Sinken und noch ein wenig tiefer hinab

But the aura around the bed takes
getting used to. In a half-sleep, you actually
feel underwater, in a spooky colour,
turtles and fish circling you.

(John Irving. The Water-Method Man. 1972)



Was mich in Lissabon ja wirklich fasziniert hat - neben vielen dunklen anderen Ecken - war die Unterwelt der Meere. Im Ozeanium auf dem Expo-Gelände kann man ein paar Stunden erleben, die sich buchstäblich gewaschen haben. Die Anlage gilt als die größte in Europa, und spätestens wenn man vor dem gigantischen Aquarium im Kernbereich gestanden hat, ist man bereit, hierin keine Übertreibung zu ahnen. Über drei Etagen führen Galerien rund um den riesigen Tank, in dem Mantas, Haie, Sardinen und Thunfische ihre Runden ziehen.





Die großen Panoramascheiben sind konkav, man kann ganz nahe herantreten und hat für Augenblicke das Gefühl, tatsächlich auf dem Meeresgrund zu stehen, inmitten von Fischschwärmen. Mitunter zieht ein kalt glotzender Hai vorbei, schwingt einer der großen Rochen mit majestätischem Flügelschlag, begleitet von einem Putzerfisch, durchs Blickfeld. Stundenlang möchte man so verharren, die Augen gerichtet ins grün-blaue Licht, völlig gebannt vom stummen, eleganten Fließen und Wogen, das sich vor einem, neben einem, über und schließlich in einem vollzieht. Schiefe Metapher hin oder her: man taucht unweigerlich ein in den Sog des Lichts und des Wassers und all der Fische um einen herum.




Vorausgesetzt man besäße viel Geld oder noch mehr, es gäbe ein Fenster zum Glück: ein solch riesiges Aquarium rings um das Schlafzimmer. Egal wie gequält und zergrübelt man auch in die Kissen fiele, der meditative Blick in die grüne Unterwasserwelt beruhigte den aufgewühltesten Ozean in geplagten Seelen. Moby Dick könnte auftauchen und mit wuchtigem Schlag die Wasser teilen, Haie schössen ungestört in stoischen Bahnen - wie graue Pfeile, satt und beinahe friedlich. Man wüßte nie mehr über sich als man ändern könnte. Man kehrte zurück in das Meer, vom verfluchenden Albatroß zum stummen Fisch, sänke hinab, Augen und Mund mit Wasser gefüllt, und läge für immer still.

Ausfallschritt | 12:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
Lu - Montag, 30. Oktober 2006, 13:10
Ein jeder Reisende behauptet von sich, im größten Ozeanium Europas gewesen zu sein, bei uns war es das in Brest. Liegt es an der Wahrnehmung unter Wasser oder an der Werbung der einzelnen Länder?
Wie und was auch immer, es ist herrlich da, ich stünde über Stunden bei den Quallen (im Schwarzlicht, wie wir früher) und den Haien, würde man mich nicht weiter ziehen.
Und direkt jetzt, im Anschluss, da hab ich dieses Lied im Ohr ...
"I'd like to be, under the sea ..."

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kid37 - Montag, 30. Oktober 2006, 13:28
Oh, ein toller Oktopus war auch da. Der wurde richtig krege, als er mich sah und hat eine kleine Show veranstaltet. Toll. Ich war sofort verliebt. Eight Arms to Hold You um eine Werbung dieser Beatles zu benutzen. Das Ozeanium in Lissabon wurde damals zur Expo gebaut, das ist schon ziemlich groß. Aber nun kenne ich das in Brest nicht. Größe in diesem Fall mal echt egal, auf die Faszinationstechnik kommt es an.

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fishy_ - Montag, 30. Oktober 2006, 18:40
Überall fishyies!
Ach dieses Blau und das sanfte Gleiten durch dieses Element... Wie ich gerade herausfand, war ich im größten Indoor-Aquarium der Welt. Superlativen sind schon was tolles.

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kid37 - Montag, 30. Oktober 2006, 18:49
Wie so oft im Leben bin ich nur Zweiter. Eine still glucksende Welt.

