Sonntag, 4. Dezember 2016
© Violetta Says
Rumpelige Zeiten, in denen ich merke, wie Dinge schneller als ein in Deutschland geplanter Repräsentationsbau über meinen Kopf wachsen. Kleinigkeiten bauschen sich auf zu Expeditionen, für die ich einen Sherpa bräuchte. Immer deutlicher spüre ich nämlich, wie bei mir die Energie nachläßt und ich abends nach der Schicht nur noch erschöpft aus dem Blaumann krieche. Zudem geschehen Dinge, die ich nicht genehmigt habe.
Vor drei Wochen fiel mein Küchenregal von der Wand. Ich saß zum Auftakt eines als gemütlich und entspannt geplanten Wochenendes wie unschuldig über einem Honigbrot und hörte ein - ich nenne es mal - Geräusch. Als mißtrauische Spürnase klipste ich sofort meinen FBI-Ausweis, den ich einst frech mit "Fox Mulder" unterschrieben hatte, an das Revers meines Morgenmantels, schnürte wie ein Fuchs durch die Wohnung und landete schließlich in der Küche. Oh, dachte ich wie in einem Loriot-Sketch: "Das Regal hängt schief!" Ich habe dort so ein Metallregal, an dem Töpfe und Deckel und Kram an S-Haken eingehängt sind. Ohne mir Zeit für weiteres Sinnieren zu lassen, kam es in diesem Moment komplett von der Wand, mit - ich nenne es mal - ordentlichem Getöse und ohne weitere Induktion von Freude.
Interessanterweise kam mir, während ich wie in Zeitlupe in die mir entgegenkommende Gegenstandswolke griff, dieser regelmäßig erwähnte Effekt aus Naturdokumentionen über die wundersame Welt unter Wasser in den Sinn. Demnach haben Fische nämlich im Schwarm eine viel größere Überlebenschance gegen Räuber denn als einzeln durchs Wasser schwimmendes Tier. Als Laie denkt man ja, was für ein Quatsch - da schießt man doch als Haifisch einfach mit geöffnetem Maul gleich einem Rasenmäher mit Laubfangsack in so eine Futterwolke. Und ist, wenn man aus dem Schwarm heraussegelt, satt. Aber nein, so wird erklärt. Bei so vielen umherflitzenden Fischen kann sich der Hai gar nicht richtig konzentrieren, weiß nicht, wo er hinschnappen soll, und am Ende sind alle Fische entkommen.
So stand ich also verwirrt wie ein uralter behämmerter Hai in meiner Küche und wußte auch nicht recht, welchen Topf oder welchen Deckel ich zuerst greifen sollte. Es stimmt also, was die Forschung über Fische sagt. Das Regal und der kleine Topf und der mittlere Topf und zwei größere Töpfe und zahlreiche Deckel, kleinere und mittlere und größere, entkamen mir, und ich stand nur mit einer Suppenkelle da.
Die Ursache war immerhin rasch geklärt. Mein jüngeres Ich hat vor acht Jahren gepfuscht, mehr ist dazu nicht zu sagen. Andererseits: dafür, daß damals keine richtigen Dübel zur Hand waren, sind acht Jahre Halt gar nicht schlecht. Jetzt aber war ich guter Dinge, denn ich hatte mittlerweile Hohlraumdübel und sah am Horizont nur lässig eins: ein Projekt! Nun ist das Wesen der Projektarbeit: Sie ufert aus. Um es kurz zu fassen, mußte ich mehrere Untergruppen gründen, von denen eine feststellte, daß es doch nur 6er-Dübel waren (hahaha, 6er-Dübel!), eine weitere dann als Team Action directe zum Baumarkt mußte, 8er-Dübel (Metall!) zu besorgen und eine weitere Kommission dann bereits am nächsten Wochenende feststellte, daß keine Spezial-Hohlraumdübelzange im Haus war. Stück für Stück nur ging es weiter, zwei Dübel bekam ich mit einem Trick, für den ich eine längere Schraube und eine Flügelmutter brauchte, festgezurrt. Die beiden anderen indes leisteten Widerstand. Kurz gesagt, sie drehten durch, und ich dann auch.
