Montag, 8. April 2024


Merz/Bow #76


Just mit dem Postboot überbracht: nachempfundene Fotografie einer Sonnenfinsternis im 19. Jahrhundert [Symbolbild]

Helle Aufregung in den USA (das ist ein großer Staatenbund in Nordamerika) über eine finstere Sache: Die Total Eclipse of the Sun lockt Sonnenhungrige in den mittleren Westen und Anrainerstaaten. "The Great American eclipse" sagt Susan Miller und wagt einen Ausblick in die Sterne. Wer es wissenschaftlicher haben möchte, kann den Verlauf der schwarzen Sonne auch auf der Seite der NASA verfolgen.

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"Ersatzzüglein": Im Aufzuchtgehege der großen Bahn

Hin und her in der kleinen Stadt. Ostern in Wuppertal, mit Muttern im Museum, kleine Speise, Familienrundfahrt, dann wieder heim vor der großen Rückreisewelle ("vor die Welle kommen"). Der Nachtzug aus der Schweiz hat Verspätung, Warten in der zugigen Halle am Hauptbahnhof. Dort spielt ein Obdachloser, genervt von seinem labernden Sitznachbarn ("Ich geh' jetzt mal ans Klavier"), Klavier. Große, vom Alkohol aufgedunsene Hände und Finger bei einstudierter, filigraner Musterarbeit. Kein rumpeliger Boogie-Woogie, sondern ziselierter Frühlingswalzer im verlorenen Hall des großen Wartesaals, I Like Chopin sozusagen als Überbrückungshilfe. Wir hatten alle mal ein Leben vor diesem Leben. Dann mit dem federnden Eurocity in die Nacht, schlummernde junge Leute, erschöpft von irgendeinem Festival, draußen Gewitter, Starkregen, zuletzt wieder verschlierte Lichter der aufgereihten Städte. Nocturne.

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Hilde & Gretl. Ein Haus voller Geschichten.

Einem Hinweis im wunderbaren Wieselblog folgend, habe ich kürzlich das ebenfalls wunderbare Buch Hilde & Gretl von Tarek Leitner und Peter Coeln erworben. Zwei Cousinen, eben diese Hilde und Gretl, bewohnen ein Haus, musealisieren es entlang ihres Weges, hinterlassen das, was eben so hinterlassen wird: flüchtige Spuren einer alten Republik, Profanes und Banales, Kitsch und Krempel zwischen Nachtschrank und Wohnzimmertisch. Archäologisch aufgearbeitet, aus dem Abfall erhoben und in klugen Texten in Beziehungen und Deutungen gebracht, ist das Buch ein Katalog einer Zeitreise in die Welt der Tanten und (Groß-)Eltern, in die Provinz und Wendehammer-Siedlungen. Ganz toll.

MerzBow | von kid37 um 19:31h | 10 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 12. Februar 2024


Merz/Bow #75



Als kleine kreative Schmuckbegleitung kann man sich für die glücklicherweise kaum abreißende Demonstrationswelle gegen Rechtsaußen passende Embleme basteln. Zum Beispiel ruckzuck mit dem Antifascist-Logo-Generator. Es gibt noch weitere solcher Generatoren im Netz. Auf Mastodon konnte man in den letzten beiden Wochen einen ganzen Schwung sehr kreativer Entwürfe bestaunen, sehr hübsche Farbtupfer gegen braune Suppe.

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Apropos Schwung, wir geben weiter zum Sport. Aus einer Reihe von teils auch altersbedingten Gründen habe ich ja ein weiches Herz für Darstellungsformen vitalkraftstrotzender Unbekümmertheit junger Leute. So war ich doch bestimmt auch mal, könnte man rhetorisch fragen (Antwort: Nein.) und sich nostalgisch verklärt erinnern. Schlittschuhe und Rollschuhe hatte ich in meiner Kindheit nicht. Einmal war ich mit einer Rollschuhmeisterin liiert, aber die riet mir dringend ab, so was "in meinem Alter" noch zu probieren. Recht hatte sie, ich kann mir das ja - ohne Helm und Knieschoner - gemütlich vom Internetrand aus anschauen.

Kids, don't do this at home! Geht auf die Skaterbahn. So wie Jamma Lynn, die mit ihren Rollschuhvideos Schwung in die Instagrambude bringt. Dabei immer mal wieder auf haarsträubendem Kollisionskurs mit ihrem munterem Hund, Rampen und Eisengeländern, schreddert sie - wenn die Eltern nicht gucken - ganz frisch auf acht Rädern daher. So wie, hier [IG] im Kalifornientraum. Ziiiiisch! Mein Motto für 2024.