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ana - Montag, 30. Oktober 2006, 19:11
Meinen ersten Sichtaufenthalt in der Unterwasserwelt hatte ich wohl dem Umstand zu verdanken, dass ich im Aquarium von Hurgada wahrscheinlich länger als üblich, die Fische dort beobachtet habe. Der Besitzer des vergleichsweise kleinen, bescheidenen Unterwasserzoos hat mich daraufhin spontan zum Schnorcheln mit Anzug, es war Winter, in den Riffen eingeladen. Seitdem nehme ich ans Meer immer eine kleine entsprechende Ausrüstung mit. Es ist so schön still dort.

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frau klugscheisser - Montag, 30. Oktober 2006, 20:16
Bei einer Begegnung ohne Scheibe ist das alles noch einen Tick kontemplativer. Nur Blubbergeräusche und ab und zu ein Knacken, wenn Papageienfische an Korallen wie an Salzstangen knabbern. Schwerelosigkeit und völlige Ruhe. Das Herz schlägt langsamer, die Bewegungen sind zeitlupenartig. Und die Augen werden nicht nur wegen des Maskenglases größer. Man wird zum Haar in der Fischsuppe. Der ultimative Kick funktioniert auch ohne Fisch.

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fishy_ - Montag, 30. Oktober 2006, 20:27
Respekt. Vorm Tauchen habe ich immer viel zu viel Angst vor Ohrenschmerzen und Panikattacken...

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diagonale - Montag, 30. Oktober 2006, 20:34
Und das bei Ihrem Namen...

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kid37 - Montag, 30. Oktober 2006, 20:34
Ich will auf jeden Fall Fisch. Die verstehen mich.

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fishy_ - Montag, 30. Oktober 2006, 20:48
Peinlich. Ich weiss... Ich liebe Gewässer. Auch plansche ich mitunter knapp unter der Wasseroberfläche und liebe ein warmes Bad in der Wanne. Aber Tauchen...

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l9 - Montag, 30. Oktober 2006, 21:31
Amazing.
Ich vor 1 Woche in Genua. In Genua sagen sie auch, es wäre das Größte in Europa. Egal, groß sind sie alle.


Und ein Gruß aus dem Naturhistorischen:

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kid37 - Montag, 30. Oktober 2006, 23:56
Gruß zurück, halb versteckt der Hai mit dem Schuh, den man in ihm fand. Unter Wasser ist eben nicht nur lustig (wenn man kein Hai ist):


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kaltmamsell - Montag, 30. Oktober 2006, 21:58
In Brighton war ich im angeblich ältesten (wieso klingen Superlative immer nach Minderwertigkeitskomplex?). Und habe junge Rochen GESTREICHELT. Ha.

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kid37 - Montag, 30. Oktober 2006, 23:58
Das ging theoretisch in Lissabon auch. Aber als ich mich auf die Lauer legte, nahmen die Reißaus. Haben wohl vermutet, ich würde einen von ihnen für mein nächstes Tote-Tiere-Projekt unter die Jacke stecken, die schlauen Biester. Sah jedenfalls faszinierend aus. Bei den anderen.

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kaltmamsell - Dienstag, 31. Oktober 2006, 07:25
Ja, in Brighton kamen sie neugierig angeschwommen und streckten den Kopf aus dem Wasser, wer da so honigkuchenartig vor ihrem Basin lächekte. (Wundervolle Fotos übrigens!)

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frau stella - Montag, 30. Oktober 2006, 22:18
Im Botanischen Garten in Flottbek gibt es auch ganz viele Fische.
Karpfen, glaube ich, die da majestetisch ihre Bahnen drehen. Leider kann man sie nicht von der Seite oder von Unterwasser sehen und das Wasser ist auch nicht so schön blau sondern eher brackig, aber dafür kann man ihre Münder sehen und sich vorstellen, wie sich das wohl anfühlen würde, wenn diese einem an den grossen Zehen nuckeln, wenn man die Füsse ins Wasser steckt. Diese Vorstellung, muss ich zugeben, ist auch nicht unbedingt beruhigend, sondern eher das Gegenteil, aber hätte in einem Schlafzimmer eventuell auch seinen Platz.