Jetzt sind wir in Woche drei, meine Töpfe und Deckel sind immer noch auf der Anrichte verteilt, ich selbst etwas zerknirscht, und aus dem "alles kein Problem" ist eins geworden. Wenn ich also noch mal Zeit habe, die ich eigentlich nicht habe, muß ich also so eine Zange besorgen und dafür fünf Trillionen Taler zahlen, sprich die Summe, die am anderen Ende der Welt ein Fußballstar hinterzogen hat und nun - Geld ist nicht weg, sondern nur woanders, haben wir gelernt - mir an der Kasse vom Baumarkt angezeigt werden wird.
Ach und dieses noch und jenes, zum Ausgleich und aus Trotz habe ich immerhin mal wieder Fenster geputzt, uff. Streifendienst, wie es bei der Polizei heißt. Und dann erfahre ich, nachdem ich dachte, ich tue mir und meinen zahlreichen erschöpfenden Malaisen mal was Gutes, daß ich zu fett bin für eine Hippotherapie! Da ist bei 80 Kilogramm nämlich Schluß, und das ginge nur, schwänge ich mich als Lady Godiva auf den Gaul, und da ist vermutlich unter anderem der Tierschutz vor.
Kurz: Hier geht so einiges schief (und da haben wir noch gar nicht über die munter tanzende Libelle der Wasserwaage geredet, wenn das Regal erst wieder dran ist). Ich bleib jetzt nur noch im Stall.
Donnerstag, 1. Dezember 2016
Dies ist meine zahme Motte. Otto heißt sie, ein guter Freund, der wie ich in einer Glasglocke lebt. Abends stelle ich ihn in seinem Glas ins beleuchtete Fenster. Wir wollen Eulen anlocken oder Fledermäuse. Für ihn ist das ja wie Haitauchen, ein prickelnder Sport mit den Räubern der Natur. Ich finde es fast ein wenig zu aufregend.
Dennoch dauert Ottos Spiel oft bis in die tiefe Nacht hinein. Bis wir beide etwas müde werden. Erschöpft vom Tag und schlechten Gedanken, imaginär geführten Gesprächen mit Menschen, die man lange nicht mehr mag, oder den ebenfalls schwer gedanklich ausgeführten Übungen an irgendeinem sich vorgestellten Sportgerät, löschen wir dann die als Locksignal benutzte Kerze, schließen die Fenster und begeben uns hinter leise wehenden Vorhängen zur Nacht.
Otto sagt, es liegt ein Schlaf in allen Dingen. Nur finden muß man ihn. Ruhe, oft mißtrauisch beäugt durch längst schläfrige Lider, ist ein Zustand dem man sich auch hingeben muß. Ohne Scham. Auch international dem ein oder anderen bekannte Musikerinnen nehmen ganz leger auf dem Boden Platz, wenn sie mal wieder irgendwo gestrandet sind. Müde bin ich, geh zur Ruh'... Otto schwirrt mit seinen Flügeln dazu.
>>> Geräusch des Tages: Cocteau Twins: When Mama Was Moth
Sonntag, 20. November 2016
Manchmal, wenn ich unruhig bin, denke ich über Schuhe nach. Schuhe beruhigen mich, deshalb kaufe ich immer wieder welche. Früher hieß es, Verkäufer und schöne Frauen achten bei einem Kunden oder einem Mann (jetzt nicht verwechseln hier) immer zuerst auf die Schuhe. Danach gibt man sich die Hand oder eben auch nicht. Ich weiß nicht, ob das bei Verkäufern noch so ist, viele von denen sind ja auch nur Tagesgäste in dem Beruf oder sitzen ihren Kunden gleich eh nur noch im Internet.
Schuhe sind auch Träger von Erinnerungen. Wo man schon überall mit welchem Paar herumgelaufen ist. Und wie das Wetter war. Wie mal welche unterwegs kaputtgegangen sind. Was zum Nikolaus mal drinnen war. Wie man mal ein Tor mit ihnen geschossen hat. Wie man mal jemanden welche auszog.
