Donnerstag, 25. November 2004


Schönen Dank auch

Heute sagte mir jemand, Mensch, ich habe ein altes Foto von Dir gesehen, wie Du auf Claudias Hochzeit warst. Da hattest Du noch komplett dunkle Haare.
"Ja", sagte ich, "ich weiß. Die sind spontan grau geworden, als ich hörte, daß die heiratet, haha."

Graue Haare, meine Fresse. Altersleiden. So wie neulich, als ich auf dem Konzert von Cobra Killer war. Offiziell hieß es, Einlaß um neun, Konzertbeginn zehn. Geht man also um kurz vor zehn hin, da heißt es, neeee, die spielen erst um Mitternacht. Na super, denk ich. Da hängt man dann zwei Stunden in 'ner Kneipe auf St. Pauli - um zehn! Da schlurfen um diese Zeit natürlich nur Spackos rum oder Touristen oder niemand oder nur man selber. Ganz groß. Ganz große gute Laune bekomme ich da. Gestohlene Lebenszeit. Für was? Könnt' schön zuhause sein, mit meiner Bandscheiben- Relax-Matratze kuscheln, aber nein, muß ja unbedingt auf "jungeblieben" machen. Geh ich also kurz vor Mitternacht zurück in die Weltbühne, kann ich mir noch 'ne Stunde Elektrogefrickel anhören (Gut, war auch 'n okayes Stück dabei). Treten die Damen dann mal so um ich-wollt-grad-gehn-viertel-nach-eins endlich auf. Ich mein, was soll das? Das beeindruckt doch nur noch Zwölfjährige . Geil, ischwar'n'm Schuppen, ging's erst Mitt'nachtlosey. Meine Fresse.

War das Konzert so, na, technisch scheiße nicht so schön. Schlecht ausgesteuert und wie das so klingt, wenn 'ne Playback-CD hängen bleibt. Die Mädels aber dafür aber mal echt cool. "Das nächste Lied geht über Tripper und Gonorrhoe."
Ja, Wahnsinn. Gleich zwei Geschlechtskrankheiten auf einmal, möchte man rufen, wenn man nicht schon schlechte Laune hätte. Dann kippen die Rotwein über sich aus. Hatte ich ja gedacht, dasisjamalvollsexy. Aber war einfach nur bekloppt, irgendwie. Ham se dann ihr'n Hit recht bald gespielt, konnt ich dann nämlich geh'n - so weit bin ich mittlerweile auch schon.

Heute war ich dann auf 'ner schicken Ausstellung. "Gibt's auch was zu essen, brauchste nicht vorher", hieß es. Ich also ausnahmsweise mal nicht wie Karl Lagerfeld ("Unbedingt immer vor Abendeinladungen essen!") und natürlich schön reingefallen. Standen da nur so Agenturtussen und Werberfredels wichtigwichtig um eine Schüssel geraspelter Möhren und Weintrauben- durcheinander rum. Nichmal Brot. Na, schönen Dank. Wasser ausso Alupacks und blaue Getränke in Gläsern. Und diese gelbe Pisse Leichtbierbrühe mit Mangosaft oder was die da immer trinken. Meine Fresse. Dabei habe ich in dem Laden mal sehr lecker was mit Felicitas Woll gegessen. Aber da hatte ich ja noch dunkles Haar.

"Es gibt auch 'ne DJane", hieß es. Meine Fresse. Nur so CafédelMar-Dreck und jammernde... jaulender Schmusesoul, meine Fresse. Zum Glück hat man mir nichts angemerkt. Ich heiße ja auch Das Pokergesicht. Schlechte Laune sieht man mir einfach nicht an. Fröhlich wie immer, charmant, immer einen Herrenwitz parat und tschautschau, du auch hier, bussbussbuss, nein siehst du aber gut aus.

Da fällt mir ein, daß ich heute ein Gebäckstück bei einem Backfilialisten in Schnöseldorf gekauft habe. Und selbst so 'ne Pöseldorfer Backpfeifenverkäuferin macht einen auf SchickiMicki. Gefeilte weiße Perlmuttforken an den Fingern, kein Bittedanke, kein Aufwiedersehen, meine Fresse. Bäckerei am Macchiato-Weg. Geh' ich auch nich' mehr hin.

