Donnerstag, 19. Juni 2008


Durch den Lichtschacht betrachtet



Gerade mußte ich tatsächlich überlegen, wie man das Magazin befüllt. Es ist das eine, sich selbst oder die Wohnung zu vernachlässigen. Aber seine Staffelei doch nicht. Viel zu lange schon. Das rächt sich, wenn man die Koffer lüftet und merkt, daß plötzlich die Blende hängt. Die Trägheit der Mechanik. Das langsame Surren, wenn der Verschluß abläuft, der kurze Moment, wenn das Licht einfällt.

Die Wiederentdeckung des langsamen Herantastens, mit demütig gesenktem Kopf, der seitenverkehrte Blick auf die Welt, der ganz neue Wahrheiten enthüllt. Eine von vielen, je nachdem, welcher Perspektive man nachhängt.

Viele vergessen das. Sie bilden ihr Gucklochurteil. Sie halten ein Auge geschlossen.


 



Guter Mond...

...geh doch still woanders hin.

(Aber gepflegt. Damit ich in Ruhe dichten schlafen kann.)


 


Mittwoch, 18. Juni 2008


Altmann an Zitronengras

If a man does not keep pace with his companions,
perhaps it is because he hears a different drummer.
Let him step to the music which he hears,
however measured or far away.

(Henry David Thoreau. Walden. 1854.)


Gestern im Schanzenpark gesessen und über das Thema Berufsjugendlichkeit nachgedacht. Wie man so rumläuft zum Beispiel im Einheitsornat aus Lastkraftwagenplane und Segeltuchschuh. Immerhin habe ich keinen Apfel in der Tasche. Hier ist alles nur ein Butterbrot.


 



<< Fast Rewind

193 Seiten in etwas über 17 Minuten. Lesen kann es nicht sein, was hier gerade ein Besucher aus einer mir auch ganz gut bekannten Großstadt treibt. Hallo, und guten Abend. Irgendwie bin ich bei solch exzessivem Stöbern in den Archiven ja doch merkwürdig berührt. Einmal las sich jemand zwei Jahre zurück. Aber das war eine andere Geschichte. Das habe ich verstanden, auch wenn ich wußte, daß die Antwort nicht im Blog liegt. Fast hätte ich es damals laut geschrien. Fast.


 


Dienstag, 17. Juni 2008


Ringel, maskierte Hasen & eine Teeparty

(c) AlyzHerr Kid, raunt es. So still? Was machen Sie eigentlich den halben Tag? Nun, ich muß gestehen, ich arbeite an einem tollen Projekt habe mich ein wenig verliebt. Natürlich nur noch mit Airbag, Fallschirm und Ausweiskontrolle, ist ja nicht so als lernte ich nicht dazu. In diesem Fall heißt das, zur Abwechslung seine l'objets du désir im Netz zu finden.
Mein aktueller Crush ist dieser hier: Die Musikjournalistin und Fotografin Alyz kennt beide Seiten der Kamera und entzückt mit hinreißenden verspielten Inszenierungen. Nichts übertrieben Spektakuläres, mehr so der nonchalante französische Freizeitspaß, bei dem man sagt, Mensch, hier sind noch ein paar Rollen alter Tapete und hier ein Karton mit lustigen Strümpfen... und dann kommt noch der Nachbar und die Nachbarin dazu. Augenfutter, wie diese Zuckerdinger, die es auf der Kirmes gibt.

Ein Blog hat sie auch.


 


Sonntag, 15. Juni 2008


Kein SVV zur Altonale





Manchmal, so scheint es, braucht man nur ein Elektrokabel, einen Deckenhaken und eine Flasche Schnaps für das große Glück. Dann wiederum scheint das kleine auch verlockend: ein Flohmarkt vielleicht oder ein bißchen Kulturkarneval. Die Altonale bietet jedes Jahr von allem ein bißchen - Schlurfschlenderer, Lautstimmler und Gitarrenschrummler, dafür fast prominentenfrei. Irgendwo war Unterwäsche aufgereiht, irgendwo gab es Briefbeschwerer, irgendwo traf ich Bekannte. Das Glück bot keiner feil, nur heiße Suppen, gut und scharf.

Gefallen haben mir die kleinen Illustrationen von Paulina Archambault, die wie Kinderzeichungen aussehen. Sie unterhält auch einen Shop im Netz. Sehr sympathische Person, sehr herzlich; aber das verraten ja schon ihre Bilder.

Man muß das alles aufnehmen. Das Neue, das Gewitzte, die Schätze unter dem Staub. Weitermachen, immerzu.


 


Freitag, 13. Juni 2008


Freitag, 13, Filmverschnitt

Planet Terror vs. Death Proof.

1:0 für Rodriguez. Schon allein, weil er nicht gleich auf halbem Weg stehenbleibt. Schöner Date-Film auch. Aber das nur nebenbei.

Super 8 | von kid37 um 14:26h | 18 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 12. Juni 2008


110:75

Heute morgen, sehr früh, hieß es wieder Frohe Miene, böses Spiel. Kein Kaffee, aber Blut und zehn Euro bitte. Ich bin da ja nicht so für. Diese bei manchen ja offenbar schwer beliebte Extremsportart "Frühaufstehen" (die U-Bahn war voll von solchen Fanatikern) hat nur einen einzigen mir ersichtlichen Vorteil: Ich schaffe es im Anschluß auffallend zeitig ins Herz der Finsternis Gartenzwergfabrik. Kollegen, der Chef, alle entzückt oder erstaunt, Herr Kid, so früh! oder Brav, Kollege, brav! schallt es durch den langen Flur, ganz im Stil der alten Comics aufgesagt: "Super, Herr Gaston!"

