Montag, 16. Juli 2007


Chics on Prickelwasser

Ist auch schon über zehn Jahre her, als die Modefotografie, angeregt womöglich durch die Bildwelten einer Nan Goldin oder eines Wolfgang Tillmans, mit dem Heroin chic eine Welle lostrat, die eifrig aus dem häßlichen Fundus einer reichhaltigen Gossenmetaphorik sich bediente, während die Protagonisten zumindestens noch vorgaben, Evian als einziges Stimulans an ihren Körper zu lassen. Kokett also, Fake, und immer schon zweifelhaft, was das "Ausbeuten" von oben und das "Nachahmen" von unten anging, aber das ist halt das Los jeder noch so schäbigen Subkultur. Blogger werden das auch noch erleben. Demnächst dann auf den Catwalks von Mailand und Paris.

Zehn Jahre später, Kate Moss ist immer noch dabei, inszeniert die Mode endgültig ihre eigene Welt, statt mit grobem Rechen die Straßen nach dem shocking moment abzugrasen. Die Spirale hat sich weiter gedreht, nun sind es die Eskapaden der Models, die der Inszenierung die Themen vorgeben, selbstreferentiell, meta-metaphorisch kurz vor dem Umkippen aus der selbstverschuldeten Langeweile wie es den meisten abgekaspelten Welten droht. Blogger werden das auch noch erleben.

Erstmals ist der Zusammenbruch schick, die Klinik noch schicker, und das gefallene Sternchen soll als neuer, besserer Mensch wiedergeboren werden. Die Medien ersetzen den Beichtstuhl und die Anstalt das Purgatorium oder zehn Ave Marias, je nachdem. Der Mainstream-Erfolg einer Amy Winehouse mit "Rehab" ist nur der bescheidene Soundtrack, und Mode wäre nicht der unbekümmerte Spiegel, würde sie den selbstgeschaffenen Trend nicht gleich wieder um- und zurückdeuten. Steven Meisel, Hausfotograf der Vogue, dessen Werk in meinen Augen zwischen haarscharf genial und Krach-vor-die-Wand oszilliert, hat für die italienische Vogue eine Strecke abgeliefert, die alles zugleich ist: zitatreiches Spiel, lustige Parodie und zeichenreiche Referenz. Der Rehab-Chic ist gleichzeitig oberflächlich und dumm, im Grunde ein zynisch bis bissiger Kommentar zu den off stage-Fotos von Britney, Paris, Kate & Co., die sich allen in den letzten Monaten ins Hirn gebrannt haben. Das Spiel mit dem Spiel der Selbst-Inszenierung, der höschenlose Ausflug hinter Glas und Gitter als folgenlose Fummelparade und weiterer Ausverkauf. Blogger werden das auch noch erleben.

Die Fotos sind ein starkes Stück, das vorerst letzte Aufbäumen postmoderner Zwinker-Ironie. Morbide sexy allemal. Und gelacht habe ich schon.

via Foto Decadent