jemanden, dessen Leben eine einzige Zwischenlösung darstellt (bislang!), natürlich eine willkommene Einladung. Artstadt heißt das Ereignis nun. Im Erdgeschoss gibt es Kunst und eine Theke und wilde Nu-Metal-Musik, was das Ganze zu einer Art Chambre Close für normale Stadtspaziergänger macht, aber darüber weiß ich vielleicht zu wenig. Ich persönlich kenn da ja nix, wie man so sagt, weil Zögern ist nichts für Zwischenlösungen. Ja oder ja ist schließlich mein Motto.
Informationen zur Kunst sind hinter QR-Codes versteckt, die Meinungen, ob man dort etwas kaufen oder nur betrachten soll, gingen zudem auseinander. Ein Stapel Gurken sah interessant aus, manches war auch einfach noch nicht fertig installiert. Über den Sommer wird die Fläche noch von Kampnagel bespielt, Platz ist ja da und ein guter Wille auch. Mir scheint es auf jeden Fall interessanter als die Banksy-Postergalerie-Wanderausstellung schräg gegenüber im ebenfalls defunktionierten alten Kaufhofgebäude (in dem nach meinem gutem Willen die Stadt Hamburg hoffentlich bald ihr Naturkundemuseum errichten wird als Ankerpunkt am Eingang zur Innenstadt.)
Ein Gebäude als weiterer Möglichkeitsraum. Die leeren Flächen lassen Platz zum Träumen, ich würde da große Maschinen plazieren, die einfach nichts weiter tun, Fluggeräte und eine Ballettruppe. Livrierte Kellner würden herumgehen und den Besuchern sauber bedruckte Karten aus groben Karton überreichen, auf denen Sätze über fehlgedeutete Eulen stehen, aber in eigenen Worten. Vielleicht was Erotisches, aber nur gut verhüllt. Nähmaschinen, Regenschirme, all so was.
Hätte ich einen Klappstuhl dabei gehabt, ich hätte mich zum Ausruhen in die zweite oder dritte Etage gesetzt, die Wand betrachtet und ein paar lose Kabel. An Möglichkeiten gedacht. An eine Zwischenlösung.

Dienstag, 21. Juni 2022
Ich mag ja Fische. Leider sind die oft schnell zickzackweg und abgetaucht, ehe man ihnen die Flosse gereicht hat. Nun hält mich aber bekanntlich nur wenig auf dem Weg meiner Träume zurück und so habe ich mir kurzerhand in geduldiger Laubsägearbeit ein Aquarium gebaut. Eine Traumverlorenheitsmaschine für abschweifende Blicke. Perfekt bemessen, bleibt auch der scheueste Gründler stets in Beobachtungsposition und im Grunde ansprechbar.
Dabei sind Fische oft stumm. Aber halt wie Ideen ständig im Fluß. Ein Orakel vielleicht, wenn man ihre Blicke zu deuten weiß. Nachts schlafen die Fische doch, lassen sich davon aber nichts anmerken. Die Ilsebill ging dem Fisch auf die Nerven, das war nicht schön. Ich stelle mir mein Aquarium ins Zimmer so wie andere einen Kanarienvogel. Fische können nicht singen. Und doch ist ein Fisch ein guter Freund. Er hört zu und fällt einem nicht ins Wort. Fischen muss man ab und zu den Kopf waschen, denn wenn (und ich sage: wenn!), dann stinkt er von dort. Meiner shampooniert sich täglich. Mal Butter bei: Wenn dir das Leben einen Fisch schenkt, gib Zitrone dazu.
So weit die Erzählungen der anderen. Ich aber schaue entspannt ins blubbernde Traumfischfernsehen und lasse mir stumme Ideen erzählen. Atemlose, pantomimische Berichte aus der Tiefe, dort wo die Fische leuchten. Mir ein biolumineszierendes Nachtlicht.

