Samstag, 24. Februar 2007


Do you, Mr. Jones?

Die Dummheit manchmal. Die eigene natürlich vorneweg. Der Typ, der mir eine dreschen wollte, immer nur virtuell natürlich, wir sind ja im windbeuteligen Metaphernland, drischt auf einen anderen ein. In fast exakt denselben Worten und mit den psychologischen Untergriffen, die er bei mir versuchte. Wie ein mühsam einstudierter und nun immer und immer wiederholter Judogriff. Kurz Schwierigkeiten verspürt, die Verblüffung aus dem Mundwinkel zu krümeln. Der meinte es noch nicht mal persönlich! Der macht das immer so! Kurz einen Hauch von Empörung verspürt (wären diese Empörungsblogger nicht so absolutely yesteryear). So wenig bin ich also wert.

Dann wieder Dylan gehört und ein bißchen mitgesungen, hätte man vor Jahren auch nicht gemacht, weil der Mann so yesterJahrhundert war. You say you're lookin' for someone/Who will promise never to part,/Someone to close his eyes for you,/Someone to close his heart,/Someone who will die for you an' more,/But it ain't me, babe... was für ein Glück, aus dieser Nummer raus zu sein. Die meinte das ernst, ich aber auch.

Das langsame Abschiednehmen. Nicht wie Henry Maske mit dem Time to say dingsda und dann doch aber wieder und vielleicht. Ich kündige mir selbst und ziehe in einen Baucontainer. Möglicherweise ist diese Stadt auch einfach "durch". Ich bin sicher eh mehr so ein Typ für die Provinz oder ganz was anderes. Alles verschenken vielleicht, die Bilder, den Plunder, die Geräte, drei, vier Paar schöne Schuhe behalten, den Koffer mit den Manuskripten, ein paar Träume auch, und dann far, far away wie es in der C&A-Reklame bei Slade heißt.

Das Gefühl haben, irgendwann doch eine entscheidende Abzweigung übersehen zu haben. Und nun immer kämpfen, nun immer gezwungen sein, der Stimme aus dem Navigationsgerät zuhören zu müssen, wie sie ruft, Jetzt abbiegen, immer wieder, wie ein Adler, der jeden Abend angeflogen kommt, um ein Stück meiner Leber zu fressen.

Laß uns über Bewegungslosigkeit reden. Natürlich bin ich nicht an Felsen geschmiedet, das wäre ja vermessen. Wer sollte so böse zu mir sein? Niemand außer mir selbst. Dann bliebe der Gedanke, ein paar Dummheiten eben nicht gemacht zu haben. Und das entsprechend zu bedauern. Zu Heiraten, weil die Sonne schien. Kinder in fremden Ländern gezeugt zu haben, weil man die Sprache nicht verstand und das Fuchteln der Väter und Brüder im Rückfenster für fröhliches Winken hielt.

Nicht immer und immer wieder laut wie Dylan Honey, I want you gesungen zu haben, im Morgengrauen nach einer sehr langen Nacht, wenn die ersten Strahlen der Sonne über leere Flaschen und vergessene Unterwäsche streift. Überhaupt, die Nacht so lange vergessen zu haben, weil man immer früher und öfter müde wird. Vor der Zeit.

Vor der Zeit auch den eigenen Tod zu besingen, während andere ihre Bäume pflanzen, ganze Wälder gar, in denen man höchstens als alter Mensch noch wandern kann, ein welker Gast, der staunend das Wachstum begafft, wehmütig natürlich auch. Ergriffen vielleicht von der eigenen Dummheit. Dem Trägen, der ewigen Entschuldigung. Dem Vorschieben von Krankheit, Armut, Nicht-Wissen- und Nicht-Glauben-Wollen.

Und die ach-so-oft zitierten Zeilen, das natürlich wahre Everyone I know goes away/In the end immer viel zu früh gesungen, als vorausgelebtes und nicht ausgelebtes Leben, das das Ende kennt, ohne den Anfang je gewagt zu haben.

Als letzte Lösung natürlich auch die letzte Lösung haben. Vielleicht Gründe vorschieben. Wie Ausschlag, der nicht heilen will. Das Stirnrunzeln der Ärzte, die Ungerechtigkeit auf irgendeinem kleinen Amt. Die Feigheit auch, wenn man liest, was andere buckeln, Tag für Tag. Sich schäbig fühlen, weil man das einfache nicht begreift. Etwas passiert hier gerade, und du weißt nicht, was es ist, nicht wahr, Mr. Jones?

Dann Schuld verteilen. Die Menschen, die nicht folgen wollten, wenn man goldene Tore aufgesperrt, diamantene Versprechen verteilt, sich selbst abgewandt hatte von den plumpen Spielen, dem Blut, den gefühligen Erpressungen. Und sei es nur, weil man einst selbst als ungeschlagener Champion diese Sportart verlassen hat. Einst. Wie alt war ich da? Da muß ich rechnen, aber ich bin sicher, Alexander hatte da schon ganze Völker unterworfen und die halbe Welt erobert.

Meine Mutter sagt, Die Flucht, das schaue ich mir nicht an. Ich war ein kleines Kind und ich habe schlimme Dinge gesehen, aber ich habe den Krieg "in schöner Erinnerung", das lasse ich mir nicht nehmen. Kindliche Abenteuer, Wars that I have seen. Die Brüder, eine dieser Anekdoten, verbummelten die Abfahrt, stahlen ein Ruderboot und ruderten der Fähre hinterher, die längst schon abgelegt hatte, um über die Ostsee zu entkommen. Aufgefischt, mußten sie antreten vor dem Kapitän, zum Rapport. Die sieben Kinder kamen alle an, aber ich viel später, ich habe Mutwilligkeit in der Ostsee gehaßt.

Im Vergleich dazu, was, bitte schön, ist das bißchen Blut, der angerostete Traum, den man, nicht man, also ich, vor sich herschiebt, hochhält, kläglich, wie eine verblichene Fahne, auf der nur noch das Wasserzeichen "Gescheitert" deutlich sichtbar hervorsticht? Wass'n ditte? Nüschte nix. Die eigenen Kriege, ach bitte, mach mir halt den Prozeß, wir schenkten uns doch nichts, und später dann, das wird dich nicht trösten, hat dich eine andere gerächt. Jetzt abbiegen, rief sie, ich blieb aber still, wie festgeschweißt, denn ich kannte den Weg ja schon.

Ihr lest hier alle schon viel zu lange mit. Das ist das Problem. Morgen kaufe ich Zigaretten. Heimlich werde ich Vitriol auskippen und zusehen, wie sich das Blog langsam von hinten auflöst. Stück für Stück. Dann wird endlich eine Ruhe sein.

Leave at your own chosen speed.