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Mutti macht derweil Punkrock, heißt es bei Arte. Dort läuft eine Doku mit diesem vielleicht nicht ganz glücklich formulierten Titel, der aber andererseits genau beschreibt, um was es geht. Statt Deckchen zu häkeln, haben sich ältere Frauen in Leicester, England ein Projekt ausgedacht, bei dem es heißt: auf die Bühne, drei Akkorde und los. Ganz fantastisch und mutmachend, und man möchte sich sofort eine Gitarre kaufen und mitjammen, aber für irgendwelche Macker ist das gar nicht gedacht - die sollen bitteschön Rollschuhlaufen gehen.

Hier geht's aber erstmal zur Doku [Arte].

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Noch etwas luftige Kunst: Nicole Banowetz konstruiert bunte Sky Machines, amorphe Zeppeline, ausgestellt in dem möglicherweise nach mir benannten Kid's Awesome Children's Museum in Taipai. Alles für hochfliegende Träume, Vorstellungen und Ideen.

MerzBow | von kid37 um 17:15h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 7. Dezember 2023


Merz/Bow #74



Wer noch ein Weihnachtsgeschenk für jemanden sucht, der oder die sich auch für exzentrische Moden, Menschen und Gebräuche aus der Zeit des 19. Jahrhundert interessiert, möchte vielleicht hier einmal schauen: Strange Victoriana: Tales of the Curious, the Weird and the Uncanny from our Victorian Ancestors versammelt genau das. Auf mehrere, nicht ganz einsichtig strukturierte Themengebiete verteilt (es gibt Kapitel wie "Animals" aber auch eines namens "Dogs", "Strange Perfromers" und "Strange People") dafür mit einem nützlichen Index versehen, hat Jan Bondeson, ein Rheumatologe am Tag und Experte für viktorianischen Trübsinn und Verbrechen bei Nacht, hier Berichte über wahre Verbrechen, Wolfsmenschen, Geistererscheinungen und todessehnsüchtige Fallschirmspringer versammelt. So erfahren wir, wie sich das berüchtigte "Bear-Baiting" aus elizabethanischen Zeiten ins 19. Jahrhundert geschmuggelt hat. Hier waren es freilich Hunde, die beim abstoßenden "Ratting" gegen Ratten antraten. (Zum Glück gibt es auch einige herzerwärmende Geschichten von Hunden als Lebensrettern.)

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Vielleicht brauche ich auch einen solchen Hund, denn seit das Dach gegen Regeneinfall wieder geflickt ist und die Wespen unterm Vordach einen langen Schlaf angetreten haben, hat sich ein neuer Mitbewohner vom Speicher aus in die Zwischenwand gearbeitet. Nachts kratzt es regelmäßig unweit meines Bettes, unangenehm, sage ich mal. In der Annahme, es sei vielleicht ein Marder, kratze ich nun zurück und imitiere die revierbehauptenden Geräusche eines Alpha-Marders, so gut ich kann. Vielleicht ist es aber auch ein anderes Tier. Ein Fall fürs Fachpersonal, bis dahin schlafe ich mit einer Waffe unters Kopfkissen.

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Als verspätetes Nikolausgeschenk zum nun sterbenden Jahr nahm Arte PJ Harvey ins Programm. Ihr Auftritt [Mediathek] aus dem Pariser Olympia stammt von der Tour mit dem aktuellen Album I Inside the Old Year Dying und ist angenehm reduziert, fast ein Kammermusikabend mit Möbeln und Kleid. Im Vergleich zur Tour zu The Hope Six Demolition Project vor sieben Jahren bin ich noch nicht ganz im Reinen mit dem Band-Outfit (wohl erneut Ann Demeulemeester). Das klassische Schwarz zum Grau aufgenebelt, wohl ein Hinweis auf die gespenstische Gothic-Szenerie der herbstlichen Landschaft von Dorset. Der Pressetext bei Arte ist auch gruselig erfindungsreich, verlegt Washington D.C. nach Detroit - aber egal, irgendeine große Stadt in den USA halt.