Dann dachte ich, alle reden über diesen Feuerfuchs. Machste auch mal. Ich todesmutig "Setup for advanced users" gewählt. Geil. Kannste dann nämlich Häkchen setzen: Ob man ein Icon in der Schnellstartleiste will (nein). Na toll, Feuerfuchs macht einfach was er will und friemelt sich dennoch in meine Schnellstartleiste. Fängt ja schon gut an. Dann denk ich so, Optik ist aber dämlich. Dann les ich so, wassseralleskann, und denke, hm, und Mozilla kann das nicht? Und Bilderklau Download per Rechtsklick geht immer noch total lahmarschig. (Man muß es leider sagen: Letzteres geht mit IE 6 am allerschnellsten.) Na ja, hat mich jetzt nicht überzeugt. Bleib ich wohl beim Mozilla. Der sieht wenigstens schön langweilig aus.

Dann heute in der Fabrik nur Akkordpinseln. Das ganze Weihnachtsangebot wird geändert. Nächste Woche wird es noch schlimmer. Der schöne "Ben Hur"-Zwerg, die peppige "Lara Croft"-Zwergin, ich seh' schon, wie die ausgetauscht werden. In letzter Minute, wie immer.

Nun zuhause beim Käsebrot (ist doch immer noch am besten. Weintrauben- gefrickel, meine Fresse) sehe ich gegenüber auf dem Wasser spiegeln: Ist bald wieder Vollmond. Schönen Dank, das kann ja heiter werden.


 


Mittwoch, 24. November 2004


Völlig verbockt

SPIEGEL: Aber der Kontext klärt nicht alles: Sind Sie eine wohlbekannte Ministerin oder eine wohl bekannte Ministerin?

Ahnen: Ich sehe nicht, dass durch die Veränderungen, die vorgenommen wurden, die Lesbarkeit von Texten beeinträchtigt wird. Auch nicht, dass das Zulassen von Varianten die Verständlichkeit einschränkt.


Ein erhellendes Interview im Spiegel mit der Präsidentin der Kultusministerkonferenz Doris Ahnen, das zeigt, wie Bürokratie funktioniert: Weit, weit entfernt von den Menschen, für die sie vorgibt zu arbeiten. Schon der Einstieg demonstriert die eigentlich unfaßbare Logik solcher Vertreter:

SPIEGEL: Aber die frühere Einheitlichkeit der Schriftsprache ist durch die Reform ohne Grund zerstört worden.
Ahnen: Sie ist nicht ohne Grund zerstört worden.
SPIEGEL: Aber dass sie zerstört worden ist, geben Sie zu?
Ahnen: Nein, das gebe ich nicht zu.


Man ahnt, daß auch andere Bereiche des sozialen Miteinanders von der uns "vertretenden" Politik auf solche Weise gelöst werden. Nämlich erdenfern.
Oder wie der Kanzler sagte: Gebt endlich eure Kaufzurückhaltung auf! Rückt die Euros raus!


 



Atonales Blogstammeln

So, der Zug fährt weiter. Gerade auch wieder bei Herrn Dahlmann, der gnadenlose Witze erzählt.

Da Mequito einen Beitrag über eine Zugfahrt von mir gelesen hat, greife ich das Thema auf und lese einen Text von Chill. Ich fürchte allerdings, meine leise, morbide-leiernde Stimme ("Herr Kid, haben Sie eine Drehleier verschluckt?") wird dem Text nicht gerecht. Aber nun ist ja auch November, und wer nicht hören kann will, soll halt lesen.

Eine Fahrt im Zug (MP3, 1,2 MB)

Weitere Texte + Töne bei Herrn Waldar.

Edit: Liste bei Herrn Woody.

Radau | von kid37 um 03:20h | 12 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 23. November 2004


Sterbende Riesen

Angeschlagene Gegner Kulturindustrielle sind gefährlich, besagt eine alte Volksweisheit. Einige der Schwerverwundeten schießen in letzter Zeit wild um sich - als käme man so aus den blutrot gefärbten Zahlen.

