Samstag, 7. Januar 2017


Wegen Glatteis geschlossen



Das Bundesamt für Katastrophenschutz hat nun bereits mehrfach dringlich geraten, Vorräte anzulegen. Wenn mal was umfällt oder man selber mal umfällt oder irgendetwas droht, umfallen zu können. Bei Glatteis beispielsweise. Ich habe nun die Mohrrüben durchgezählt und Brot gewogen und Vitamin C in Dosen gefunden und komme zu dem Schluß, in meinem Rapunzelturm bis Montag durchhalten zu können.

Zudem habe ich gemäß dem Rat des Bundesamts in der letzten Woche ausreichend Lesevorräte in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen angelegt. Zu einem meiner zahlreichen Vorsätze für das neue Jahr gehört es nämlich mehr zu lesen als in den letzten mageren Jahren. Das übt Konzentration und Kontemplation und hält einen vom Gelärme sozialer Medien fern.

Wenn ihr keine Spikes habt, zieht euch Wollsocken über die Schuhe.


 


Sonntag, 1. Januar 2017


Neues Jahr, neues Lied



Kürzlich veröffentlichte die bewundernswerte Angeliska einen sehr persönlichen Rückblick auf Instagram. Zehn Jahre, 2006 bis 2016, illustriert durch zwei eindrückliche Vorher-Nachherfotos und eine, durch ihr Blog ja gut bekannte, bewegte Reisebeschreibung im Schnelldurchgang. Das Trauma nach Hurrikan Katrina, ihr Umzug weg von New Orleans, ihre große Liebe, ihr Verlust. Wenn ich zehn Jahre zurückschaue, kann ich im übertragenen Sinn ähnliches beschreiben, und wer kann das nicht. Wie wir uns alle verändert haben. Ich stelle Verluste fest, die schönen Momente, die Veränderungen, teils dramatische, teils gute. An mir, an meinem Umfeld. Immer weitermachen, heißt es ja. The cracks repaired with gold, schreibt Angeliska. Das ist gut. Ich hätte wohl eher "eisern mit ein wenig Rost" gewählt. Wir wollen nicht übertreiben.



Nichts zeigt den Wandel so sehr wie die Wahl der Instrumente. Als ich vor zehn Jahren meine große Karriere als Kunstmaler begann, konnte ich mir gerade so eine Pinseldose aus dem Discounter leisten. Heute, auf dem Markt deutlich arriviert, zeige ich meine Position mit künstlerischem Wohlstandsbauch, vielleicht ein wenig satt schon, aber mit betont unauffällig plazierten, dabei immer bescheiden gebliebenen Hinweisen auf Status und Erfolg.

Jetzt folgt ein neues Jahr, ein neues Lied. A New Song. Vielleicht nicht so unbekümmert unbeschwert wie das unten angefügte kleine Video zum Warpaint-Song. Aber, meine Güte, wir haben ja kein anderes. Es ist für uns alle neu wie ein frisch gekauftes Skizzenbuch. Man darf nur nicht die Silvester-Rituale vergessen. Vor vielen Jahren war ich auf einer Party, und meine Freundin vergaß, um Mitternacht mit mir anzustoßen. Vergessen. So aber kam das Unglück in die Welt! Dann gibt es Leute, die tragen an Silvester keine rote Unterwäsche und wundern sich später, warum da ein ganzes Jahr nichts läuft. Oder sie haben zwischen den Jahren Wäsche gewaschen. Oha. Aber wie sage ich immer: Hauptsache, gesund! Also weitermachen.

>>>Geräusch des Tages: Warpaint, New Song


 


Mittwoch, 28. Dezember 2016


The Darkest Part of the Weather

What's the matter? You hurt yourself?
Open your eyes and there was someone else
Now I've got you in the undertow
Now I've got you in the undertow

(Warpaint, "Undertow")



Ich würde ja gern mit der Schlagzeugerin ein Bier trinken gehen. Oder ein Haus renovieren. Sachen reparieren, das Haar ausschütteln. Und den Kopf. Alles gerade richten und den Rest einfach so lassen.