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kid37 - Dienstag, 31. Oktober 2006, 00:04

Zehennuckeln? Sieh an. Bei mir wäre es eher so Finger reinstecken. Jedenfalls sehr suggestiv das ganze, angelegt zwischen Schlafzimmer und Küche, je nach Präferenz und Alter. Und allzu beruhigt will man ja auch nicht immer sein. Man muß ja was wagen, will man überraschende Reize spüren. Bei großen Fischen jedenfalls Obacht mit den Füßen - s.o. - sonst ist es nur noch eine Phantasie fürs Krankenzimmer.

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isabo - Montag, 30. Oktober 2006, 23:59
Exklusivtipp: für den kleineren Geldbeutel gibt es auch ganz erschwingliche kleine Aquarien! Und bunte Fische kann man gleich dazukaufen! Gut, man muss dauernd welche nachkaufen, weil die nicht viel anderes tun als totgehen und ihre Babys essen, aber bisschen Schwund ist ja immer.

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kid37 - Dienstag, 31. Oktober 2006, 00:08
Njaaaaein. Lassen Sie mich raten: Sie waren noch nie in einem der vielen Europas größten Aquarien/Ozeaniums. (Ozeanien?!?) Die Fische sind da wirklich sehr groß und das Wasser sehr tief und alles sehr mächtig.

Da fällt mir der arme kleine Hai ein, der in einer Hamburger Nobelbar in so einem Minibecken elendig verreckte, nur weil die da was kühles über der Theke haben wollten, um darunter dicke Zigarren rauchen zu können. Nein, nein, ich will es groß, eine ganze Wand, bis zum Himmel.

An ein kleines Aquarium habe ich gedacht, als ich noch überlegte, mir mein Drittlieblingstier zuzulegen, ein Axolotl.

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dings - Dienstag, 31. Oktober 2006, 00:31
wann schreiben sie eigentlich ein buch? und welche form werden sie nutzen? egal, ins meer hinein, ins meer ...

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kid37 - Dienstag, 31. Oktober 2006, 01:26
Aber ich schreibe hier doch schon einen Leviathan von einem Buch. Mäandernd, verirrend, abschweifend, auf die Fresse fliegend und immer wieder neu.

Das Meer in mir übrigens... aber so was von!

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ladys smock - Dienstag, 31. Oktober 2006, 01:32
Bitte
schreiben Sie immer immer immer immer weiter und lesen Sie uns wieder daraus vor

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undundund - Dienstag, 31. Oktober 2006, 03:28
als es new orleans noch gab, war ich mal im aquarium of the americas - sehr schön; interessant fand ich auch, dass es ausschließlich von öl-multis gesponsert wurde, exxon z.b., die damals gerade sehr bekannt geworden waren.

jetzt hätte ich eben beinahe öl-muttis geschrieben.

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eifelturm - Dienstag, 31. Oktober 2006, 09:46
Da fällt mir Sindflut ein...
Niederschlag schifft strichgerade der eisfrau auf den grind
hagelgekörnt ballerts eiskalt der strichfrau an die beine
nimmermüde und tropfenweis nässt emelie die älteste tochter beständig bettzeug
badehähne nörgeln doppelzüngig pfützenhaft im verborgenen
die vollgepfropften schwimmlehrgänge lassen arges ahnen
noch nie bekam noah soviel
post.

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blue sky - Freitag, 3. November 2006, 20:37
Gerade eine einstündige Reportage über Lissabon auf arte gesehen. Inklusive Trödelmarkt, Straßenbahnen, Fado, Ozeanium... Ganz offenbar eine Stadt, wo ich immer schon hin wollte, es aber nur nicht wusste.

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kid37 - Freitag, 3. November 2006, 20:56
Die Straßenbahn fährt noch? Ich bin so erleichtert, Sie glauben es nicht. Nachdem es mir beim ersten Mal vor zwanzig Jahren nicht soooo gut gefiel, bin ich froh, noch einmal hingefahren zu sein. Es herrscht eine sehr schöne Atmosphäre dort.

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