Mittwoch, 29. September 2021


Team Zukunft



Ich habe im Lockdown leider keine weitere Fremdsprache gelernt (verstehe die eigene schon nicht), mich aber in meinem kleinen Geheimlabor eingeschlossen, bis ich mit einer aufregenden Erfindung (und einem furchterregendem Bart) wieder herauskam. Ein kleines unscheinbares Gerät mit einem Bildschirm, einem Frequenzabstimmknopf und einem Lautstärkeregler. Wozu man das braucht? Für alles! Mit Hilfe einer ebenfalls schnell erfundenen Yagi-Richtantenne kann dieses Gerät nun Signale aus dem sogenannten Äther auffangen und anzeigen. Schwingende Wellen! Singende Klänge! Laufende Bilder, die durch die Luft übertragen werden!

Daß bislang noch niemand auf diese Idee gekommen ist! Dabei wäre dieses System so nützlich. Nach getaner Hausarbeit einfach einen Film (Fachbegriff für bewegte Bilder) anschauen und dabei entspannen. Apropos Hausarbeit: Bislang haben mich sogenannte Saugroboter nicht überzeugen können (meine Atelierloftwohnung hat dafür zu viele Hindernisse auf dem Boden). Zudem sehen die alle nicht aus, als hätte ich sie erfunden und gestaltet. Allesamt häßlich wie die Nacht! Nun aber fand ich dieses Modell [Youtube], das mir ganz vernünftig ausschaut. (Der Werbeclip zeigt einen vom Bodenfegen ganz erschöpften Mann und schließlich die Rettung: ein autonomer Saugroboter.)

Mit diesen Zukunftsideen für unser Land möchte ich gerne in die Politik als Minister für Technik, Kommunikation und Digitales. Etwas bewegen, das Leben der Menschen leichter machen und ein Motor sein für Ideen, Zukunft, Stabilität, Sicherheit, Solidarität und Fortschritt.


 


Sonntag, 26. September 2021


Wolkengesänge



Heute morgen konnte ich aussschlafen, lag also schwer auf der Matratze und fühlte daran noch schwerer, da blitzte in mir der Gedanke: "Auch Wolken haben ein Eigengewicht". Von der, wie soll ich sagen, Gravitas dieser Erkenntnis noch tiefer ins Laken gedrückt, faßte ich aber einen sogenannten Entschluß, stand auf, trank Kaffee, brachte einen Brief zum Postkasten und holte ein paar essentielle Ding ein. (sog. Tagesbericht)

Eine Erkältung umschwirrt mich wie der Teufel die Fliegen, ich sage nur Schwitzen im Übergangswetter (was auch der Titel eines ungelesenen Romans sein könnte), und so heißt es, Vitamin C statt Vodka-Tequila. Früher war ja Samstagabend mehr Rock'nRoll, aber die vielfältigen Arzttermine diese Woche haben mir diagnostiziert, daß dieses sogenannte Altern auch vor Bloggern nicht Halt macht. Müde bin ich, geh zur Ruh'.

Von wegen nächtliches Rumschlurfen durch elektrisch geladene Großstadtneonlichterpfützen. Man sitzt stattdessen von der inneren Schiebermütze beschirmt daheim auf dem Sofa, blättert durch Prospekte voller Discounterangebote, findet es lustig, daß Aldi (das ist ein großer Discountanbieter) ein Handtücher- und Bettwäscheangebot mit einem Wolfgang-Joop-Look-a-Like bewirbt, bis man feststellt, das ist tatsächlich Wolfang Joop. Was kommt als nächstes?!? hallt es verzweifelt durch mein angelehntes Fenster. Abgewrackte Ringelpulliblogger mit Schiebermütze, die einen Sonderposten Handyladegeräte bewerben?