In meinem insbesondere auch weltweit erfolgreichen Ratgeberbuch Wer braucht andere Leute, wenn man eine Rückenbürste hat? - und 101 weitere dufte Ratschläge für das moderne Leben (Hamburg: Schönfärb Verlag, 2015) gebe ich ja von reiner Herzensgüte inspiriert, den ein oder anderen Tip für ein simples und übersichtliches Leben. So kann man, wenn einem zum Beispiel alles auf den sprichwörtlichen Zeiger geht, einfach zu solch einem Handgelenksschmeichler greifen und schon sieht die Welt ganz anders aus. Einfache Idee, kommt nur keiner drauf. Hatte früher aber jeder.

Ja, und wenn es regnet, fragt ihr, und dunkle Wolken wie nasse Dämmwolle in den Straßen kleben? Und keiner anhält? Dann nimmt man sich halt ein kleines buntes Auto für sich selbst, ganz so, wie es früher jeder hatte. Das ist das Schöne an der Vergangenheit. Sie rauscht erinnerungsweise heran, man weicht aus - und zack hat sie einen mit heftiger Unterströmung am Fuß gepackt und läßt einen nicht los. Geht aber jedem so, nicht nur früher. Der Trick ist bekanntlich weiterzuatmen. Immer weiter.

Schön ist ja, wenn man wieder auftaucht. Ordentlich durchgeschrubbt und klitschnass natürlich, aber das wird dann wieder. Im Homeshopping-Fernsehen gibt es Handtücher, die saugen einen ganzen Eimer Putzwasser auf. Das machen die da den ganzen Abend, wenn ich kurz mal reinschaue. Schüssel Wasser, zack, Handtuch rein. Hatte früher aber jeder. Als Einstecktuch.

Homestory | von kid37 um 00:37h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 24. Dezember 2016


Besinnliche Zeiten



Auf diesem Twitter zeigen die Leute schon ihre Weihnachtbäume vor, da stehe ich natürlich nicht zurück. Hier ist alles wie jedes Jahr geschmückt, wobei ich immer ein wenig ein schlechtes Gewissen habe. Ich meine, andere haben so gar nichts, und das ist ja auch nicht schön. Im Frischeparadies auf der Großen Elbstraße war gestern schon großes Vorfahren, und dann wurden ohne Pause Freßpakete und Präsentkörbe mit Hummer, Kobe und Weihnachtschampagner in die Fonds von großen, dunklen Wagen gepackt. Da wollte ich mich nicht so dazwischendrängen und habe ein wenig dekadent so folienverpackten Lachsaufschnitt beim Supermarkt ums Eck gekauft, um ein Zeichen zu setzen in diesen zerbombten und geistig offen verwirrten Zeiten. Also wünsche ich allen, besinnlich und friedlich beisammenzusitzen und aufeinander anstoßen und ihre Kinder oder frischen Gedanken in der Krippe schaukeln. Frohe Weihnachten euch allen oder 12. Nacht oder einfach ein Lichterfest.

>>>Geräusch des Tages: Ein buchstäblich fröhlich versponnenes Weihnachtslied


 


Donnerstag, 15. Dezember 2016


Auskehr/Einkehr



Langsam kann man zurückschauen, und da stelle ich fest: Dieses merkwürdige und mit vielen Erwartungen gestartete Jahr 2016 hat mich doch ganz schön untergepflügt - privat, beruflich und nicht zuletzt gesundheitlich. Und lasse ich die Dinge sonst gerne auch mal achselzuckend auf mich zukommen, denke ich heuer tatsächlich über so etwas wie "Vorsätze" fürs nächste Jahr nach. Mehr Ellenbogen zeigen vielleicht auf dem Weg zu irgendeiner Strandliege. Mehr "für mich" tun, wie das heißt, den Kopf mal in eine Kiste aus Zirbenholz legen, damit er länger frisch bleibt. Sich Assistenz organisieren und dabei keine Scham zeigen. Nicht so wie der Graf, der bedauert, nur drei Hubschrauber zu besitzen, sein Freund aber 26.

Der schöne Konsul blickt ansonsten gefaßt auf sein Jahr, uns zur Mahnung, wie es auch hätte laufen können. Oder wie es auf dem Lande so schön heißt: Früher aufstehen, dann hast auch du mehr Sonne! In Wien begegnete mir dieses Jahr ein mysteriöses Motto, das ich nicht recht zu deuten weiß. Und leider habe ich die Scheibe nicht gekauft.