Leider sind als vernünftig zu betrachtende Schuhe teuer. Wer also mit dem Kauf von guten Schuhen seine Schmerzen stillen will, stößt sehr bald an eine weitere Schmerzgrenze. Als Palliativtherapie sind Schuhe deshalb nur begrenzt empfehlenswert. Denn wie bei anderen Drogen auch ist mehr bald mehr, ein Paar folgt dem nächsten, so wie sich auch Tättowierungen erst den einen Arm hoch-, dann über den Rücken und den anderen Arm wieder herunterschlängeln. Man kommt ja nie zu einem Ende, und das Ende muß man sich wie immer auch erstmal leisten können.
Da Beschaffungskriminalität als in der Öffentlichkeit stehender Mann für mich keine Option ist, muß ich arbeiten gehen, was mich manchmal traurig macht. Ich liege dann ab und an morgens in meinem zwar schmalen, aber an einigen Stellen höchst gemütlichen Bett (ohne Schuhe) und denke, ach Aufstehen! Herrje. Anziehen! Erst Hose, dann Schuhe, so was hat man schnell gelernt. Aber anstrengend ist das schon. Außer man hat schöne, neue Schuhe. Dann aber flugs aus dem Bett, weil man sich draußen sehen lassen kann! Also trägt man teure Schuhe auf dem Weg zur Arbeit, wo man aber nur hin muß, damit man sich teure Schuhe... also ein Teufelskreis. Ein ganz übler Teufelskreis.
Das denke ich dann so am Sonntag über den Montag in meinem Lehnstuhl in meinem Zimmer. Ihr habt aber sicher auch zu tun.
>>> Geräusch des Tages: Nieve Nielsen & The Deer Children, Room
Samstag, 12. November 2016
Als ich heute morgen unter einer nebligen Sonne am Cembalo saß und ein wenig gedankenverloren herumklimperte, fragte ich mich, wie andere Menschen wohl ihren Tag beginnen. Sport machen einige, das weiß ich. Erstmal weglaufen. Andere führen bereits die ersten durch Mobilfunk übertragenen Telefonate, gerne auch im öffentlichen Raum. Derweil sitzen viele erst einmal nur leblos da, starren mit mühsam geöffneten Augen in eine unfokussierte Ferne und stellen sich existentielle Fragen. "Wer bin ich?" und "Was um alles in der Welt brachte mich hierher?" Anders aber als beim allerersten Mal, als diese Fragen sich durch ihren noch unentfalteten Kopf quälten, haut ihnen niemand zum Wachwerden und Losmarschieren einen ordentlich Klaps auf den Hintern, so daß sie sich nun mit einer oder auch zwei Tassen starken Kaffees selber prügeln müssen.
Ich wechselte zu a-Moll was selbst ein Cembalo seltsam klingen läßt, und dachte weiters über Hobbys nach. Ich selbst habe leider keine, ich bin da wie in so vielen anderen Dingen schwer vermittelbar. Immerhin, ich kann gut Unverständnis ernten, so daß ich immer mal wieder daran dachte, mich zur Entspannung im Gartenbau zu versuchen. Dies aber ist, so erfuhr ich neulich, ein Saisonbetrieb. Damit wird sachlich umschrieben, daß man zu bestimmten Zeiten im Jahr echt viel zu tun hat. Bauernfängerei! sage ich da zu mir und wechsele in ein munteres Cis.
Einst hatte ich Besuch, der verwechselte meinen Kasten mit den zum späteren Studium gedachten Zeitungsartikeln mit dem Altpapier. Unverständnis, ich habe nicht übertrieben. Die Sache mit den Zeitungsartikeln aber läßt mich immer wieder an einen Kaffehausbesuch vor bald zwanzig Jahren denken. Ein mitgebrachter junger Mann erklärte auf die Frage nach seinen interessanten Hobbys, er hätte wohl keine. Doch, verbesserte er sich nach einigem Nachdenken, er würde Artikel über "ordnungspolitische Themen" aus der FAZ ausschneiden und einscannen. Je länger ich darüber nachdenke, und das sind nun schon wie erwähnt bald zwanzig Jahre, umso lustiger finde ich das. Ich erinnere mich aber, wie ich damals wortlos diesen Ausführungen lauschte und dabei vorsichtig gegen meine Schläfe klopfte, um zu schauen, ob mein Erkennungsvermögen für Sarkasmus eventuell ausgefallen war. Die Freundin des jungen Mannes schaute derweil etwas ausdruckslos auf die Tischplatte im Kaffeehaus, ich weiß ihre Gedanken nicht. Versuche sie aber, auf dem Cembalo mit einer kleinen Melodiekette um f-Moll herum nachzustellen. Dann war Zeit für einen guten Kaffee.