Morgen ab 18.00 Uhr dann Ruck oder Tiefschlaf, ich schaue schon seit Wochen den Stand der Wolken, der Sterne und den Zug der Vögel. Ich verstehe die Zeichen aber nicht, wie so viele viele andere nicht verstehen und deuten und mißdeuten, zuhören und nicht zuhören, spüren und nicht spüren, die Risse in den Wänden nicht sehen, das Röcheln in den Leitungen nicht hören, das Piepsen hungriger Vögel im Nest.

Ab Montag nur durchschlafen, gar nichts mehr hören, alle Stecker raus, leben nur mit Partyhütchen statt Schiebermütze, noch mal Geld raushauen für Gutes oder Hochprozentiges oder einen neuen warmen Mantel wg. Gutesgefühl. Danach Emo-Bloggen für einen Rheumadeckenhersteller oder einen Anbieter für Heimlichtorgeln. Die tollsten Pläne, Samstagabend, 23:03 Uhr.

>>> Geräusch des Tages: Richard Hell, Blank Generation


 


Freitag, 17. September 2021


Bartbrand und Ruflosigkeit - ein Krimi


Expl. I: veringwerter Axolotl

Habe mich jetzt ein paar Tage nicht rasiert, und würde ich mir den Bart anzünden, könnte ich quasi aus einem brennenden Dornbusch sprechen, aber so richtig klug wäre das nicht. Also, um einen Witz zu machen und mächtig Eindruck zu schinden, wäre der Preis zu hoch. Ich könnte aber.

Darf mir nur nichts auf die Ohren schlagen, weil ich auf den Ruf warte, der mich noch nicht ereilt hat. Ich halte tagsüber die Fenster geöffnet, damit ich es besser höre, sollte der Ruf erklingen, der meinen Ruf begründen soll. Bislang aber gilt: Es ist alles ruflose Kunst in diesem Haus!

Es gibt es aber auch gute Nachrichten. ONE hat meinen Ruf gehört, und meine heimliche Lieblingsserie, die ich hier in den letzten Jahren immer und immer wieder berufen habe, endlich ins deutsche TV geholt. Murdoch Mysteries laufen nun mittwochs abends und sollen angeblich auch in der Mediathek auftauchen (davon ist allerdings bislang, ein rätselhafter Kriminalfall für sich selbst, trotz Ankündigung noch nichts zu merken). Die mit Auftritten zahlreicher zeitgenössischer Persönlichkeiten wie Literaten und Politiker und Anspielungen auf Literatur und Fim gespickte viktorianische Polizeiserie zeigt die Fälle eines Detective der Torontoer Polizei Ende des 19. Jahrhunderts. Sein (auch im Büro ausgeübtes) Hobby: wahnwitzige technische Erfindungen, die rasch die Geschichte der Forensik voranschreiben und dabei augenzwinkernd in unsere Gegenwart vorausdeuten. Als Gegengewicht steht ihm eine engagierte, zum Widerspruch neigende Gerichtsmedizinerin zur Seite ("Akte X" lässt grüßen). Ich selbst bin bereits in Staffel 12, die deutschen Synchronstimmen hören sich folglich merkwürdig an. Was stört: offenbar hat man sich für die deutsche Schnittfassung dazu entschlossen, die entspannte Reihe aufzupeppen und mit Tempo zu versehen. Jetzt nerven in regelmäßigen Abständen mit "Zuuuuusch"-Geräusch unterlegte Inserts einer Edison-Glühbirne bei Szenenübergängen. Ein alberner Gimmick. Unnötig.

Bin gespannt, wie sich die doch sehr kanadisch und z.b. vom ewigen Duell mit dem großen Nachbarland USA geprägte Serie in Deutschland schlägt. Ist ja schließlich nicht jeder Experimentalwissenschaftler wie ich. Ich habe jetzt in dieser Tätigkeit ein Phänomen entdeckt, daß bedeutsam für die Medizin werden könnte. Der Axolotl, ein mangels Metamorphose ewiger "Kid" unter den Lurchen, zeigt neben vielen anderen bemerkenswerten Eigenschaften eine weitere erstaunliche: Bei längerer emotionaler Vernachlässigung (mad scientist voice: Details über mein Experiment will niemand wissen! /mad scientist voice) verwandelt es sich in eine Ingwerknolle! (s. Belegexemplar oben) Auch anschließendes sogenanntes "gutes Zureden" holen es nicht zurück aus seinem schrumpeligen Stadium. Es besitzt aber augenscheinlich heilende und vor allem anti-entzündliche Eigenschaften, die es weiter zu untersuchen gilt.
[pre-print Studie]