"Leuchtet im Osten das Morgenrot, schieß Leopold Bonanza tot!" Vielleicht muß man da seine Habsburger besser kennen, um den sicher charmant gemeinten Schmäh zu verstehen. Vielleicht heißt es einfach auch nur, Morgenstund hat Goldpatronen im Mund. Vielleicht sind auch einfach nur die Eulen nicht das, was sie scheinen. Vielleicht soll man auch einfach immer nur dem gelbgepflasterten Weg zur Ponderosa folgen, den Mann hinter dem Vorhang nicht beachten und wie ein geduldiger Angler auf weitere Erleuchtung warten. Oder einfach mal alle Türen zumachen und schauen, ob wirklich eine aufgeht. Oder einfach mal durch dieses hell erleuchtete Tor schreiten, das man in Hamburg für den Einstieg in die Welt hält.


 


Sonntag, 11. Dezember 2016


Doom & Gloom

Wenn ich sonntags morgens in mein Wohnzimmer komme, und die Sonne steht schräg, wie sie es im späten Herbst so tut, fällt mir hin und wieder durch eine assoziative Verknüpfung im Gehirn das Wort "Staubtuch" ein. Absurd. "Wohnzimmer" - "Staubtuch", geichwohl diese Wörter unterschiedlichen semantischen Registern zugeordnet sind, scheinen sie eng miteinander verknüpft. Die linguistische Forschung weiß nicht genau warum, und deshalb gehe auch ich dieser Sache nicht weiter nach. Ich lächle ein wenig, denke, "So ein Quatsch!" Und weiter: "Wie der Mensch manchmal denkt!" und stelle dann lieber das Radio an.

Jahrhundertlang, das wiederum ist ganz gut bewiesen, kam der Mensch ja ohne Staubtuch aus. Nicht aber ohne Musik. Ich sitze gerne im Wohnzimmer und höre dann am Röhrenempfangsgerät Doom Jazz. Gruppierungen, wie man beim Jazz sagt und nicht etwa "Bands" und selten nur "Gruppen", wie The Mount Fuji Doomjazz Corporation, die ja, aber da erzähle ich nichts neues, ein Live-Ableger von The Kilimanjaro Dark Jazz Ensemble sind. Gerne auch mal Projekte wie das Kammerflimmer Kollektief und natürlich die Altstars von Bohren & Der Club of Gore.

Oder eben The Dale Cooper Quartet (live dann auch als The Dale Cooper Quartet & The Dictaphones). Letztere machen dem Namen entsprechend so eine Twin Peaks-assoziierte Musik aus sprechenden Holzscheiten, labyrinthischen Saxofonen und an Julee Cruise erinnernde Vokalpassagen. Die kommen aus Brest im landschaftlich schönen Finistère, wo der allgegenwärtige Béton bei Regen schön finster anlaufen kann und aufs Gemüt drückt.

Was gibt es Schöneres an so einem verregten Adventswochenende? Ja, eben. Nix.

>>> Geräusch des Tages: The Dale Cooper Quartet - Quartoze Pièces de Menace

Radau | von kid37 um 18:51h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 4. Dezember 2016


Hü und Hott


© Violetta Says

Rumpelige Zeiten, in denen ich merke, wie Dinge schneller als ein in Deutschland geplanter Repräsentationsbau über meinen Kopf wachsen. Kleinigkeiten bauschen sich auf zu Expeditionen, für die ich einen Sherpa bräuchte. Immer deutlicher spüre ich nämlich, wie bei mir die Energie nachläßt und ich abends nach der Schicht nur noch erschöpft aus dem Blaumann krieche. Zudem geschehen Dinge, die ich nicht genehmigt habe.

Vor drei Wochen fiel mein Küchenregal von der Wand. Ich saß zum Auftakt eines als gemütlich und entspannt geplanten Wochenendes wie unschuldig über einem Honigbrot und hörte ein - ich nenne es mal - Geräusch. Als mißtrauische Spürnase klipste ich sofort meinen FBI-Ausweis, den ich einst frech mit "Fox Mulder" unterschrieben hatte, an das Revers meines Morgenmantels, schnürte wie ein Fuchs durch die Wohnung und landete schließlich in der Küche. Oh, dachte ich wie in einem Loriot-Sketch: "Das Regal hängt schief!" Ich habe dort so ein Metallregal, an dem Töpfe und Deckel und Kram an S-Haken eingehängt sind. Ohne mir Zeit für weiteres Sinnieren zu lassen, kam es in diesem Moment komplett von der Wand, mit - ich nenne es mal - ordentlichem Getöse und ohne weitere Induktion von Freude.

