Dienstag, 15. Mai 2007


Mamma Mia

Und während die Schläge der Hämmer auf seinem Kopfe dröhnten,
wachte ein Traum, ein Rest von Liebe in ihm auf, wie eine Fackel,
die hinein in seine Nacht leuchtete.
(Georg Heym, "Die Sektion". 1913.)

(c) Mia Makila (Tak!)Weiter geht's mit der Schneiderkunst: Die Schwedin Mia Mäkilä lebt und arbeitet in Norrköping und macht widdewitt eine Welt, wie sie mir gefällt. Nicht exakt das, was man fröhlich nennen würde, aber bunt, nun, bunt ist sie schon. Finstere Collagen und makabre Übermalungen beweisen, so eine Postkarten- und Glanzbildsammelzeit ist nicht vergebens.

Albträume und andere unheilvolle Nachtbegleiter als Mitternachtskunst, Bilder, die keine Sonne brauchen. Ich möchte sofort jedes einzelne davon. Denn wie jeder weiß: Wenn du den Schrecken nicht besiegen kannst, dann häng den Schrecken einfach an die Wand.

>>> Zur wunderschönen Webseite von Mia Mäkilä


 


Sonntag, 13. Mai 2007


Eine sanftere Welt

Das wird jetzt nicht jedermann gefallen. Wer gerade von Gottesdienst und 24h-Tankstelle zurückgekehrt ist, ein paar knittrige Blümchen im Arm, sollte vielleicht kurz innehalten. War Mutter wirklich immer freundlich?

Ein Trost, immerhin, für Lesefreunde. Es ist eine grimme Welt dort oben im Norden, wie es im Lied heißt. Besser, wir gewöhnen uns dran.

Paßt auf euch au

>>> A Softer World


 


Samstag, 12. Mai 2007


Anamnese / Mama Meese

Der Soldat wird älteren Damen wieder über die Straßen helfen.

Ist doch ganz logisch.


Jonathan Meese spricht über Blogs die Kunst, "mickrige Selbstverwirklichungsfanatiker", Demut und Erfolg.

(Ich möchte auch das, was in dieser Flasche ist. Vielleicht hilft das auch gegen die rasenden Schmerzen, die seit gestern Abend durch meine linke Kopfhälfte sägen. Mir steht ein Leben in abgedunkelten Räumen bevor, über der Zimmertüre steht "Zukunft". Bitte keine Blumen.)

via artblog


 


Freitag, 11. Mai 2007


Regen

1237 Tage. Heute in der Fabrik wieder Zitronenpressen. Etwas geht noch raus. Vielleicht, wenn man den Fuß draufstellt. Morgens aufwachen und denken, man sei bereit, ein Lied wie "Like A Rolling Stone" zu schreiben. Abends reicht es gerade noch zum "didn't you?"

Vor dem Fenster an meinem Platz am Brennofen brütet ein Saatkrähenpaar. Heute ducken sie sich tief und schwarz und müde mit leicht ausgebreiteten Schwingen über das Nest. Heute gibt es Regen.

Heute bietet man, zum Dank für die geleistete Sonderarbeit, weitere Sonderarbeiten an. Ich muß, ja muß, noch dankender danken, kurz vor dem Abdanken. Der Vorarbeiter, ein im Grunde netter Kerl, sieht es mit Kümmernis. Ich weise auf meinen Batteriestandsanzeiger. Wir werden nachspielen lassen.

Draußen tropfen die Bäume. Ich ziehe die Schultern hoch, schwingenlos, ein gerupftes Tier, dem ein einzelner Wasserfaden in den Nacken kriecht. Am Bahnhof ein Feuerwehreinsatz, ich gehe zu Fuß, was mir fehlt, ist nur eine Pinguinhaut.

Die geschnürten Pakete zu Hause sind dabei, sich langsam zu lösen. Aus den brüchigen Falten der Kartons quillt der Immobilienteil. Vielleicht, denke ich, ist es das Beste, wir rücken zusammen. Die Krähen, die schwarzen, und ich.


