Dienstag, 15. September 2009
Beim letzten Mal im Juli fehlten am Ende vier Zähne - und eine Menge Antworten. Die Wiederholung sollte bitteschön entspannter werden. Und bis auf die freundlichen Kontaktsbereichbeamten, die schulterpolsterfrei durch die Angebote schlurften, waren diesmal im Vorfeld keine Kampfeinheiten in Sicht. Putzig fast das Kamerateam auf dem Balkon einer Anliegerwohnung, das mäßig unauffällig mit dickem Equipment die Besucher filmte. Ich mache ein Bild von der Hausfassade, ein Kollege auf dem Balkon stupst den Kameramann an, macht ihn auf mich aufmerksam. Der schwenkt herum und richtet sein Objektiv auf mich. So filmen und fotografieren wir uns eine Weile gegenseitig, schöne neue Überwachungswelt. Ich bedaure, nicht wie Herr Giardino ein Schild hochhalten zu können. Ein ganz normales Pärchen, Typ Mittvierziger Flohmarktgänger, spricht mich an, die beiden sind halb empört. Auch sie sind genervt von diesem Überwachungswahn, das Thema ist in der "Mitte" angekommen. "Vielleicht bloß ein TV-Team", sage ich und zwinker mit dem Auge. "Nee", meint der Mann und lacht. "Dafür fehlt der bekiffte Blick".
Ach, diese Jungs immer mit ihrem Spielzeug. Ich weiß noch, damals in den 80ern, wie auf irgendwelchen Friedensdemos sich so Staatsschutzmilchbubis an die Wand und in Hauseingänge drückten und verschwörerisch und wahnsinnig unauffällig in ihre beigefarbenen Windjacken mit Strickbündchenärmeln flüsterten - dort, wo klobiges Sprechfunkgerät den billigen Stoff auswölbte. Niemand konnte das alles ernst nehmen. Ich meine, Strickbündchen!
Schön war's. Zwischen den Flohmarktständen, Bücher- und Plunderbuden reihte sich verführerische internationale Imbißkultur, irgendwo probierte ich eine südamerikanische "Revolutionsspeise". Interessant, sage ich mal, aber meine Truppen würden mit einem ordentlichen Käsebrot im Tornister zum Marsch aufbrechen. Ehe aber die Krawalleros kommen, dann lieber weiter, einer anderen Nacht und anderen Freiräumen entgegen. Den Pulsschlag spüren.