Interessanterweise kam mir, während ich wie in Zeitlupe in die mir entgegenkommende Gegenstandswolke griff, dieser regelmäßig erwähnte Effekt aus Naturdokumentionen über die wundersame Welt unter Wasser in den Sinn. Demnach haben Fische nämlich im Schwarm eine viel größere Überlebenschance gegen Räuber denn als einzeln durchs Wasser schwimmendes Tier. Als Laie denkt man ja, was für ein Quatsch - da schießt man doch als Haifisch einfach mit geöffnetem Maul gleich einem Rasenmäher mit Laubfangsack in so eine Futterwolke. Und ist, wenn man aus dem Schwarm heraussegelt, satt. Aber nein, so wird erklärt. Bei so vielen umherflitzenden Fischen kann sich der Hai gar nicht richtig konzentrieren, weiß nicht, wo er hinschnappen soll, und am Ende sind alle Fische entkommen.

So stand ich also verwirrt wie ein uralter behämmerter Hai in meiner Küche und wußte auch nicht recht, welchen Topf oder welchen Deckel ich zuerst greifen sollte. Es stimmt also, was die Forschung über Fische sagt. Das Regal und der kleine Topf und der mittlere Topf und zwei größere Töpfe und zahlreiche Deckel, kleinere und mittlere und größere, entkamen mir, und ich stand nur mit einer Suppenkelle da.

Die Ursache war immerhin rasch geklärt. Mein jüngeres Ich hat vor acht Jahren gepfuscht, mehr ist dazu nicht zu sagen. Andererseits: dafür, daß damals keine richtigen Dübel zur Hand waren, sind acht Jahre Halt gar nicht schlecht. Jetzt aber war ich guter Dinge, denn ich hatte mittlerweile Hohlraumdübel und sah am Horizont nur lässig eins: ein Projekt! Nun ist das Wesen der Projektarbeit: Sie ufert aus. Um es kurz zu fassen, mußte ich mehrere Untergruppen gründen, von denen eine feststellte, daß es doch nur 6er-Dübel waren (hahaha, 6er-Dübel!), eine weitere dann als Team Action directe zum Baumarkt mußte, 8er-Dübel (Metall!) zu besorgen und eine weitere Kommission dann bereits am nächsten Wochenende feststellte, daß keine Spezial-Hohlraumdübelzange im Haus war. Stück für Stück nur ging es weiter, zwei Dübel bekam ich mit einem Trick, für den ich eine längere Schraube und eine Flügelmutter brauchte, festgezurrt. Die beiden anderen indes leisteten Widerstand. Kurz gesagt, sie drehten durch, und ich dann auch.

Jetzt sind wir in Woche drei, meine Töpfe und Deckel sind immer noch auf der Anrichte verteilt, ich selbst etwas zerknirscht, und aus dem "alles kein Problem" ist eins geworden. Wenn ich also noch mal Zeit habe, die ich eigentlich nicht habe, muß ich also so eine Zange besorgen und dafür fünf Trillionen Taler zahlen, sprich die Summe, die am anderen Ende der Welt ein Fußballstar hinterzogen hat und nun - Geld ist nicht weg, sondern nur woanders, haben wir gelernt - mir an der Kasse vom Baumarkt angezeigt werden wird.

Ach und dieses noch und jenes, zum Ausgleich und aus Trotz habe ich immerhin mal wieder Fenster geputzt, uff. Streifendienst, wie es bei der Polizei heißt. Und dann erfahre ich, nachdem ich dachte, ich tue mir und meinen zahlreichen erschöpfenden Malaisen mal was Gutes, daß ich zu fett bin für eine Hippotherapie! Da ist bei 80 Kilogramm nämlich Schluß, und das ginge nur, schwänge ich mich als Lady Godiva auf den Gaul, und da ist vermutlich unter anderem der Tierschutz vor.

Kurz: Hier geht so einiges schief (und da haben wir noch gar nicht über die munter tanzende Libelle der Wasserwaage geredet, wenn das Regal erst wieder dran ist). Ich bleib jetzt nur noch im Stall.