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Wer immer noch ein Weihnachtsgeschenk sucht, möchte sich vielleicht einmal dieses wunderbare Werk anschauen. "Warning, this is a 300 pages book that no human can read. Because it’s not written by human. It’s written by bugs", heißt es bei Northing, einer norwegischen Kunstbuchhandlung. Der chinesische Künstler Zhu Yingchun hatte die Idee, Spuren von Käfern und Schnecken in seinem Garten zu sammeln und die eindrucksvollsten Grapheme zu "Wörtern" zusammenzusetzen. Könnte ja sein. Vermutlich wirkt es vor der Folie chniesische Schriftzeichen und ihrer Anordnung auf einer Seite noch eindrucksvoller. Erinnert an die Arbeiten Maximilian Prüfers, die ich hier mal erwähnte.

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Apropos Kunst. Mir bislang unbekannt (Erklärung nicht nachvollziehbar) war der 2019 verstorbene visionäre belgische Künstler Panamarenko. Fast unheimlich, denn wir teilen offenbar einige Interessen. Bekannt wurde er für seine "Luftmaschinen" (aber auch Unterseeboote), reizvolle Konstruktionen zwischen Otto Lilienthals Gleiter, amorphen Blobs aus synthetischen Materilian, Zeppelinen, Federapparaten und glänzenden, spektakulären Metallflüglern. Ich empfehle die ausführliche Webseite von Marcus Ampe für ausführliche Informationen.

MerzBow | von kid37 um 22:22h | 8 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 14. November 2023


Merz/Bow #73



Eines der schönsten Geburtstagsgeschenke (unter allerdings lauter schönen Geschenken) stammt von meinem Vater, der mir zwei Bakelitschalter ("Scheunenschalter") aus irgendeinem seiner unergründlichen Kartons mit Fundstücken, Elektronikteilen und Plunder Artefakten schickte. Ganz toll. Werde wohl den nichtssagenden Allerweltswippschalter in der Abstellkammer damit ersetzen. Das verhindert auch das unabsichtliche Ein- und Ausschalten im engen Gang mit Rücken oder Ellenbogen, wenn ich in einem meiner dort verwahrten unergründlichen Kartons mit Fundstücken, Elektronikteilen und Plunder Artefakten wühle.

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Der Künstler Marcus Merritt hat zwei zauberhafte Serien auf seiner Webseite. Zeichnungen von Stromleitungen und gleich nebenan noch einem mit gezeichneten Gegenständen aus Filmen von Irma Vep bis Twin Peaks.

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Mir selbst habe ich auch etwas gegönnt, denn so jung komme ich mit mir nicht mehr so schnell zusammen. Der schön gestaltete Bildband Developer Trays macht am Scheunenbakelitschalter das Licht in den Dunkelkammern dieser Welt (ok, eigentlich zumeist in den USA) an und zerrt die Entwicklerschalen hervor. Zerkratzt, bearbeitet, voller Silber-Patina, sind sie selbst zu Bildspurenträgern fotografischer Arbeit geworden. Eine Art zerfurchter Oberfläche von der dunklen Seite des Mondes, die John Cyr hier fotografiert hat (Webseite). Sehr faszinierend. Unbedingt lesenswert sind auch die Fußnoten: "Barbara Mensch abandoned removing the silver deposits on her tray after she scrubbed the bottom right corner", erfahren wir da und äußern Verständnis. Oder aber auch, dass Andreas Feiningers Entwicklerschale nun im Besitz von Ralph Gibson ist, der sie für seine eigenen Arbeiten nutzt. Wie ein Werkzeug oder Bakelitteil, das Elternteile an ihre Kinder weitergeben.

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John Cyr hat übrigens auch Fotos vom berühmten Gowanus-Kanal in New York City (das ist eine große Stadt in den USA) gemacht. Bei meinem kleinen Ausflug dorthin war ich selber mal dort (man geht ungefähr drei Stunden durch sengende Hitze und landet dann in einem Industriegebiet, das dem aus Antonionis Rote Wüste ähnelt, nur halt in grau). Rauchende Schlote, Zementwerke, komplett eingestaubte Schwertransporter, ein Gewirr aus Brücken, Überfliegern und aufgebrochenen Straßen und bis auf durchgedrehte Touristen und Fotografen keine Fußgänger. Der Kanal schimmert wochentagabhängig in allen Ölfarben, dennoch paddeln Enten (so called "ducks", ich kann nämlich Englisch) darin herum, es zischt und stinkt und zeigt eine Seite der Stadt, die, um eine häufig gebrauchte Reisebloggerfloskel zu gebrauchen, "so ganz anders ist als die Madison Avenue".

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Übrigens muss man durch sengende Hitze auch wieder drei Stunden zurück.

