Mittwoch, 25. Juli 2012


Morbid Anatomy



Wenn etwas sexy ist, dann Menschen, die wirklich was aus ihren Leidenschaften machen. So wie Joanna Ebenstein, die mit ihrer Energie und Faszination für Schönheit und Tod sogar die Erlaubnis erhalten hat, im Wiener Josephinum zu fotografieren. Was ein wenig ungerecht ist, denn ich war dort zuerst, sprach aber offenbar nicht so charmant vor.

Joanna Ebenstein jedenfalls betreibt das Uber-Blog Morbid Anatomy, ein virtuelles Wohnzimmer zu Kunst, Tod, Medizin und Kultur, kurz Abgründiges, Merkwürdiges und bizarr Anmutiges. Ganz so virtuell ist diese Begegnungsstätte aber nicht, denn Ebenstein hat in Brooklyn (das ist in New York, falls ihr euch fragt) Räume bezogen und dort ein kleines, munteres Museum und eine Bibliothek eröffnet. Ein schmucker Ort für Vorträge, Lesungen, Kunst und Studium. In der Minidoku erläutert Ebenstein angenehm unprätentiös, aber mitreissend ihre Faszination und Begeisterung für ihr ungewöhnliches Thema, ihre Vision von einem Ort für Wissenschaft und Kultur. "I loved animals, i loved them dead, I loved them alive", zaubert sie Kindheitserinnerungen als Gegensatz von Leben & Tod strahlend unter einen Hut, seziert die Idee naturhistorischer Sammlungen und Wunderkammern und überträgt dieses Konzept von Sammeln und anschaulicher Transformation sehr inspiriert in eine Zeit, die biologische und kulturelle Phänomene ja zusehends technisch abstrakt im Nanobereich zwischen Zelle und Cell-Phone begreift.

Die Dokureihe The Midnight Archive hat noch ein paar mehr sehr hübsche Beiträge zu dunkelromantischen Themen von Grand Guignol bis Automatenpuppen. Mal was für den regnerischen Abend, während man auf eine Diagnose wartet oder einfach nur so.