Super 8 | von kid37 um 16:37h | 11 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 9. September 2021


Can't Get You Out of My Head


(Wegen der Altersbeschränkung derzeit nur direkt auf Youtube zu sehen)

Ein dringlicher Tipp aus Übersee brachte mich zur sechsteiligen Dokureihe Can't Get You Out of My Head. Der britische Dokumentarfilmer Adam Curtis (The Power of Nightmares) collagiert hier Szenen, popkulturelle und politische Ereignisse der letzten Jahrzehnte zu einer assoziativen Wanderung durch wiederkehrende Motive und Refrains, Attentate, Algorithmen und Agendas, Brüche und Überraschungen, eruptive Gewalt und gezielte Schmeichelei und schaut, wie sich unsere westliche Gesellschaft verändert hat. Und verändert wurde. Durch Informationen und Überzeugungen, geheime Operationen und offene Meinungspenetration, Verschwörungen und brachialen politischen und kulturellen Spins.

Das Ganze windet sich selbst wie ein Gedankenwurm ins Hirn, hinterläßt ein Gefühl von "unheimlich", weil man immer wieder nickt, manchmal lacht, oft aber erschrocken ist und am meisten über sich selbst. Eine schöne, beklemmende Scheiße, produziert von der BBC und in allen sechs Folgen auf Youtube zu finden. (Das "gelöscht"-und- "gefunden"-Spiel kann man als Teil des Informationskrieges sehen. Also, wer will.)

Tentakel | von kid37 um 02:23h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 3. September 2021


Musik zum Wochenende


Estnisches Rasenmäherstaatsensemble (Symbolbild)


Wer nicht Glück hat wie ich, gegenüber einer Kleingartenanlage wohnt und jedes Wochenende konzertante Aufführungen singender und klingender Rasenmäher erleben kann, darf sich jetzt auf eine Neuveröffentlichung auf Staalplaat freuen. Das niederländische Label hat Noisephony of Lawn Mowers, ein anregendes Ambient-Werk des Esten Taavi Suisalu, veröffentlicht. Die spektakuläre Rasenmähersymphonie, die den Hörer sanft entführt in das Idyll der Vorstadt, ist auf Vinyl oder als digitaler Download erhältlich.

Man erfährt so was übrigens auf dem segensreichen Musikblog A Closer Listen, das gerade eine kleine Liste interessanter Neuveröffentlichungen im Herbst veröffentlicht hat. Denn machen wir uns nichts vor, der Sommer geht zuende, wer jetzt keinen Rasen hat, mäht keinen mehr. Wem andererseits zuviel Klang ist all überall, mag sein Ohr einem Werk schenken, das Kim Gordon record of the decade nennt. Ian Svenonius' Cellophane Flag No. 5 ist ein "protest against sound", enthält offenbar nur Stille und ist leider schon ausverkauft. Die Idee jedoch - Achtung! - hallt lange nach.

Radau | von kid37 um 22:59h | 11 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 30. August 2021


Montagstreiben

Ein anstrengender Montag. Vor dem ersten Frühstück schon ein MRT-Termin, zu dem ich überraschend über die Warteliste vorrückte. Habe extra auf Kaffee verzichtet, weil ich damit rechnete, dann ein wenig in der Röhre schlummern zu können. Leider erhob ich aber nicht rechtzeitig Einspruch, als es fröhlich hieß "Ich mach mal Radio auf die Kopfhörer!" Statt des warmen Schringersounds der Einstürzenden Neubauten bedullte mich also Radio Hamburg, und das ist ein Fall für den EGMR.



