Freitag, 3. Februar 2012
If you were born on October 23-28 [...] your first order of business should be to take steps to take good care of your health. [Q] Die Sterne funken mir durch die Lebensplanung, und Saturn, die bleierne Bremse, kann sich gleich mal gehackt legen. Unangemessene Überraschungen jedenfalls hatte ich genug. Denn eigentlich wollten "wir", in diesen medizin-majestätischen Pluralis will ich das Sondereinsatzkommando aus Arzt und Patient mal locker zusammenfassen, wollten "wir" also endlich mit der Behandlung beginnen. Aber, Uranus, dieser Ü-Ei-Planet, zog ein neues Kaninchen aus dem Zauberhut. Denn nebenher hatte meine Ärztin mit einem Kollegen noch lange über dem mittlerweile auf Bibelformat (gut, Neues Testament) angeschwollenen Stapel Bilder gehockt, und - drei Mediziner, vier Meinungen - eine neue Idee entwickelt. Man denke mal nicht, nur ich hätte Schwierigkeiten, mich festzulegen.
Mein Lieblingswort in den letzten Monaten wurde ja "atypisch". Atypische Symptome, atypische Signale, atypisches Verhalten. Kaum hatte man einen Sinnzusammenhang gemäß ICD oder sonstwie überlieferten apokryphen Diagnosekriterien erstellt, grätschte irgendwas aber so was von atypisch (wahlweise: unsymptomatisch) dazwischen, daß es gestern wie im Film hieß: Alles auf Anfang. Dieser Schatten dort, und meine Ärztin kringelte um dieses längliche Gebilde, sei "atypisch groß". Eine Bemerkung, über die man sich als Mann normalerweise freut, aber da wo es sitzt, ist es wirklich zu nichts nutze, außer mich einzuschränken. Wieder kringelte und zeigte sie auf die großformatigen Schwarzweißausdrucke, die mich mehr und mehr an das Grabtuch von Turin erinnern. Wobei ich denke, dessen wolkiges Geheimnis ist sicher leichter gelöst als die Interpretation meines magnetresonanzdokumentierten Innenlebens.
Nun also, ich hatte mich schon halb an die erste Diagnose gewöhnt, wollte ihr bald auch das "Du" anbieten, eine neue Spur: Ein "seltenes" So-und-so-Syndrom, also "möglicherweise", im Internet nachlesen solle ich mal lieber nicht, aber "das läßt sich alles behandeln!" Nun sind die Zeiten, da ich mir von Frauen alles ergeben erzählen lasse, lange vorbei, so hakte ich nach, verlangte gar nach einer genauen Erklärung. Die Antwort lehrte mich, daß man in einer guten Arzt-Patienten-Beziehung wie in einer Ehe vorgehen sollte: Längst nicht alles will man wirklich wissen.
Betrüblich, denn wie heißt es so schön: "Freude ist nur ein Mangel an Information." Mittlerweile, das bleibt aber unter uns, bin ich ein wenig mürbe geworden. Diese Krankheit benimmt sich zusehends wie eine zickige Frau, der man hier und da im Leben begegnet. Erst heißt es, man sei eigentlich zu alt, dann bleibt man aber doch, dann weiß man wieder nicht, taucht ab (möglicherweise lockt irgendwo ein im Inneren schönerer Patient) oder will dann doch erst mal sichergehen... Man hört sich das eine Weile an, haucht auf seine Fingernägel, hält sie gegen das Licht, putzt die Brillengläser, obwohl sie es gar nicht nötig hätten, bis man irgendwann einfach selbst die Zügel in die Hand nimmt, seinen Hut in die andere und sagt: Adieu, Chérie, war schön mit dir, aber irgendwie auch anstrengend.
Ich meine, es nicht so als seid nur ihr von dieser Geschichte gelangweilt.