 


Donnerstag, 10. Mai 2007


Schnitt mit dem Küchenmesser

He, he, Sie junger Mann
Dada ist keine Kunstrichtung

(Berlin-Dada)

Nicht die Mama.Hannah! Von hinten wie von vorn... Hannah Höch, Dada-Mama und weitaus mehr als die Betriebsnudel der Berliner Dadaisten, wie Hans Richter leicht herablassend andeutete, hielt den kaspernden Jungs gern den ironischen Spiegel entgegen. Die Höch war eine Scherenschwester - tagsüber öffnete sie die Handarbeitsredaktion des Ullstein-Verlags der Moderne, danach säbelte sie säuberlich durchs selbstgefällige Bürgertum: Schnitt mit dem Küchenmesser Dada durch die letzte Weimarer Bierbauchkulturepoche Deutschlands heißt eines ihrer berühmteren Werke. Die große Schere (in der Ausstellung zu sehen) als Verlängerung ihres scharfen Blicks im Anschlag, trennte und sezierte sie aus Fotos, Zeitungen und Zeitschriften unzählige Fetzen, Stücke, Sätze, Wörter, Buchstaben - dekonstruierte und konstruierte neu.

Mutter der Collage nannte man sie - später - nachdem Heartfield, Hausmann, Grosz des Streitens müde geworden war, wer sie denn nun erfunden hatte, die Montage. Was sie zusammenbrachte, schmerzhaft, mit scharfer Kante und häufig unendlich detailreich nahm die dicke Berliner Plauze, die Zustände, aber auch die Gefährten aufs Korn. In Raoul Hausmann war sie verliebt, der - ganz Dandy - sich aber nicht recht von seiner Frau trennen wollte. Wie so vieles, nahm sie auch dies spöttisch auf die Schippe, für uns ein Segen vielleicht. Ihre Montagen und Collagen zeigen, wie aus dem Remix eigenständige Kunst entstehen kann, die ihre parodierten Vorbilder überlebt. Bloßes Spiel? Ja sicher, aber voller Kraft, Ironie und Witz und einer leichten Handschrift. Höch, selbst von scharfgeschnittenem Profil, studierte Kunstgewerbe in Berlin, traf Hausmann bei Herwarth Walden und nahm 1920 bei der Dada-Messe in Berlin teil - nicht sehr zur Freude von George Grosz und John Heartfield, die sich in ihrer Männerunde gestört fühlten.

Hätten sie mal gewußt, daß ohne Hannah Höchs Sammelleidenschaft viele Erinnerungen verloren gegangen wären. In ihrem Haus in Berlin-Heiligensee (was ich nicht kenne, man zeigt mir ja nix!) verwahrte sie Plakate, Briefe, Fotos, Puppen und andere Werke zu einem einzigen Musée dada. Die Sammlung erwarb nach ihrem Tod 1978 die Berlinische Galerie, die nun eine nicht allzu große, aber informativ gemachte Werkaustellung macht.

Das Lob der kleinen Form: Ich mag das, wie sich aus dem scheinbar Banalen, dem oft verlachten Alltäglichen, dem aus Verbrauchsmaterial Zusammengepusselten etwas herausschält, das eben doch mehr ist als ein herablassend Remix genanntes Verwursten. Lob dem unspektakulären Höhepunkt: Zwei der von Höch aus Resten zusammengeklöppelten Dada-Puppen sind in der Ausstellung auch zu sehen.

Dortselbst auch ein Verweis auf die Dunkle Seite, denn in den 30er Jahren gehörte die Höch zu den verfemten Künstlern im Nazi-Reich und erfuhr erst nach dem Krieg allerlei Ehren. Die "Warenwelt des Wirtschaftswunders", so der Katalog, war vor ihrer Schere auch nicht sicher, sie malte, schnitt und klebte bis ins hohe Alter getreu dem Motto: "Ich habe alles gemacht und mich um Handschrift und Material nie gekümmert".

(Hannah Höch, "Aller Anfang ist Dada!". Noch bis zum 2. Juli 2007 in der Berlinischen Galerie, Berlin.)


 


Dienstag, 8. Mai 2007


Merz/Bow #7

Herr Cohn-Bendit ist beschäftigt. Ich warte auf das Ende der Weinprobe oder schreibe beim nächsten Mal einem Abgeordneten von der CDU.

