Donnerstag, 24. Januar 2008


Licht aus



Wir gehen jetzt erstmal einen Trinken, schlägt sie vor, verläßlich patent, und wer bin ich, da zu widersprechen. Es gibt so Tage. Und so trinken wir beim Italiener einen Wodka, ein Bier, einen Grappa... Ich versuche, etwas zu essen, muß ja auch mal sein, während sie mir meinen Notizkalender mit Terminen volldiktiert. Tanzen? Tanzen ist super, sage ich und merke, wie ich das die letzten Jahre vermißt habe. Konzerte noch und laut sein und Menschen. Geht doch, denke ich.

Pläne machen. Nicht ganz leicht, wenn man merkt, wie etwas zu Ende geht. Vielleicht seit März letzten Jahres, als sich die Dinge veränderten. Als ich merkte, wie die Nähe schwand und das Bemühen. Wie ich anfing, später, mit dem ganzen Blut im Supermarkt, über Dinge anders zu denken. Der Rückzug, die Wut, die Enttäuschung. Überhaupt, diese Enttäuschung.

Dennoch: Was war, was wir hatten, das war gut.

In deinem Alter würde ich keine Kinder mehr machen, sagt mein Vater, der meinen Bruder zeugte, als er noch mal zwei Jahre älter war, als ich jetzt bin. Das ist das Gefährliche daran, die Eltern zu fragen. Sie projizieren ihr Leben und ihre unerfüllten Träume auf einen, in dem sie die jüngere Kopie ihrer selbst zu erkennen glauben. Wenn ich noch mal so jung wäre wie du, setzt er fort und entwickelt Ideen von weißen Bademänteln und einem Penthouse und gut gekühlten Champagnerflaschen. Im Grunde aber, das weiß ich doch, würde er wieder genau das tun, was er getan hat. Will ich hoffen, denn sonst wäre ich nicht da.

Naughty James, erzähle ich ihr, den seine Freundin und Muse verließ, schrieb in seinem Blog, er wolle jetzt in den Irak. "Dienen". Vielleicht, schlage ich vor, sollte ich auch zur Fremdenlegion. Wir lachen und stoßen noch einmal an, auf meine heroische Zukunft.

Beim Italiener herrscht teilweise Stromausfall. Die Lampe über unserem Tisch ist aus. Durch leichten Regen geht es durch die Nacht. Zu Hause, kurz vor Mitternacht, erreicht mich eine weitere Nachricht. Ein weiterer Abschied, und ich weiß nicht, welcher schlimmer ist.


 


Mittwoch, 23. Januar 2008


Es gibt Licht. Ist aber nur ein trügerischer Mond

Die Computerstimme liest meinem Anrufbeantworter eine Textnachricht vor. Merkwürdig diese Worte zu hören, durch eine Maske, von einer tonlosen Maschine überbracht.

Ein weiteres Telefonat, das mich berührt. Auf eine merkwürdige Weise. Weil ich da irgendwann nicht mehr weiß, was ich sagen kann, als ich merke... ach, was merke ich schon. Ein Erstaunen, ein Verstehen auch, aber auch die sanftere Form von Eifersucht vielleicht, sollte mir die möglich sein. Die Angst, eine weitere Nähe zu verlieren.

Überhaupt. Dieses wiederum andere Telefonat, das so völlig entgleiste, daß man unsicher wird, über Ursache und Wirkung, Provokation und angemessene Reaktion. Vielleicht die falsche Nummer zur falschen Zeit. Vielleicht gibt es eine bessere Zeit.

Vielleicht ist es der Mond, der prall und dick über dem Wasser hängt. Die Enten sind nervös, quäken so kläglich zu mir hoch, daß ich denke, die sind ja schlimmer als ich. Und vielleicht sogar schlimmer dran. Ich winke ihnen also zu, nur noch mit Wasserglas derzeit, soweit ist es ja schon gekommen. Nur Wasser! Wie soll man da klare Gedanken fassen?

Ich lasse das Licht dann mal im Fenster stehen. Denn tatsächlich verhält es sich so: das Neue ist immer spannend. Einen anderen Wert hat aber die Beständigkeit.

(Und morgen nehme ich nochmal dieselbe U-Bahn.)


 


Dienstag, 22. Januar 2008


Aus der Bahn

Heute morgen dann in der U-Bahn, noch ein wenig schläfrig, weich, viel zu offen. Gegenüber sitzt auf einmal eine junge Frau, ich schaue für einen kurzen Moment, erkenne, korrigiere mich, bleibe gelähmt. Dieses Gesicht, verborgen unter einem Wust blonder Haare, die unter einer Mütze hervorquellen - dazu ein riesiger Kopfhörer, der sie weiter abschottet vor der Welt. Demgegenüber der neugierige Blick, ein waches Blau, das zurückblitzt, wenn das Licht von schräg oben in die Augen fällt. Die Nase. Es ist sie, denke ich, einen kurzen Moment, völlig verschreckt, mit klammen Gefühl und bangem Herzen. Es ist nicht sie. Es ist vielleicht eine jüngere Ausgabe, aber doch genau sie, ebenso schön, schmerzhaft nah, furchtbar, und völlig fremd.

Ich setze mich um, sie registriert es kaum, in ihrer anderen Welt, weit weg. Ich stolpere aus der Bahn, eine Station zu früh. In Hamburg scheint die Sonne. Hier nicht.


 


Montag, 21. Januar 2008


Der Wetterbericht. Die Wetterlage.

