Dienstag, 24. Januar 2006
Natürlich hat man das in Berlin alles schon gesehen. Mööönsch, Berlin, alles schon gesehen! Für die zurückhaltende Hansestadt war eben gestern erst Preview für große Dinge auf größeren Leinwänden: Matthew Barneys Cremaster Cycle wird im Februar in allen fünf Teilen im Hamburger Abaton-Kino gezeigt.
Vor Jahren sah ich Teile von Cremaster 3 in Köln, danach kreuzten nur noch Fotos und Gerüchte der übrigen Teile meine interessierten Wege.
Der US-Amerikaner Matthew Barney wird dieses Jahr auch in der Jury der Berlinale (Möööönsch, Berlin, wieder!) sitzen, ist einem akustisch interessierterem Publikum aber als Künstler und Ehemann von Frau Gudmundsdottir bekannt, einer leidlich auffälligen Sängerin aus Island.
Der erste Teil von Cremaster zeigt Schuhe von Manolo Blahnik und tanzende Weintrauben. Die fallen aus dem Schuh, während auf einem Footballfeld die Modenymphen Formationen bilden. Ganz toll, dauert nur 40 Minuten und wenn es draußen so kalt ist wie jetzt und im Kino dunkel und warm, dann kann man auch schon mal fünf Minuten entschlummern, ohne viel zu verpassen.
Jedenfalls begann dann ansatzlos Teil 2.
Da wird viel Transformiert und Metamorphosiert und schräge amerikanische Pop-Helden durch monumentale Landschaften geführt: Gary Gilmore (kennt noch jemand die Adverts?) und Harry Houdini (gespielt von Norman Mailer) werden zu Szenen aus Mailers The Executioner's Song vom Mormon Tabernacle Choir besungen, während eine Bienenkönigin dem Entfesselungskünstler unsittliche Anträge macht. Heben und Senken eben. Ach ja, Sex mit einem, nennen wir es mal, "Wesen, gibt es auch. Schön, schön, denkt man und wahrscheinlich voll mit tieferen Gedanken, während man andererseits den Eindruck hegt, hier Material zu sehen, das bei David Lynch und Peter Greenaway links und rechts vom Schneidetisch gefallen ist. Aber schon stark und hingabefordernd, wie es sich für große Kunst gehört.
Leider war ich ohne Filz und Honigpumpe im Kino, so daß gegen Ende - just als man es liebgewonnen hatte! - doch ein Frösteln und ein begehrliches Schokoladerascheln durch die Reihen ging.
Wie es weitergeht, zeigen Teil 3 bis 5, für die man aber noch bis Februar warten muß. Halbnackte Frauen, fantastische Charaktere, schräge Kostüme, symbolkräftige Bilder und irrwitzige Dekors halten dann aber jeden wach.
(Matthew Barney, Cremaster Cycle ab 5. Februar 2006 in Hamburg, ab 1. März 2006 in Suttgart, ab 12. April 2006 in Frankfurt)