Donnerstag, 3. April 2008


Your Love is a Deserter

I want you to be crazy 'cause
you're boring baby when you're straight

(The Kills, "Cheap And Cheerful")

Man muß nichts erkennen. Man muß es schon spüren wollen.

Heiße Luft, wir bleiben beim Thema, gibt es auch in den Hamburger Rockclubsschuppen aus dem Niedrigdeckenbereich. Die Laune eher bodennah, schleppe ich mich nicht allzu erwartungsfroh, aber aufgeschlossen in eine Art Übernachtungsheim für H&M-Punks. Jungs in geringelten Hemden, Mädchen mit geringelten Schals, wunderlich, denke ich, allzu wunderlich. Ich dachte, niemand wäre so wie ich. Kurz läuft Jamie Hince an mir vorbei, die Kills geben sich volksnah. Ich blicke ihm kurz in die Augen, dem Mann, der Kate Moss die Innenseite der Ellenbeugen küßte, wünsche ihm Glück fürs Konzert und unterdrücke in letzter Sekunde den Impuls, ihm dreimal über die Schulter zu spucken. Ich spiele ja kein Theater mehr. Also nur noch drei-, viermal im Jahr.

The Kills fangen zu meiner Seniorenfreude pünktlich an, das Leben ist endlich und Warten so 2007. Aber die Kills vertrösten nicht, die Kills sind zärtlich. "The Good Ones" stampfen von der Bühne, der Raum ist dicht gepackt, fast rauchfrei, aber auf einmal gut gelaunt. Alison Mosshart zeigt, wozu Frauen unbedingt lange Haare brauchen, sie preßt, haucht und stöhnt ihre Zeilen ins Mikro, flirtet mit dem Publikum, sichtlich angetan, sichtlich bei sich. "U.R.A. Fever" - das Duo füllt alle Poren mit Lärm, mit Schweiß, mit der Hoffnung auf Liebe, mit Sehnsucht, ja, die verdammte Sehnsucht, und hingefetzten Alltagsmomenten. "We ain't born typical" - wir verlernen nur, das Besondere zu schätzen.

Zur Zugabe zündet Miss Mosshart sich eine Zigarette an, schmust mit dem Mikro, lächelt ins Publikum, lächelt mich an, aber darauf falle ich nicht herein. Keine Menschen mehr, die nur auf Tournee durch mein Leben sind. Sie wird es verkraften, ich sowieso. "Fried My Little Brains", zehn Minuten, Hauptsache, das Herz kommt heil da raus. Staub abwischen, Rost entfernen, Pflaster drauf. Draußen pumpt das Lüftungsrohr eine Wolke Glitter auf die Straße. Drinnen bleibt ein Dreiklang aus Schlamm und Blut und einem aufrichtigen Hallo. "Get the guns out, get the guns out. Your love is a deserter."

>>> The Kills mit No Vow, wo sie ein bißchen wie zwei Blogger aussehen. Warum auch nicht.

Radau | von kid37 um 13:37h | 20 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 



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Mit heißer Luft sind nur Ballone weit geflogen.

[aus meinem Buch: Sind das Schuppen in meinen Augen? Panik & Sentenzen.]

| von kid37 um 13:00h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link