MerzBow | von kid37 um 17:10h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 15. Januar 2023


Merz/Bow #72



Wie ich so bei Windstärke 9 im sturmböenumtosten Haus sitze, dem sanften pling pling im Bad lausche, wo Wasser friedlich durch die Decke in eine Emailleschüssel tropft und ein Geräusch wie eine Klangschale in einem Zen-Garten macht, dachte ich, es ist vielleicht an der Zeit. Zeit, ins Jahr 2o23 hineinzuschreiben. Das hat ja nun auch schon vor zwei Wochen angefangen. Das Feuerwerk war nach der pandemiebedingten Pause wieder ganz ordentlich, bunte Tupfer und Girlanden, Bang-bang, Ziiiiisch, alles dabei. Der Neujahrsspaziergang, die EU-zertifizierten Böllerinhaltsstoffe hatten den Himmel wie eigentlich jedes Jahr ins Sonnige freigesprengt, ebenfalls sehr ergiebig: Gleich ein ganzes Bund Raketenholzstöcke sammelte sich schnell zusammen, Bastelmaterial für hochfliegende Pläne.

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Die Sternsinger haben in den Zwischentagen-Tagen die rauhe Zeit dann abgesungen, Licht aus und ab zurück zum den magisch-realistischen Alltag eines zunehmend endgrau gewordenen Normalzeitmenschen. Die zwar rauhreiflosen, aber nicht weniger harschen ersten Januartage genutzt, Formulare, Bescheide, Amtsgeschäfte vom Tisch zu räumen. (Habe jetzt sogar einen Termin bei der Landesverkehrsbehörde. Muss ja noch den Lappen umtauschen.) Gute Nachrichten zur Lasterleichterung, so mag es gerne weitergehen. Zwei Projekte auf zwei Schultern verteilt (linke Schulter, rechte Schulter), eingehüllt in die jährliche, exquisite Musikrückschau. (Danke!)

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Angefangen, dass Skulpturenjahr 2023 einzuläuten. Erste Studien zu nachgiebigen, amorphen Körpern in rigiden Strukturen. (Symbol für Lebenssituation.) Die Reihe wird fortgesetzt, habe jetzt den Segen von Amts wegen. Ansonsten nur gute Vorsätze: Weiter keinen Fußbreit für negative Nörgelei, akzeptiere nur noch sog. positive Nörgelei. Oder eigentlich gar keine. Jeder solle leuchten in seiner eigenen Fassung, heißt es ja bekanntlich.

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Schöne Entdeckung und wirklich empfohlen für alle [Technik jetzt], die digital Musik machen oder Klang bearbeiten: Walhalla Supermassive bietet tolle Sounds für gar kein Geld, und hat die Größe meiner Wohnung ins Massive erweitert. Jedenfalls akustisch, und ich sage es, wie es ist: Mehr Hall war in der Halle selten. (Wortspiel.) Sehr hilfreiches VST-Plugin. Drone, drone, drone.

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Weniger Rückblick, mehr Ausblick. Gegenüber werden immer mehr der großen Bäume gefällt. Der eine wegen Schaden (bin gespannt, wann man mir so gegenübertritt), der andere und zwei, drei mehr, weil sie Bauarbeiten im Wege stehen (bin gespannt, wann man mir derart entgegentritt). Die Projekte fräsen sich nun durch den Ostteil der Stadt. Das neue El Dorado, tendenziell große, vernachlässigte Flächen, tendenziell wenig zu erwartender Widerstand. Baggerzähne der Zeit, wie gerade anderswo in der Republik.

MerzBow | von kid37 um 15:55h | 4 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 1. Juni 2022


Merz/Bow #71



In den letzten Tagen war viel Himmel über der Stadt. Einmal war er teuflisch rot gefärbt, da habe ich maliziös hineingelacht, weil ich etwas Lustiges erfahren habe. Auslöser war ein bizarre Wendung, eine Volte des Schicksals, die ausnahmsweise nicht mir geschah, mir aber als ausgleichende Gerechtigkeit im Nachhinein erschien. Ja, auch solche Charakterzüge besitze ich. War aber einfach: Sitzen. Warten. Zuschauen. In den Himmel sehen, die Wolken zählen. Oder aufs Wasser. Sie treiben schon noch alle vorbei.