Freitag, 17. Juni 2022
Zur Triennale der Photographie in Hamburg ließe sich vieles sagen. Die aufreizend unübersichtlich gestaltete Webseite des Veranstaltungszirkus' ist nur ein Teil davon. Neben flankierenden größeren und länger laufender Ausstellungen in den Hamburger Museen und Kunsthallen, lag der Schwerpunkt zahlreicher kleinerer Auftritte gedrängt in der ersten Woche. Man muß sich halt ranhalten, wenn man im Leben etwas oder irgendwen erreichen will. Ausdauer ist hier wie da gefragt.
Das Kraftwerk Bille war wohl eines der interessantesten Spielstationen. Da gab es aus Bielefeld eine Gruppe junger Fotografen mit "Die Spuren der anderen", Found Photos und Archivmaterial vom Manhattan Project und aus Hiroshima (Max Ernst Stockburger), die überraschend verdichteten Hamburg-Perspektiven von Nicole Keller und Oliver Schumacher, die verschmitzten Blumen- und Insektenbilder von Eva Häberle oder die preisgekrönte Serie über Weltkriegs-Reenactments in Polen von Ostkreuz-Schülerin Natalia Kepesz.
In der alten Kesselhalle gab es Spuren der Vergänglichkeit (Claudius Schulze) mit berührender Taxidermie zu sehen - das Verschwinden der Arten dokumentiert mit gefiederten Aufprallopfern (Bürofenster), nah und tot zugleich.
Der Außenposten der Triennale im ansonsten kulturell weitgehend abgehängten Stadtteil bot auch die Gelegenheit, neben der immer mal wieder für Veranstaltungen geöffneten Kessselhalle einen Teil der an Künstler vermieteten Atelierräume zu besichtigen. Abbruchspuren, schrundige Wände, Investorenträume - die Zukunft des Areals ist noch nicht wirklich unter Dach und Fach und Tüte. Derzeit ist das alte Kraftwerk eines der in Hamburg dringend benötigten Möglichkeitsräume, ein Traumlabor und (meist versperrter) Freiraum, der zeigt, woran es in dieser auf Verwertung angelegten Stadt mangelt: Ungekämmte Kreativhüllen, die sich mit Ernstem und Unsinn, Spielerischem und streng Konzipierten füllen lassen.
Wo man dann sitzt, dort sitzt man dann. Das verwinkelte Gebäude mit seinen zahlreichen Positionen bietet hinter jeder Ecke überraschende Entdeckungen und Begegnungen, Entblößtes, Verhülltes und farbig verklärte Lichter. Treppen, Räume, Träume und Lebenspuren. Man muß sich Zeit nehmen, hier und da vorsichtig auftreten, Wege in den eigenen staubigen Spuren zurücklaufen, alle Türen offen lassen.

Mittwoch, 1. Juni 2022
In den letzten Tagen war viel Himmel über der Stadt. Einmal war er teuflisch rot gefärbt, da habe ich maliziös hineingelacht, weil ich etwas Lustiges erfahren habe. Auslöser war ein bizarre Wendung, eine Volte des Schicksals, die ausnahmsweise nicht mir geschah, mir aber als ausgleichende Gerechtigkeit im Nachhinein erschien. Ja, auch solche Charakterzüge besitze ich. War aber einfach: Sitzen. Warten. Zuschauen. In den Himmel sehen, die Wolken zählen. Oder aufs Wasser. Sie treiben schon noch alle vorbei.
Herr Buddenbohm hatte neulich eine Malaufgabe als Text veröffentlicht (zum Glück "für Anfänger"). Das fand ich eine hübsche Idee. Ein:e Blogger:in beschreibt ein Bild, andere Malen es nach. Von genereller Schlampigkeit und einer untergetauchten feinen Feder abgesehen, fehlte mir leider auch Schwarz (habe zu oft und zu lange, wenn auch zurecht, immer alles schwarz gemalt im Leben). So kommt meine Version deutlich zu licht daher. Insgesamt "liebenswert", sage ich mal. Dafür aber auch nur 1000,- Mark. (Freundschaftspreis.)
Diesen Sommer ist viel Kunst, wie soll man das schaffen? Biennale in Venedig, wo ich mir gerne statt Radieschen unter anderem diesen Kronleuchter von unten und weitere Installationen von Skuja Braden anschauen möchte. Die NordArt natürlich. Und dann, fast unterm Radar dieses Mal, ist ja auch wieder documenta. Angeblich wird dort auch Kunst gezeigt, leider bestimmten im Vorfeld Diskussionen und Querelen das Bild. Bitten icht nachmalen. Beim letzten Mal habe ich auf der Reise nach Kassel zufällig eine bekannte Bloggerin im Zug getroffen. Dieses Mal wird es dank 9-Euro-Tickets bestimmt eine Blog-Parade werden. Vielleicht fahren aber auch wirklich alle nach Sylt.
