Montag, 26. Dezember 2011


Kein gutes Weihnachten für alte Männer



Eigentlich sollte Weihnachten ja so aussehen, ein bißchen bunt, ein bißchen nostalgisch, ein bißchen voller Zauber. Nun geht es aber Prinz Philip nicht gut, gar nicht zu sprechen von Jopie oder mir jetzt. Kein gutes Weihnachten für alte Männer. Waren im Herbst noch die Ärzte pragmatisch-pessimistisch und ich der Optimist, ist es jetzt eher andersherum. Die Ärzte wissen aber auch nicht alles. Weil ich manches für mich behalten habe, denn schweigen kann ich auch. Ich warte jetzt erstmal ab, und wenn, dann ist es eben so.

Am Weihnachtstag vor 55 Jahren ging Robert Walser in den Wald, ein wenig spazieren, und kehrte bekanntlich nicht zurück. Heuer liegt kein Schnee, es konnte also nichts passieren, als ich reichlich wacklig ein paar Schritte um den Block wagte, feuchte Luft und diesiges Licht atmend, Sehen, solange man noch Sehen kann. Ein bißchen mit den Geschenken spielen. Zu Walser war der Umweg zu den Filmen der Brüder Quay nicht weit, haben die sich ja auch einmal an Jakob van Gunten gewagt. Ich hatte die Sammlung schon mal auf VHS, aber die Doppel-DVD-Edition des British Film Institute ist doch ein wenig praktischer. Letztlich aber nur Augenfutter, an ihr großes Vorbild Jan Svankmajer reichen die Zwillinge dann doch nicht heran. Die heruntergekommen Settings aber passen zur ganz großartigen Francesca Woodman, eine dieser frühvollendeten (und leider, mit 22, auch früh verstorbenen) Fotografinnen. Ihre oft verhuschten Bilder über Verschwinden und das sich-Auflösen sind trotz des jugendlichen Alters der Autorin häufig sofortige Klassiker mit ihrer nebulösen, melancholischen, sehr ernsten Atmosphäre. Der Bildband ist jetzt neu aufgelegt worden, eine gute Gelegenheit für einen Einstieg in dieses zwischen unfertig, tastend und genial flirrende Werk.

Väterchen Kid schickt eine Sammlung alter Bakelitschalter, vielleicht sollte ich sie gleich in Kniehöhe anbringen, könnte noch sinnvoll sein. "Die späten Ängste großer Jungs" lautet der recht passende Untertitel von Joachim Seidels Himbeer Toni. "Altpunk kriegt die Wehen - wer nicht mehr gut hören kann, soll lesen", wird Frank Schulz zum Buch zitiert. Werde ich notfalls mit dem Fadenzähler hinbekommen. Statt eines bunten Tellers machte ich mich endlich mal an Die Regenschirme von Cherbourg, die ich aber, es mag meiner Stimmung geschuldet sein, ein wenig anstrengend fand. Dabei ist der Film sehr gut, tolle Musik, tolle Farben, ein hübsch melodramatische Geschichte. Mir war nur nicht nach Gesang zumute, lag ich doch eher wie der selbstmitleidige Gregory Peck in Schnee am Kilimandscharo auf der Pritsche, den eigenen Erinnerungen an die Liebe und das Leben nachhängend.

In meinem Zimmer hängt nun eine fleischfressende, obszöne Sackpflanze. So nenne ich sie einfach mal. Melde mich ab. Ist spät jetzt. Muß noch meine Übungen machen.