Montag, 16. Juli 2012


Wolken ziehen vorüber

Erste Meldungen erreichen mich, es solle mal heitere Abwechslung sein zwischen all den toten Tieren und morbid-medizinischen Betrachtungen. Also, ich könnt' ja noch stundenlang! Die frohe Botschaft des Tages lautet: Heute konnte ich bereits freihändig auf dem Trimmrad fahren.

Um also Abwechslung in meine weiterhin leicht anthrazitgefärbte Stimmung zu bringen, schaute ich aus meiner kleinen Kaurismäki-Bibliothek Wolken ziehen vorüber von 1996 mit der wunderbaren Kati Outinen. Schönstes Zitat: "Das Leben ist kurz und traurig. Freu dich, solange du kannst."

Ilona (Outinen) und ihr Mann Lauri stemmen sich (nebst Hund) gegen die Arbeitslosigkeit und weitere Tücken eines ebenso nüchtern wie unbarmherizg wirkenden Schicksals, trotzen dem sozialen Abstieg mit stoischer Würde, verlieren Job, Auto, Geld, Wohnung und Möbel, nicht aber sich selber. Wieder einmal stelle ich fest, Kaurismäkis Versöhnungsszenen gehören zu den schönsten des Kinos. Wortkarge, selbstinszenierungsfreie Feststellungen getreu der Eisbergtheorie, nachdem Neunzehntel des Ereignisses unsichtbar bleiben. Das kaum noch gebrauchsfähige Wort der Unverlogenheit möchte man ja fast nicht mehr benutzen.

Musik, Ausstattung und Fotografie sind wie immer makellos, ebenso präzise gesetzt wie die Dialoge, mit denen sich das Personal schwärzeste Wahrheiten ohne tiefere Verletzungsabsicht entgegenwirft. "Du bist zu alt." - "Ich bin 38." - "Eben. Du könntest jederzeit abkratzen." Ein Film als poetischer Kommentar zur Krise und zu einer tiefen Liebe, die sich als sachliche Zuneigung tarnt.

Super 8 | von kid37 um 01:59h | 8 mal Zuspruch | Kondolieren | Link