Es geht um hohe Werte: "Geistiges Eigentum!" "Kultur!" "Achtung vor schöpferischen Leistungen!" Ein hehrer Anspruch also. Dieser Anspruch endet aber, wenn ich es richtig verstehe, da wo fremdes geistiges Eigentum betroffen ist.

Heute stand in meinem Glückskeks: Die Ausdünstungen der menschenfressenden Oger sind für die zombifizierte Masse. Sie werden nur noch Mythos sein.

via Spex , Waldar und Fabe.

Tentakel | von kid37 um 00:58h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 21. November 2004


Milch und Hering



In der kleinen, aber feinen Hamburger Fotogalerie Robert Morat war am Freitag Vernissage von Michael Melcers Ausstellung "Milch und Hering". Auf eindrucksvollen Barytprints porträtiert der in Berlin lebende Fotograf und Architekt jüdische Lebensmittelläden in New York. Bäckereien, Delikatessgeschäfte, ein Imbiss - die wie Filmstills wirkenden, prägnanten Schwarzweißfotos werfen einen hinein in die kleinen Alltagsgeschichten rund um die Lower East Side. Michael Mercer hat nichts inszeniert; er beobachtete unauffällig mit kleinem Reportageequipment und nutzte vorwiegend das vorhandene Licht. Echte Hingucker - und appetitanregend zudem. (Am Eröffnungsabend gab es angenehmerweise koschere Bagel mit lecker Lachs...)

(Michael Melcer: Milch und Hering. Jewish Foodshops in New York.
Galerie Robert Morat, 19.11.2004 - 1.1.2005)


 


Freitag, 19. November 2004


Miss Van Meer



Und dann sitzt sie dann da mit ihrer spektakulären Frisur und ihren spektakulären Augen und sitzt und erzählt und nippt an ihrem Glas und erzählt von einer lustigen Beziehungskrise und nimmt einen Zug an ihrer Zigarette, und ich denke, wir haben uns acht Jahre nicht gesehen oder waren es zehn? und sie erzählt von einer tragischen Geschichte, und ich sage "heftig" und bin für einen Moment abgelenkt und sage noch einmal "heftig" und staune dann über ihre spektakulären Finger, als sie nach ihrem Mobiltelefon greift, und dann lehne ich mich zurück und beobachte sie, als sie ihr spektakuläres Lächeln in ihr klitzekleines Mobiltelefon lächelt und fröhlich ihr Bedauern äußert, daß es dann doch nicht geklappt hat, aber schön, daß du angerufen hast, und dann fährt sie das Leuchten in ihren Augen ein klein wenig zurück, damit ich nicht geblendet werde, dieses spektakuläre Leuchten, mit dem sie vor zehn Jahren unsere halbe Heimatstadt verrückt gemacht hat und mit dem sie heute wahrscheinlich immer noch halb Hamburg oder Düsseldorf oder meinetwegen auch Berlin verrückt machen könnte - und ich denke, gut, daß ich keine Aktien mehr darin habe, gut, daß es nur drei Monate oder so was waren und wir nun hier sitzen können, entspannt das Sesselmuster betrachtend, während sie erzählt von dem einen Mal oder den zweien, wo es fast ins Auge gegangen wäre, damals, weil diese Städte auch gefährlich sind, und ich sage, "nicht nur für Dich" und wir nicken und ich sage "komm, ich lad dich ein" und sie schenkt mir ihr Lächeln und ich denke, wäre sie meine Schwester, ich würde alle Männer verhauen, die sie schlecht behandelten und bei mir müßte ich dann wohl anfangen, und sie sagt: "Manchmal kann ich ja echt biestig sein."


 


Donnerstag, 18. November 2004



Deine Grenze liegt irgendwo da draußen.

Meine Grenze liegt genau hier.

| von kid37 um 04:41h | | Link

 


Mittwoch, 17. November 2004


Abrißbirne

Kann mal jemand die Frau stoppen, die da gerade ihr Blog zersägt?

Tentakel | von kid37 um 15:19h | ein Zuspruch | Kondolieren | Link