Freitag, 13. April 2012


Avec Maman

Sick people die of the need
of companionshsip,
a stroking hand,
a hungering for compassion.

(Louise Bourgeois über Cell I)



Seit Wochen entzückt die neun Meter hohe Bronzespinne auf dem Platz zwischen der Neuen und der Alten Kunsthalle in Hamburg, Louise Bourgeois' Maman, eine wuchtige Mutter, die über der Stadt ihre Fäden webt. Schönes Ausflugsziel also für Mütterchen Kid, so mein Gedanke, als diese zu Besuch in der Hansestadt war.

Kurz hatte ich Bedenken, ob das Hauptwerk der Ausstellung, wirklich so passend für den Anlaß war. "Passage dangereux" ist eines der größten Installationen aus der Werkreihe Cells (Bilder). Vergitterte Räume, die gefüllt sind mit Objekten wie Spiegel, Stühle, rostigem Tand, zusammengeführt als Transiträume von Kindheit, Trauma, Tod, Sex und Einsamkeit. Da liegen verschieden große Glaskugeln auf Stühlen wie in einer Familienaufstellung, sind die abwechselnden Ausbuchtungen und Erker der Gitterverschläge wie Wohnräume gestaltet, man erkennt ein Bad, ein Kinderzimmer, einen Wohnraum, ein Schlafgemach. Mutter aber ist interessiert, drängt sich nah an die Käfige, um einzelne Gegenstände zu identifizieren, stellt Fragen, die ich adhoc auch nicht beantworten kann (für die das Buch The Secrets of the Cells aber ganz hilfreiche Hintergrundinformationen bereitstellt). Ebenso interessiert betrachtet sie auch die handwerklichen Fähigkeiten in der zweiten Werkgruppe, zusammengenähte Stoffbilder, teils abstrakt, teils mit Spinnennetzen (plattgedrückte Regenschirme?) versehen, teils als Gebrauchsgegenstände wie Schutzhüllen für Bücher gestaltet.

In einem weiteren Raum (insgesamt ist die Ausstellung sehr klein), versuchen wir halb-abstrakte Bilder zu deuten, auf denen sich liebende Paare, träumende Föten und schwingende Äste begegnen. Mutter erklärt, was sie sieht, dort ein Kopf, hier eine Tämnzerin. Ich sage, das sind doch medizinische Aufnahmen, erkenne Nervengeflechte, Darmgeschlinge, hier der Magen, dort die Gallenblase, die Bourgeois war da bereits über 90, erkläre ich, sicher mußte sie mal zum Arzt. Mutter meint, sie hätte Lust auf einen VHS-Kurs, selber was malen.

(Louise Bourgeois, "Passage dangereux". Hamburger Kunsthalle. Bis 17.6.2012)

>>> Rainer Crone, Petrus Graf Schaesberg. Louise Bourgeois: The Secret of the Cells. München, London, New York: Prestel, 2008.)