An diesem Wochenende stand das Treffen der Neigungsgruppe Kummer & Trunk unter dem ebenso literarischen wie selbstironischen Motto "Stumpf & Vorurteil" - dabei natürlich wie stets einwandfrei gekleidet: Ringelhemd (2. Vorsitzender), schicke Strümpfe (Schriftführerin).

Am Bahnhof fiel mir wieder ein, wie schön es doch ist, liebe Menschen vom Zug abzuholen. Wenn man in steigender Erwartung die große Uhr ins Auge fasst, langsam engere Kreise um das richtige Gleis zieht, das Treiben dort beobachtet, zeitig die Treppe heruntergeht und eine günstige Position auf dem Bahnsteig sucht, aus der man einen möglichst guten Überblick behält.

Dann das aufgeregte Absuchen der Menschentrauben, die sich um die Türen der Waggons bilden, der gereckte Hals und scharfe Blick, mit dem man die Gesichter hastender Reisender sucht, bis man gefunden hat. Und nicht verloren. Das Haar, der Blick, das hochgereckte Transparent (imaginiert), "Reisegruppe Sowieso". Und dann die Freude, mit der sich die ganze gespannte Erwartung löst, das Hallo, die Umarmung - na, die meisten wissen, was ich meine. Und vermisse.

Für jemanden ein Käsebrot aufwärmen Kochen macht auch Spaß, so ein bißchen was Gutes tun, oder vortäuschen, man hätte irgendwie Ahnung, Hauptsache es schmeckt - dann aber bitte zum Aufarbeitungsteil. Diesmal gab es die schnapsbedrosselte Vorführung von Ghost World, einem meiner Lieblingsfilme, die Älteren erinnern sich. Steve Buscemi ist darin wie ich: ein unbeholfener Nerd, scheu und ein wenig andersweltig. Tolle Sache, und am Ende möchte man Hand an sich legen, ob solcher Traurigkeit.

Dagegen sprechen die Statuten von Kummer & Trunk, die Neigungsgruppe ist da streng und droht mit Ausschluß. Das Regelwerk – insgesamt komplex und nicht in Steintafeln gemeißelt – dreht sich um den Kernpunkt, auf einer nebelverhangenen Insel bis zum Morgengrauen auszuharren.

Vom Nebelhorn oder Lichtsignal anderer Schiffe, obwohl in der Nähe, nichts zu hören, nichts zu sehen. Sie ziehen vorüber.

Zeit des Zögerns. Wirren. Langsame Fahrt. Am Ende dann eine Geste, ein Kompliment, das wie ein kleines Licht im Fenster steht. Überhaupt: die sorgenden Fragen. Und Wünsche. Danke.


 


Samstag, 19. Januar 2008


Zwei gute Freunde



Viel zu lange vernachlässigt. Sehr unterschiedlich in Form, Funktion und Fähigkeiten. Zu zweit ein super Team.

(Merkwürdig, wie vieles sich verschiebt, wie alles wandert: Stimmungen, Gefühle, Informationen. Vergessen wird: Die wahre Show findet ohne Publikum statt.)

[Einordnen unter: Ringen um Deutungshoheit; allg. Unsicherheit; Vergewisserungswunsch; soziale Choreografie]


 


Freitag, 18. Januar 2008


Immerhin: Aussichten

Die schönsten Frauen gibt es auf Vernissagen, heißt es, und manchmal weiß man tatsächlich nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Aber das nur nebenbei. Der Nachwuchswettbewerb "Gute Aussichten", der nun zum vierten Mal stattfindet, präsentiert auf einer Wanderausstellung die elf Gewinner 2007/2008 - derzeit in den Hamburger Deichtorhallen. Kurz gesagt: ein wenig Licht, ein wenig Schatten - wirlich umgehauen hat mich leider nichts, aber das mag meiner Stimmung geschuldet sein. Wem alles grau ist, dem erscheint die Farbe nicht, heißt es bei Lao-Tse, und daran - ich lege mich mal vorsichtig fest - wird wohl auch etwas Wahres dran sein.

Erwähnenswert finde ich die Arbeit von Andrej Krementschouk, der mit seinen Fotos Einblicke in seine russische Heimat bietet. Rustikale Schlichtheit, Alter und Armut - ein Atem von Einsamkeit liegt über den Bildern, selbst dort, wo Kinder zu sehen sind. Einen ähnlich wehmutsbeladenen Ausflug in die Vergangenheit unternimmt Margret Hoppe von der HBK Leipzig. Sie fotografierte "verlöschende Erinnerung" - die fahlen Schatten abgehängter oder übermalter Bilder aus der Zeit der DDR, die nun nur noch als Leerstellen auf den Wänden sichtbar sind.

Kann man Erinnerung festhalten? Was kann man schon festhalten. Die Dinge wollen freiwillig bleiben. Aber darum muß man sich auch kümmern. Wollen.



("Gute Aussichten". Deichtorhallen, Hamburg. Bis 24. Februar 2008.)


 



Dish of the Day

Sehnsucht sollte immer gleichmäßig verteilt sein.

(Aus meinem Buch: Die Welt als fluffiges Tierbaby vorgestellt.)


 


Donnerstag, 17. Januar 2008


Hauptsache



Bis nächste Woche heißt es, Haltung gewinnen, denn es geht ins Stilwerk. Zusammmen mit Merlix, MC Winkel und Herrn Paulsen werde ich als Art Quotenfrau ein, zwei Texte lesen. Die Veranstaltung findet im Rahmen des Wordcamp 08 statt, ist selbst aber öffentlich und für umme. Anschließend rauche ich eine Zigarette.