Wie Jon Spencer den Blues ohne mich explodieren ließ



Ach, documenta. Zum Glück kann man es in Hamburg auch bequem vor der Türe haben, wenn nämlich im Rahmen des Reeperbahnfestivals das Flatstock Europe seine Zelte in die letzten Sonnenstrahlen stellt. Die 37. Ausgabe der siebdruckenden Rockposterschau mag ich nicht verpassen, da kralle ich mich mit den Fingerspitzen in den Boden und robbe... also, ich meine, wer will, der kann auch.

Neue Gesichter und Künstler sind dort, aber auch viel Vertrautes. Ich komme schon deshalb kaum voran, weil ich alle zwei Stände auf Bekannte treffe, in den Rücken geboxt, auf die Schulter geschlagen, in die Knie getreten... ich meine, angesprochen werde. Das ist gut fürs Sozialgefüge und die emotionale Herdplatte. Derart weichgekocht kaufe ich ein paar Drucke, darunter ein kleines Set von Kunny van der Ploeg. Die Holländerin hat Softmachines collagiert, die zum Teil unter dem Motto "too beautiful to work" agieren. Die Franzosen Matt und Nick von ElvisDead arbeiten ähnlich wie Thomas Ott mit Schabkarton. Die Drucke erinnern an Linolschnitte, sind aber meilenweit von meinen eigenen dilletantischen Unternehmungen entfernt. Spencer von Petting Zoo stammt aus Brighton, wohin für mich ja immer noch eine Reise offensteht, und hat ein tolles Plakat von Jon Spencers Blues Explosion, dem ich nicht widerstehen kann.

Unter der Hand macht das Wort die Runde, daß die Band vor ihrem eigentlichen Auftritt auf dem Festival einen kleinen Gig in einem Plattenladen in der Nähe gibt. Leider liegt das alles unter meinem derzeitigen Aktionradius von zwei, drei Stunden. Das hätte man sich sonst nicht entgehen lassen dürfen, hätte man nicht. Doch wer beim nächsten Mal noch will, sag ich mir so, kann zwischendurch auch mal nach Hause gehen und dort völlig ungestört den eigenen Blues explodieren lassen. Mußten die also ohne mich rocken. Bislang stand noch nichts in der Zeitung, ich denke, die haben das geschafft. Ich ja auch.

>>> Geräusch des Tages: The Jon Spencer Blues Explosion, She Said

Flanieren | 20:19h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
hora sexta - Sonntag, 23. September 2012, 21:20
Immer nur Wollen ist ja auch ziemlich langweilig.

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kid37 - Sonntag, 23. September 2012, 22:25
Eben. Das will ich auch nicht.

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ana - Montag, 24. September 2012, 01:24
Ja, man soll die Angebote vor der eigenen Haustüre nicht unterschätzen. Dieses Wochenende war in Nürnberg "Offen Auf AEG". Ich habe mir sogar was gekauft, ein Frühwerk von einem Künstler, das er weit unter Wert verramscht hat, und bei den Designern einen recht billigen Rock. Und wenn ich noch wie früher das Geld für Kunst ein bisschen lockerer hätte, wäre da noch so Einiges gewesen, was ich gerne teuer erworben hätte. Und der Vorteil von Vorort, man trifft bekannte Künstler und Künstlerfreunde und Freunde und Freundesfreunde - von Atelier zu Wein - von Wein zu Atelier. Das hat die Documenta nicht zu bieten.

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kid37 - Montag, 24. September 2012, 18:08
Kassel hat natürlich viel Laufkundschaft, die Dimensionen sind aber auch anders. Das Flatstock hat dafür die ausgesuchteren Grafiken, das muß man Jahr um Jahr feststellen. Und - in einer weiteren Trivialbeobachtung - da es nach Lage der Dinge wohl mein einziger "Ausflug" in diesem "Urlaub" war, bin ich auch froh, mit dem Wetter Glück gehabt zu haben. Heute mehr so Addams-Family-Wetter.

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ladys smock - Montag, 24. September 2012, 18:43
da kralle ich mich mit den Fingerspitzen in den Boden und robbe... also, ich meine, wer will, der kann auch.
Sie dürfen mich nicht immer so zum Lachen bringen!

Wenn es hilft, komm ich auch mal wieder vorbei und schleif Sie durch die Gegend. Freiwillig.

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kid37 - Montag, 24. September 2012, 23:24
Jaja, das kann ich mir vorstellen. Schön mit grimmigem Lächeln im Gesicht... Pff. Ich komm Ihnen bald mal da rüber.

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