Vorher war aber Aderlaß. Leider saugte diesmal nicht die interessante Emo-Punkette an meiner Ellenbeuge. Doch war es auch so sehr schön, denn auch zwischen der ebenfalls sehr charmanten Laborantin und mir paßt allenfalls ein Latexhandschuh. Danach endlich hinein ins Sprechzimmer - zu ihr.

Na, fragt sie. Wie geht es ihnen denn mittlerweile. Besser als beim letzten Mal? Ich mache einen auf norddeutsch und sage "och-jo" und "muß ja" und außerdem sei "Fußball", das lenke ab vom Kardiologischen. Sie findet das schön, ich denke, denkste. Die Werte seien auch viel besser, sozusagen top. Sie strahlt mich fröhlich an dabei, und ich bin wieder gleich entzückt. Betasten will sie mich heute nicht, lieber reden. Ohne Kaffee fällt mir das morgens schwer. Ob ich nicht trotzdem noch einen Kollegen aufsuchen wolle? Nein, sage ich. Ehrlich gesagt (und wann ist man das schon, so beim ersten oder zweiten Treffen?), könne ich keine weißen Kittel mehr sehen. Sie schaut kurz an ihrem herab, lacht dann aber erneut und meint, das könne sie gut verstehen. (Kurz denke ich, tun wir doch leger, ziehen das Ding aus, ich hole einen Kaffee und dann reden wir noch... ein bißchen. Aber für zehn Euro bleibt dafür keine Zeit.)

Mir sei mehr nach Insel, setze ich nach. Da wird sie aufmerksam. Hiddensee, sage ich knapp, als sei damit alles gesagt. Sie kennt die Insel nicht, hat aber viel davon gehört. Und gleich hört sie noch ein wenig mehr: Ich lobe den Landstrich, die Menschen und das Klima, die Ruhe. Die Ruhe vor allem. Oh, meint sie und schaut schmerzlich. Ruhe tue bestimmt gut. "Nur ein Internetcafé!" trumpfe ich auf. Über ihre schönen Augen legt sich ein Hauch von Sehnsucht. Es würden ja viele Künstler dorthinfahren, habe sie gehört. "Ich, zum Beispiel", nicke ich. Manchmal liefen Menschen Gedichte deklamierend am Strand entlang. "Und abends sitzen alle im Wieseneck." Ob es so sei wie auf Sylt, will sie wissen. Ich protestierte, bin entsetzt. Kein SchauSchau und kein SchiSchi. Keine Leute, die tagsüber schauspielern und abends nicht damit aufhören. Mit denen hätte ich schon beruflich genug zu tun. Alles ganz bodenständig. "Perfekt für ein Projekt", sinniert sie.

"Kommen Sie mit", schlage ich vor. "Wir könnten gemeinsam das Drehbuch für eine originelle Arztserie entwickeln." Wir lachen und glucksen entzückt, beschließen, den Kontakt nicht abbrechen zu lassen und verabreden uns für das nächste Quartal - während sich surrend die Blutdruckmanschette um meinen Oberarm schnürt. Rrrrrrrr.

Anschließend bin ich zu wilden Experimenten bereit: Zum ersten Mal in meinem Leben kaufe ich so einen Kaffee zum Mitnehmen. Das ist, sollte ich vielleicht besser erklären, ein Pappbecher mit Kaffee, darüber kommt ein Plastikdeckel, der ein wenig an eine Schnabeltasse erinnert, und das kann man dann kaufen und mitnehmen und unterwegs trinken. Sehr modern, gibt es sicher bald überall.

Draußen vor dem Café, der Pulsschlag hat sich beruhigt, zeigt der Himmel eine scharf getrennte Wetterfront: links Sonne, rechts eine dunkle Wolkenformation. Ich zögere keinen Moment und gehe in eine Richtung los. Muß ja.


 


Mittwoch, 11. Juni 2008


Das erste Mädchen auf dem Mars

Wer so benannt ist wie eine berühmte Plantage in Atlanta, wird wohl ein sommerwarmes Gemüt in sich tragen: Tara Busch jedenfalls hat seit einiger Zeit einen gemütlich andekorierten Platz in meinem Herzen erobert. Die Musikerin aus Los Angeles bastelt mit Analogsynthesizern und alten Effektgeräten verschrobene Klangteppiche, über den sie mit einer sicher nicht für jeden berückenden Stimme kleine, honigverklebte Melodien legt, wenn sie nicht gerade Gläser zersingt. Kurz: Toll.

Ihr zartes, im nostalgischen Super-8-Look gehaltenes Video zu Motorcrash hilft beim Mögen, da rede ich keinen Millimeter dran vorbei. Auch dies möchte ich bitte in den Karton Sommerimpressionen dieses Blogs verstaut wissen: Staubigwarme Dachböden, die zu verbotenen Spielen oder dösender Nacktheit einladen, Spinnfäden im Haar und die rauhen Splitter trockenen Holzes - dazu der Geruch alter Dachpfannen, das quietschende Geräusch, wenn man die verzinkten Luken aufschiebt, den Kopf, den Körper hinauswuchtet und zwischen alten Fernsehantennen und bröckelnden Schornsteinen, Vogelnestern und verbrannten Silvesterraketen allein mit dem Himmel ist. Und mit Tara Busch vielleicht, wenn sie nicht gerade Klavier spielen geht.

Ihr Album Pilfershire Lane kann man hier begutachten.

>>> Webseite von Tara Busch, dort gibt es auch das Video zu Motorcrash zu sehen, für die, die sich nicht bei Youtube anmelden möchten.
>>> Analog Suicide - Seite von Tara Busch und ihrem Ehemann, dem Filmemacher Maf Lewis, auf der sie kurze, experimentelle Filme zeigen.

Radau | von kid37 um 15:28h | 6 mal Zuspruch | Kondolieren | Link