Montag, 14. Februar 2005
Jose Guadalupe Posada, Calavera de Artistas y Artesanos
Alle halbe Jahr mal telefoniere ich mit meinem Vater. Man könnte sagen, wir haben sporadischen Kontakt, dann aber ausführlich. Unter vier Stunden geht so ein Gespräch selten, denn zuviele Dinge können und wollen besprochen sein. Man fängt bei technischem Gerede an, kommt vom Hölzken aufs Stöcksken, wie es bei uns in der Gegend heißt, streift das Anekdotische, redet dann ein bißchen aneinander vorbei, landet am Ende bei den Frauen und schließt mit den besten Wünschen für die gegenseitige Gesundheit.
Neulich kam ja das bergische Apfelpaket und so war es dann Gelegenheit, kurz telefonischen Dank auszusprechen. Nach Stunde vier und Themen wie "Haltbarkeit von Archivmaterial", "Digitalisierung bei Fachkameras" und "Da ist doch neulich so eine Bude abgebrannt..." (Was für 'ne Bude? - Na, im Osten. - ??? - So ein Buchlager oder was. - Bibliothek? - Na klar, so eine ganz berühmte Bibliothek, mein ich ja. - Anna Amalia??? Das ist doch kein Buchlager!) fragte er mich plötzlich nach meiner Rente. "Du legst doch was zurück?"
"Ich habe kürzlich für 60 Euro CDs gekauft, diesen Monat nicht mehr, haha."
Dann hörte er sich geduldig mein Lamento ("Wie, Studienjahre gelten nicht mehr?" - "Sozusagen unterm Hintern weggezogen." - "Bestimmt von diesem Fischer. Na, seit der keine Turnschuhe mehr trägt...") und meinen dystopischen Ausblick auf die Greisenjahre an - und kam dann mit einer brillanten Idee.
"Weißt du, was ich an Deiner Stelle machen würde?" - "Na, jetzt kommt's..." - "...wenn ich noch mal so jung wär wie du..." - "Wenn ich noch mal jung wäre, ja." - "Dann wüßte ich genau, was ich machen würde."
Und dann legte mir mein Vater seine vitalistische Grundversorgungstheorie dar. Man muß dazu sagen, daß Väterchen Kid, nach allem, was man so hört, in seinen jüngeren Jahren kein Kind der Traurigkeit war (anders als sein Erstgeborener jetzt). Nicht nur, daß er hier und da mit Bata Ilic (Bata Ilic, Leute!) einen trinken war, seine Cabrioausflüge führten in auch Ende der 60er immer wieder nach Südfronkreisch. Und einmal - und das hielt ich immer für Aufschneiderei, bis ich Indizien fand, die diesen Bericht stützen - war er auf einer Party auf der Yacht von Brigitte Bardot. Ich weiß nicht, ob BeBe davon weiß, aber es war die Zeit, als auch die Stones da unten rumlungerten, viel Tee tranken und merkwürdige Platten aufnahmen, die nie erschienen, weil toujours soleil und französische Camperinnen und überhaupt alles recht locker.
Ist auch egal, erzähl ich ein anderes Mal. Das nur als Hintergrund. Der Plan des alten Schwerenöters: "Du kannst dich doch benehmen und hast viele Bücher gelesen - Mensch, da würde ich doch 'ne Kreuzfahrt machen!" - "???" - "Na, nicht da, wo dieser Sascha Hehn kellnert mit seiner komische Frisur da. Da, wo die reichen Frauen alle mitfahren, diese Witwen mit Geld - und dann angelst du dir eine. Ist doch ganz einfach. Oder du fährst in so einen Kurort da bei dir, na wie heißen die, Bad Doberahn oder Heringsdorf oder Bad Oeynhausen, egal..."
- "Als professioneller Kurschatten?" - "Ja, genau. Ein bißchen tanzen..." - "Ich übe gerade den Schnappi-Tanz..." - "Was?" - "Ach, egal. Ist so ein Lied. Erzähl weiter." - "Ja, was meinst du, so einsame Herzen, dick mit Schmuck behangen. Mußt nur darauf achten, daß die Handtaschen keine billigen Kopien aus dem Urlaub sind."
"Hm. Klingt ein bißchen zynisch." - "Ach was, die Frauen haben da doch selbst Spaß dabei. Meinst du, die durchschauen das nicht?" - "Wahrscheinlich schon." - "Siehst du. Eure Generation ist aber echt komisch. Immer dieses Gegrübel. Die wissen doch nicht wohin mit dem Geld. Und amüsieren wollen die sich doch schließlich auch." - "Hm. Ausgerechnet mit mir?" - "Ziehst du dir halt mal ein buntes Hemd an. Und ab und an fragst du nach einem Scheck..."
Herr Sakanachan - kann ich mir wohl mal gelegentlich eine Ihrer berühmten Krawatten leihen?