Sonntag, 30. Oktober 2016
Man kann nicht immer Klage führen. Auch wenn ich eine weitere, für einen Aufenthalt im großstädtischen Ausland geplante Woche stattdessen unter der Küchenspüle verbrachte. Derweil das Projekt, mal eben in zwei Stunden eine neue Küchenarmatur anzubringen, nach schwungvoller Öffnung der Epidermis in eine größere Operation umschlug. Erst einmal war eine größere Menge Schlacke zu entfernen, sozusagen überschüssiges Bauchfett von unter der Spüle - gesammelte Plastiktüten, die man irgendwann mal..., gesammelte Haushaltsartikel und Kurzwaren, gesammelte Reinigungs- und Verunreinigungsutensilien. Bald aber fand ich mich mit einer auf einem sterilen Tuch ausgebreiteten Sammlung Gabelschlüssel bewaffnet wie ein Korkenziehergewinde unter das Ausgußbecken gedreht, Anschlußgewinde verschiedener Zollgrößen schrauben und Dichtungen adaptieren. Weil bei der Gelegenheit der gerade mal 25 Jahre alte Wasserboiler die wohl kalkbedingte, arteriosklerotische Gefäßundichtigkeit symptomierte, entschloß ich mich für den nächsten Tag gleich für eine komplette Organtransplantation.
Bernard hätte mir die Hand geschüttelt, mein Gas-, Wasser, Dingsdainstallateur hoffentlich auch. Alles entlüftet, auf Temperatur gebracht, wieder eingeräumt, Türen zu. Läuft.
So war ich also auch zu Hause, das ein oder andere Paket entgegenzunehmen. EIN KUCHEN! Da könnt ihr mit euren Äpfeln angeben, wie ihr wollt. Ich habe EINEN KUCHEN! Ehrlich, wer braucht da noch Urlaub? Ich kann jetzt Kuchen mümmelnd an der Spüle stehen, das Wasser munter auf- und zudrehen und das Lied vom einfachen Glück singen. Vielleicht noch Blümchen dazu. Mein Vater sendet mir ein Werk aus seiner Dawanda-Werkstatt. Ich habe es immer gesagt: die gute alte Glühbirne kann Dinge, da kommen diese nur angeblich energiesparenden Giftleuchten nicht ran. So kann man sie als kleine Blumenvasen weiterverwenden. Kleines Brettchen als Halterung aussägen, Glaskörper rein, fertig.
Und dann weiß der Mann ja, das man mir mit 'ner ollen rostigen Schraube fast die größte Freude machen kann. Oder Schokolade. Oder Schokolade, die aussieht wie eine olle rostige Schraube. Wenn mich also einer an altem Eisen lutschen sieht, nicht wundern - ist wirklich süß.
Donnerstag, 25. August 2016
In meinem neo-empfindsamen Roman Ausgestoßen - Nachdenkliche Betrachtungen eines sentimentalen Nacktschneckenzüchters (Hamburg: Officin Brandmüller Nachf., 1911) beschreibe ich die Irrungen und Wirrungen nachtaktiver Gesellschaften und die ewig-alte Frage nach dem WoherWohin. Der Held, die titelgebende, mittelalte abgeranzte Type, wundert sich, das irgendwas mit seinem Selbstbild kaputt ist. Erst will er es nicht wahrhaben, aber dann bemerkt er, daß sein Schatten ein anderes Bild von ihm wirft als er selbst von sich hatte. O, verräterischer Schatten, den du wirfst!
