
Samstag, 12. Juli 2008
Milde Abendluft und das Künstlerkollektiv Spring lockten zur kunstsozialen Ereignisversammlung ins Hinterconti - heute mal als reines Männerteam. Freund G. und ich schlüpfen manchmal ungezwungen, weil vom Fach, in die Rollen von Starsky & Hutch, sind überhaupt, man ahnt das ja, privat eher so Owen Wilsons, Hochzeits Vernissagen-Crasher also, egal, das Bier war gut, die Laune auch (vereinzelt wurde sogar gelacht).
Die Kunst ebenso, bezaubernde Illustrationen nämlich unter dem Leitthema "Alter Ego" von Christina Ackermann, Larissa Bertonasco, Katrin Bethge, Paz Boira, Almuth Ertl, Katharina Gschwendtner, Natalie Huth, Claire Lenkova, Jan-Frederik Bandel, Carolin Löbbert, Ulli Lust, Nina Pagalies, Maria Luisa Witte, Stephanie Wunderlich, Barbara Yelin. Dazu Musik und wärmende Feuer, und wenn ich seufzte, wurde ich gefoppt und auf die schönen Frauen aufmerksam gemacht, die auf solchen Vernissagen bekanntlich gleichsam einem Bilderrahmen entstiegen zu sein scheinen. Selbst im Gedränge kann man dann die schönen Menschen sehen, die vor den schönen Bildern stehen, die man selbst nicht... na ja, you get the picture.
Kunst eben. Heute abend geht es weiter, Finissage ist morgen, wieder mit Musik, Getränken, bezaubernden Menschen und ganz viel Zucker für das Auge.
(Spring # 5: Alter Ego. Hinterconti, Hamburg. Bis 13.7.2008.)

Freitag, 11. Juli 2008
In so einem Blog steht ja nicht alles drin, auch wenn es manchmal so den Anschein hat. Wie wenig ihr wißt, möchte man rufen. Funde, Zeitungsausschnitte, Fotos, ab und an ein Wort - das Leben als Themenkladde, die eigene Schnipselhaftigkeit, sich selbst als Ausriß mit zackigem Rand betrachtet. Jeder Tag ein Post-it, und erst am Ende wird zusammengeklebt, ergibt das Mosaik ein Bild oder auch keines. Was eben nur der Schreibtisch weiß, die Riefen im Holz.

Donnerstag, 10. Juli 2008
Don't be afraid to take the past head on.
(Tracey Emin. Strangeland. 2005.)

Dienstag, 8. Juli 2008
when pursued, is always beyond our grasp,
but, if you will sit down quietly, may alight upon you.
(Nathaniel Hawthorne zugeschrieben)
Die Aufgabe ist nicht gering, wenn es heißt: Annehmen können. Das Fremde, das Neue, das Überraschende. Die schönen Momente, die Freunde, die einfach mitkommen, ohne daß es ihnen eine Mühe ist, durch die glitzernde Nacht oder den Regen, der einen im Wald überrascht. Wenn man nicht hetzen muß oder Lärm machen, um sich selber zu hören. Wenn man still stehen kann, lauschen und den Augenblick genießen. Wo es sanft genug ist und geduldig und leise, kommen sie manchmal ganz nah, pheromonberauscht torkelnd wie manche, freundlich und interessiert wie andere. Bleiben sitzen, schauen und zeigen ihre schönen Flügel. Neigungsgruppe Anmut statt Schwermut.

Montag, 7. Juli 2008
Heute morgen erwacht aus wilden Träumen, gleich wieder geschwitzt, gefährliches Zeug geredet - bis mir einfiel, daß ich noch den Mund würde halten müssen, weit offen aber. Ich gehe ja furchtbar gern zum Zahnarzt, also zu meinem Zahnarzt, denn wir lachen viel und bohren nicht allen Dingen nach. Was anderen der Hamam, ist mir zudem die Prophylaxe, die ich mir gönne, wenn sonst schon nicht viel mit mir passiert. Auf einer barbiepinken Liege liege ich bald wohlig ausgestreckt, überlege kurz, meinen von allen schönen Seiten angeknabberten Nachtschlaf nachzuholen, aber da beugt sich schon eine junge attraktive Blonde über mich, ganz so als sei sie eben einem eiskalten schwedischen See entstiegen, und beginnt damit, mir allerhand chromblitzende Gerätschaften in den Mund zu stopfen. Bald röchelt, schnorchelt und schnauft es rund um Zunge und Zahnbestand, sprüht kühles Wasser auf mein Gesicht, gleich einer vattenfallenden Gischt, während die frischwangige, knäckebrotgesunde Dame eifrig poliert, mir behutsam, fast zärtlich zartfühlend Lippen und Wangen betupft. Ich betrachte ihre Piercings und wie das Licht sich durch ihr weizenblondes, leicht zerzaustes Haar bricht, atme eine Spur von ihrem süßen, leichten Morgenschweiß, der von heiterer Anstrengung spricht und sich mit den minzigen und medizinisch reinen Fluorgerüchen ihrer Pasten und Tupfer mischt. Ich brauche Wasser, dieser Durst immer und immer so plötzlich, trinke wie ein guter Gast und will gerade selig einschlummern, da übernimmt ihr Chef.
Herr Doktor, sachlich, freundlich, wie immer zu Scherzen bereit, kommt auf mein Kernproblem zurück: Der ungekrönte Achter. Solange schon führt er ein nicht ganz sorgenfreies Schattendasein tief in meinem Mund. Nun reden wir, die Morgenstunde, über Gold und den allgemeinen Preisanstieg von Edelmetall. Ein blitzendes Krönchen, vielleicht, es gilt zu überlegen. Ich bin bereits im Vorfeld entzückt. Blitzen und Blenden werde ich, gleißen wie meine Zukunft - ganz so als wäre plötzlich alles, alles gut.

Sonntag, 6. Juli 2008
Es gibt Läden in Hamburg St. Pauli, die kenne ich gar nicht - für mein Alter eigentlich auch nicht so schön. Andererseits gibt es dadurch immer noch und immer wieder etwas zu entdecken: Orte zum Beispiel, an denen man sich gleich zu Hause fühlt. Einer, in dem es nach Schweiß, durchgebrannten Verstärkern und Motorenöl riecht und ein anderer voller schwertätowierter und schwer freundlicher Gunslinger. Und dann dieser Tingeltangel zum Beispiel, in dem vielleicht nur kleine Fläschchen Sauerstoff auf der Getränkeliste fehlen, sonst aber alles stimmt bis hin zu den fesch dekorierten Hafenperlen.
Irgendwann, ich bin längst Theke geworden, singt Johnny von St. Quentin, und irgendwann denke ich, diese finnische Luftgitarrenmeisterschaft - die wäre auch mal was für mich. Irgendwann bin ich auch schon mal früher zu Hause gewesen - aber wozu war das nochmal gut?

Freitag, 4. Juli 2008
Und dann sagte ich: Ich will das alles nicht wissen. Ich weiß das eine bereits sehr genau: Wahr ist, was wahr ist. Sagen die Sterne. Und daß das was war, nicht mehr da ist.
Distanzlosigkeit, da hilft nur ein Schulterzucken. Draußen aber, heute, Regen, Regen und dann noch ein wenig mehr Regen. Ein Tag, an dem man nur ein einziges Telefonat führen möchte. Mit Roger Kusch.
