Samstag, 2. Oktober 2004


Liebe im ICE

Seit kurzem nutze ich an den Wochenenden öfter mal die Fahrdienstleistungen der Deutschen Bahn. Man könnte fast sagen, ich sei eine coole Sau, denn ich hab' jetzt Bahncard. Tolle Sache, bis ich feststellte, daß ich mit Surf&Rail günstiger weg- und auch wieder ankomme. Aber ich liebe den Nah- und auch den Fernverkehr, und am schönsten ist es natürlich, wenn man sich aus der Ferne ganz nah kommt.

In den Zügen verliert man nicht den Kontakt zu seinen Mitmenschen, das bereitet mich auf kommende Prüfungen vor, die unter anderem lauten könnten: "Bald stelle ich dich meinen vierzig engsten Freunden vor." So etwas erfordert eine besondere Art von Stamina, die sich der soziophobe Mensch am ehesten am öffentlichen Orte erarbeiten mag.

Der völlig leere ICE-Waggon war für diese Aufgabe nicht hilfreich, mir aber äußerst angenehm. Ein wenig einsam vielleicht, während draußen die Nacht hereinbrach. Doch dann umfing mich eine dunkelgefärbte Stimme, die mit leicht österreichischem Akzent durch das Bordsystem säuselte. "Guten Abend", schwang es wie einst bei Elmar Gunsch. "Wir erreichen in Kürze Solingen-Ohligs, vorraussichtliche Ankunftzeit in zwei Minuten. Außentemperatur 13 Grad. Wir wünschen Ihnen alles Liebe in Solingen..." (Es entstand eine längere, melancholische Pause) "... Ihre Deutsche Bahn."

Verblüfft und ein wenig irritiert sank ich derart anmoderiert in meinen ICE-Sessel und hing so meinen Gedanken nach. Wie aufmerksam von der Deutschen Bahn. Wie sanftmütig, gedankenvoll und scheinbar auch ein wenig herzensschwer von diesem so häufig gescholtenen Dienstleister, der sich im übrigen "freuen würde, bald wieder mein Begleiter auf meiner Reise zu sein."

In Solingen hatte ich selbst mal glückliche Stunden erlebt. Liebe muß man es wohl nennen, denn die war auch im Spiel. Das ist lange Jahre her und war nie so ganz unkompliziert, aber ich erinnere mich gerne. Ja, alles Liebe in Solingen.
Das wünschen wir.