Hier driftet der Roman in schwarzromantische Wälder ab, klopft am Haus der Doppelgänger an, legt eine Brotkrumenspur ins Revier einer finsteren schwarzen Katze und bringt einen alten orientalischen Automatenbauer ins Spiel, der mit raunender Stimme "Hm" und auch "Hmhm" sagt und von eitrigen Geschwüren spricht, die ein Monster namens Arbeit ins bleiche, der Sonne niemals zugewandte Fleisch frißt: "And therefore never send to know for whom the Fabriksirene tolls; It tolls for thee." Von einem mißtrauischen Mob gejagt, flüchtet der Held aus einer mit schräggestellten Laternen bloß spitzwinklig erleuchteten Hafenkaschemme durch diagonal angelegte Kopftsteinpflasterstraßen und greift sich entsetzt ins schüttere Haar.
"Zu hülf! Zu hülf! Ich bin nicht mehr ich selbst!" ruft er aus, eine schwarzweißgedrechselte Spirale dreht sich dabei in seinen Augen. "Ich schau schon lang nicht mehr geradeaus!" Passanten ducken sich erschreckt in dunkle Hauseingänge, der Held torkelt weiter, "wann, wann wird Urlaub sein?" Ein schwarzer Vogel aber krächzt nüchtern "Nevermore!"
Samstag, 30. Juli 2016
Die Menschen blöken sich an auf den Straßen. Hauen sich den spitzen Hut vom Kopf. Schnupfen in den Eisenbahnen, sitzen auf Brücken und Großstadtdächern, decken sich ein mit harschen Worten und entgleisen wie Niveau von der Leiter. Ich habe die Woche über Stress, ich kann das nicht gebrauchen. Ärzte prokeln Sonden in meinen Körper, zeigen mir schwarzgraue Bilder auf dem Monitor wie von einem fernen Planeten. Dann wird Blut gezapft, als ginge es darum, einen Vampirfilm von Jean Rollin in die Betonzeit zu zerren. Im Labor hängen launige Cartoons an den Wänden und weisen die Ärzte dort als selbstironische Handwerker aus.
Zurück auf dem geheimen Forschungsgelände gleich wieder Sonderschichten und Gefälligkeitsaufträge. Arbeit! so als warteten zu Hause keine Fußböden und Badarmaturen auf mich! So geht das Tag für Tag, bis ich am Wochenende in die Käferstellung falle, plumpsend auf den runden Rücken, pumpende Tracheenatmung, wie aus unruhiger Nacht erwacht. Wenn es jetzt heißt, "Mulder, it's me", hat Scully hoffentlich ein paar nette Worte parat. Bis dahin ein wenig Kochen, Lesen, Bewegtbild schauen. Morgen poliere ich die Badarmaturen auf Hochglanz wie das Hubble-Teleskop.
Ich komm' schon noch drauf.
Dienstag, 12. Juli 2016
Steckdosen, in denen kleine, weiße Ladegeräte stecken. Steckdosen. Räume, die bestimmt werden durch ihre Steckdosen. Räume, namenlos oder ganz ohne Zweck, die bestimmt werden durch ihre Steckdosen. Schöne Räume, alte Räume, heruntergekommene Räume. Mit Steckdosen, in denen kleine, weiße Ladegeräte stecken. Räume, die - ganz Steckdose - der Raum werden, in denen das kleine, weiße Ladegerät steckt. Räume, die nur noch die Wand sind, in denen die Steckdose sitzt, in der ein kleines, weißes Ladegerät steckt. Spenderräume, Steckdosenräume, Parkstellen für kleine, weiße Ladegeräte. Ein Raum, ein Haus, eine Welt gebaut als Ort einer Steckdose, in der ein kleines, weißes Ladegerät steckt.
Zerstörte Räume, einstürzende Häuser, implodierende Welten, in denen hinter einer Steckdose, in der ein kleines, weißes Ladegerät steckt, eine weitere Welt wartet. Eine Mutterwelt, eine Tochterwelt, verbunden durch die Nabelschnur eines kleinen, weißen Ladegerätes. Das in einer Steckdose steckt.
