Sonntag, 21. Januar 2018


Monstermusik


In meinem Debütroman Bring' Ziesen mit! (Hamburg: Faust & Auge Verlag, 2018) geht es bekanntlich um einen jungen, desorientierten Mann, der, um soziale Kontakte aufrechtzuerhalten, Montag für Montag und nur zum Schein interessiert in eine Diskussionsgruppe mit dem Thema "Yucca oder Monstera?" geht.

Sich im Nebel da draußen nicht verirren, ist die quälende Aufgabe nun. Es sei der dunkelste Winter seit Zeiten, heißt es. Wer Heizung hat, bleibt zuhaus und gießt die Pflanzen. Ich sortiere die Schallplattenneueingänge der letzten Zeit (also: CD) und höre Charles Mingus, denn der beschwingt, wenn man die Wohnung z'samm räumen will. Heimlich zupfe ich Kontrabaß am Besenstil. 2017 machte ja vieles neu und weckte auch mein Interesse an Musik wieder. Noch mehr Jazz, dann Ligeti, Penderecki (ausgelöst durch Twin Peaks: The Return, Caspar Brötzmann, viel Gedrohne wie Bérangère Maximin (die bald im Bunker spielt), Ben Frost, Varèse, das großartige Ensemble Iris Electrum natürlich, das für mich alle Risse in Wien versöhnlich kittete, und die ganz interessante Calypso Valois mit ihrem noch interessanteren Video (Schauspiel 1.01, aber immerhin).

Immerhin nach sieben Jahren schon Anika gehört, mit dieser Mischung aus Joy Division, Nico und Portishead (hier live, und ja, man könnte über "Präsenz" reden). Vielleicht hätte es mir damals gar nicht gefallen.

Ich lese immer noch nicht wieder viel, aber schon viel mehr. Das Buch des Jahres (ebenfalls mit Verspätung) ist aber so oder so Viv Albertines fantastisches Clothes, Clothes, Clothes, Music, Music, Music, Boys, Boys, Boys. Lebenserinnerungen, die sie hier ganz nett zusammenfaßt. Ich habe viel gelacht, und manchmal auch ein bißchen geweint (self-pity!), denn ich habe mich in vielen Episoden wiedererkannt, und ich bin für viele Stellen sehr dankbar, weil sie sehr aufrichtig - oder wie der Klappentext sagt - oder auch "brutal ehrlich" geschildert sind, ohne Sensationsgeheische, immer mit Selbstironie, aber auch ohne falsche Scham. Schonungslos, heißt das, glaube ich.

Zuletzt habe ich ihr Soloalbum "Vermillion Border" gekauft. Sehr hübsch, sehr witzig, und es bringt das Kunststück fertig, auf einem Stück Jack Bruce gemeinsam mit Mick Jones ("The Clash") spielen zu lassen. "The Cut", das erste Album der Slits, war das zweite Punkalbum, das ich gekauft habe (das erste war "The Scream" von den Banshees), und viel habe ich ja nicht gekauft, wg. Geld. Ich bin also schon sehr lange Fan, länger als ihr ausrechnen könnt - und ich mag Ms Albertine jetzt sogar mehr als damals.
Mich übrigens auch.

>>> Geräusch des Tages: Viv Albertine, Live, 2011

Radau | von kid37 um 22:37h | 15 mal Zuspruch | Kondolieren | Link