Danach aber schön entspannt, wie das so ist, wenn man bratfertig aus der Röhre gezogen wird. Jedes Huhn weiß das. Nervenberaubend dauerte und dauerte und dauerte es jedoch, bis die CD mit den Fotos fertig war. So ging ich davon aus mußte ich konklusionsfixundfertig selbstverständlich davon ausgehen, daß die "was gefunden haben" - und schon war das mit der Entspannung wieder hinfällig. Und dann nicht mal WLAN im Wartezimmer, bis auf die beiden der MRT-Geräte (T3 und T4, die haben eigene WLANs, ganz toll. Die könnten die Bilder direkt auf einen Insta-Kanal senden!) Wurde aber nur vergessen, weil ich ja unwillkürlich zum Patientenmimikry neige und mit dem Wartezimmer verschmelze.

Irgendwann aber dann doch endlich Kaffee und einen Ausflug ins Steuerrecht. Ich will ja nächstes Jahr eine Diamantmine kaufen, jedenfalls kommt es mir so vor, wenn ich die einschlägigen Vorschriften und exegetischen Rechtsauslegungen der entsprechenden Oberfinanzbehörden studiere. Das Finanzrecht präsentiert sich traurigerweise in einer gänzlich unpoetischen Sprache, anstatt z.B. als ein in Stanzen formuliertes Versepos. "Wir möchten itzund Geld von dier, so gieb es allzeit hinne!" wäre ein allgemeinverständlicher Einstieg in die graupapierne Welt der fiskalischen Reiter, die mit Lanzen und Zwingen bewaffnet mehr als den Zehnten verlangen.

In meiner Jugend schrieb ich bekanntlich avantgardistische Kurzromane wie Du spuckst in den Wind, ich halte aber nichts davon oder Wir sind kaputt und wollen aber gut aussehen. Wichtige Texte allesamt, bedeutsam für eine ganze Ein-Mann-Bewegung. Später kamen dann weniger ambitionierte, dafür erfolgreiche populäre Bücher aus dem Fantasy- und Horrorbereich dazu (viele werden die Sammlung Die sich selbst leer trinkende Cocktail-Bar und andere unheimliche Geschichten kennen oder mal verschenkt haben). Vielleicht sollte ich das Genre des Fiskaldramas begründen, die Zielgruppe ist ja nicht gerade klein.

Jetzt aber erstmal lecker Kuchen nach antikem Rezept, folglich nach sogenannter Differenzbesteuerung zu betrachten. Ich denk' an euch.


 


Freitag, 27. August 2021


Akademia



Meine Erfahrung mit Hochschulen in der letzten Zeit hat mir gezeigt, daß es keinen Sinn macht, zu tief unten einzusteigen. Wer gleissen will, muß oben stehen. In meinen Alter kommt man ja auch in die Phase, wo man sein Wissen wie Nektar an begierig schlürfende (und nicht nur schlurfende) Studenten weitergeben will, der Gemeinschaft wegen und um den eigenen Ruhm zu mehren, wie ich hochbescheiden anmerken will.



Eine W3-Professur stünde mir folglich gut zu Gesicht und Bankkonto, man darf das Irdische nicht vergessen. Interessanterweise erfülle ich auch alle nachgefragten Qualifikationen. Mein ganzes Leben ist ja quasi ein Film, zudem betreibe ich einen hochinteressanten Kanal mit eigenen Werken auf Vimeo. Ich habe sogar schon Likes aus den USA bekommen, was die Frage nach "internationaler Reputation" wohl hinreichend beantwortet. An der Hamburger HfbK sind gleich mehrere Stellen zu besetzen, da fällt die Wahl schon wieder schwer. Film? Foto? Philosophie? Man spürt, die sprechen von mir. Morgens beim Zähneputzen übe ich bereits eine kleine Antrittsvorlesung, Gasthörer sind später selbstverständlich willkommen.

Tentakel | von kid37 um 18:07h | 8 mal Zuspruch | Kondolieren | Link