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Geistiges Eigentum sei Unfug, lese ich. Wer solches schützen will, habe Kultur und ihren ewigen Zitatcharakter aber so ganz und gar nicht verstanden. Nun machen mir Menschen, die meinen, sie nun aber hätten Kultur ganz und gar verstanden, schon berufsbedingt eher angst. Überhaupt steht diese Argumentation auf einem recht schmalen Brett. Man könnte dann sagen, auch technische Entwicklungen waren selten wirklich originär, sondern Remixe der Forschungsleistung der Vorgänger. Selbst der Computer auf dem jenes Pamphlet geschrieben wurde, fiel nicht eines Tages einfach so aus einer Garage im Silicon Valley. Die eher grobe Keilung verkennt das grundsätzlich Prozeßhafte von Kultur und gesellschaftlicher Entwicklung. Der historische Ursprung des Urheberrechts gerät darüber auch in Vergessenheit: Irgendeinen Weg wird man finden müssen, den Künstler für seine Arbeit zu honorieren. Denn die Herstellung und Verbreitung von Kunst kostet Geld, und der Künstler will essen. Übrigens auch die Künstlerin.

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Das Zitat läßt sich eben erst hinterher ableiten, nicht vorher - da war nur ein weißes Blatt Papier.

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Die genialsten Eklektiker waren die Beatles. John Lennon sagte mal sinngemäß, er ärgere sich über die Leute, die daherredeten, eine "simple" Melodie wie "Love Me Do" hätten sie auch schreiben können. "Das stimmt", sagte er. "Tatsache aber ist: Sie haben es nicht getan."

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Ich sollte mich über so einen Blödsinn nicht aufregen.

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Diese Leute, die einen mit ungläubigen Augen anschauen: "Das hast du dir doch nicht ausgedacht?" Ungefähr dassselbe wie die berühmte Frage: "Hast du die etwa alle gelesen?"

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Die Wirkung von Blogs: Plötzlich stößt man wieder auf diese Menschen, die man jahrelang erfolgreich aus seiner Lebenswirklichkeit gedrängt hat.

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Man sollte sich überhaupt viel weniger aufregen.

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Die Sprache reiner Konsumenten auch. Sie wollen alles haben, aber nichts zurückgeben. Nicht mal der Kommunismus funktioniert so.

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Glaube ich.

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Zurück zur Natur.

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<Originär>Die beiden alten Damen am Gemüsestand, wie sie unschlüssig die Früchte betrachten. "Nimm die", sagt die eine und weist auf das Bio-Siegel. "Die sind umweltfreundlich."

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<Kalau>Kommt die Frau zum Gemüsemann. Ich hätte gern eine Gurke.
Nehmen Sie zwei, können Sie eine essen.

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Ich bin jetzt ganz ruhig.

MerzBow | von kid37 um 22:55h | 33 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 7. Mai 2007


Erkenntnis im Spiegel

Qualitätsjournalismus, so haben mich schon Blogger in der Frankfurter Allgemeinen belehrt, findet sich eher nicht in Blogs - allgemein akzeptiert als Hort von Banalität und Schlendrian. Was Fachleute können, so lehrt schon der Friseur, können eben nur Fachleute.

Deshalb dachte ich daran, meinen kryptischen Apfel unter Umständen dem Spiegel vorzulegen, der selbst im Boulevardteil noch zu guten Kontakten ins Wissenschaftsressort verfügt:

© Spiegel Online, 2007

So lernte ich von der Erkenntnis, beim Selber-Köpfen sei vermutlich ein "Werkzeug" - und nicht etwa die Fingernägel - benutzt worden. Will das Magazin jedenfalls aus KREISEN erfahren haben, was ich aber ohne weiteren wissenschaftlichen Beleg als eher spekulativ abtun muß.

Und noch etwas machte man mir klar: Wenn es sich grad nicht im Kreise dreht, sondern geradeaus herab, wirkt bekanntlich jene Schwerkraft, die schon von kleinen Kindern für alles mögliche verantwortlich gemacht wird. Denn was sonst nur dem Raumfahrer widerfährt, funktioniert offenbar auch schon beim Sprung aus dem dritten Stock: Wer da auf dem Fensterbrett 25 ist, knallt unten um vier Jahre gealtert auf dem Straßenpflaster auf:

© Spiegel Online, 2007

Also, gelernt: Würde ich meinen Apfel aus dem dritten Stock werfen, wüßte ich, wie unansehnlich es in vier Jahren um ihn steht. Akzeptiert - aber bringt mich das der Lösung um die geheimnisvolle Schrift weiter?

Nein, ich traue dieser Art Fachwissenschaft nicht. Ich möchte staunen, mich wundern, überwältigt werden. Ich werde glauben, den außerirdischen Apfel wie eine Reliquie bewahren - und einmal im Jahr der staunenden Masse präsentieren. Denn der Außerirdische veräppelt mich nicht.