Samstag, 2. Juli 2016
Wenn die Mannschaft baden geht. Wenn das jetzt baden geht. Wenn das einer ausbaden muß. Wenn die uns naß machen. Wenn das ins Wasser fällt. Wenn wir da absaufen. Wenn einzelne wieder abtauchen. Wenn da einer durchtaucht. Wenn wir da ins Schwimmen kommen. Wenn da Welle um Welle anrollt. Wenn da einer 'ne Bauchlandung macht. Wenn da einer ins kalte Wasser springen muß.
Nicht, daß die Luft raus ist.
Sonntag, 26. Juni 2016
In diesen europäischen Entscheidungswettkampftagen, man kann dies in Fußballfelder umrechnen, werden wieder viele Grenzen gezogen, geschlossen und neu eingerichtet. Man braucht wieder Paßwörter, Losungswörter, Visa oder einfach gutes Benehmen. Oder eine Pinnummer, so wie sie per SMS übermittelt wird, um Sendungen aus Packstation zu holen.
Mittlerweile habe ich allerlei Eselsbrücken, aber auch gewiefte mathematische Systeme entwickelt, die jeweilige Pinnummer zu memorieren. Gestern lautete die beispielsweise "4376". Das kann man sich sehr einfach merken, weil diese Zahl sich verkürzen läßt auf 4 minus 1 und 7 minus 1. Man muß sich nur 4 und 7 merken, und dann jeweils den Faktor minus 1 als zweite Ziffer. Man kann beide Teile der Gleichung auch aufaddieren, um es noch einfacher zu gestalten. Dann hat man 4 plus 7 gleich 11. Und auf der anderen Seite minus 1 und minus 1 also minus 2. Das sind dann 11 minus 2 gleich 9. Zum selben Ergebnis in der Gegenprobe kommt man natürlich auch, wenn man gleich 4 minus 1 gleich 3 rechnet und dies mit 7 minus 1 gleich 6 addiert. Das sind ebenfalls 9. In diesem konkreten Beispiel also jeweils die zweite Ziffer der Pin-Nummer, also 3 und 6.
Das Prinzip ist klar, statt mir 4376 merken zu müssen, reicht es, einfach auf den 200 Metern (diese Zahl tut jetzt nichts zur Sache) bis zur Packstation immer nur "9" zu denken. Neun, neun, neun... oder wie wir auf Englisch sagen Nein, nein, nein... das ist nicht schwer, das ist eine einfache Antwort auf komplexe Fragen. Am Terminal reicht dies natürlich nicht, hier also nicht Neineingeben, hier ist die komplette Pin-Nummer verlangt. Dafür nehme ich dann mein Mobiltelefon, und lasse mir von einem jungen Menschen in der Nähe die Zahl noch einmal vorlesen. Und voilà: Sesam, öffne dich! Moderner Warenverkehr.
Wäre es im Leben doch immer so einfach, denke ich. Man könnte komplexe Strukturen und Probleme mittels einer ausgeklügelten Formel herunterbrechen, so daß sie am Ende beispielsweise auf eine JA/NEIN-Frage hinauslaufen. Wem ist im Leben nicht schon einmal etwas, und sei es symbolisch, zu Bruch gegangen, weil zum Beispiel ein Unbekannter sich unziemlich eingemischt hat. Durch simple Rechenoperationen lassen sich Brüche bekanntlich umformen und zum unbekannten X hin auflösen. Und zwar so, daß dieses X ganz isoliert allein auf einer Seite steht. Und dann zeigt man mit dem Finger drauf und lacht. Simpel. Ein ganz mathematisch schöner Tag.
Hier in Hamburg kann man sich nicht nur sinnbildlich durch übertriebenes Trallala selbst aus dem Raucherclub ausgrenzen, da hilft auch nicht Schmidt Schnauze oder eine Pinnummer am Eingang. "Nein", heißt es dann. Bitte, Danke, Wiedersehen. Kann man sich alles ausrechnen.
>>>Geräusch des Tages: PJ Harvey liest John Donnes No Man Is An Island zum #Brexit