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Herr Buddenbohm hatte neulich eine Malaufgabe als Text veröffentlicht (zum Glück "für Anfänger"). Das fand ich eine hübsche Idee. Ein:e Blogger:in beschreibt ein Bild, andere Malen es nach. Von genereller Schlampigkeit und einer untergetauchten feinen Feder abgesehen, fehlte mir leider auch Schwarz (habe zu oft und zu lange, wenn auch zurecht, immer alles schwarz gemalt im Leben). So kommt meine Version deutlich zu licht daher. Insgesamt "liebenswert", sage ich mal. Dafür aber auch nur 1000,- Mark. (Freundschaftspreis.)

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Diesen Sommer ist viel Kunst, wie soll man das schaffen? Biennale in Venedig, wo ich mir gerne statt Radieschen unter anderem diesen Kronleuchter von unten und weitere Installationen von Skuja Braden anschauen möchte. Die NordArt natürlich. Und dann, fast unterm Radar dieses Mal, ist ja auch wieder documenta. Angeblich wird dort auch Kunst gezeigt, leider bestimmten im Vorfeld Diskussionen und Querelen das Bild. Bitten icht nachmalen. Beim letzten Mal habe ich auf der Reise nach Kassel zufällig eine bekannte Bloggerin im Zug getroffen. Dieses Mal wird es dank 9-Euro-Tickets bestimmt eine Blog-Parade werden. Vielleicht fahren aber auch wirklich alle nach Sylt.

MerzBow | von kid37 um 15:25h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 21. Dezember 2021


Merz/Bow #70



Der US-Autor T.C. Boyle führt auf Twitter einen absichtslosen Strang mit absichtslosen Fotos, Malereien und Bilder und Bemerkungen insbesondere über Eier. Da ich nur schwer einen Witz auslassen kann, kam es zu einem kleinen Match in der Kategorie Games with Names, bei dem es nach der ersten Runde 1:1 steht. Sehr nett.

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Am Morgen darauf erwachte ich aus intensiven Träumen, in denen ich an meinen neuen Freund T.C. dachte. "T.C.", sagte ich mit einer an Hardy Krüger erinnernden rauen Stimme, "T.C., wir sollten mal ein Bier zusammen trinken". Vielleicht könnten wir dabei auch in Schwarzweiß auf ein nebelverhangenes Flugfeld starren. Jedenfalls sollte der Beginn einer ganz wunderbaren Freundschaft auch standesgemäß begossen werden.

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Auf Social Media ist es übrigens leichter, mit international bekannten Menschen in Kontakt zu treten als mit deutschen Sozialkanalbetreuern ab einer gewissen Followerzahl. Hier ist die Chance auf eine Reaktion sehr gering, während (vorbildlich) Patti Smith, Gillian Anderson, Viv Albertine, Kim Gordon, aber auch Caroline Peters zum Beispiel (um mal in meinem Social-Media-Autogrammbuch zu blättern) einfach unkompliziert freundlich sind bzw. wissen, wie man Fans und Publikum bespielt. Es liegt wahrscheinlich schlicht daran, daß die zunächst mal einer anderen Profession nachgehen und nicht als bloße Meinungs- und Kommentierberühmtheiten auf ihren Internetstatus achten müssen.

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Bin vom Hamburger Boosterspiel überfordert, das liegt aber deutlich auch an mir und nicht nur daran, daß etwa mein Drucker ausgefallen ist und keine geforderten Einwilligungserklärungen ausliefert oder an starren "Sechs Monate, sonst heim!"-Grenzen oder Warteschlangen ins Ungewisse. Aber von allem eine Messerspitze, das macht schon was aus. Mental Overload, auch ein schöner Bandname. Ich bunker mich einfach ein.

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Interessanter als solche Banalbetrachtungen sind übrigens Projekte wie The Alternative Limb Project. Funktional bis Spielerisch werden hier Prothesen aufgebohrt, umgedreht, verschnörkelt oder in neue Sinnzusamenhänge verwoben. Das ist immer überraschend, oft verblüffend, manchmal auch provokant. Schönes Freispiel für enge Reha-Räume.

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So oder so, am Ende gilt: "You're the only one who matters".

MerzBow | von kid37 um 19:05h | 9 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 24. November 2021


Merz/Bow #69



Von dem Drucke: In meiner kargen freien Zeit bin ich derzeit damit beschäftigt, aus Altteilen vom Straßenrand eine Maschine zu bauen, mit der ich Impfverweigerern Druck machen möchte. Dazu steckt man einen solchen Pandemiedully in den rostigen, aber sonst intakten Hartschalenzylinder, dreht an der Kurbel und beobachtet den Druckanstieg auf dem kleinen Manometer. Springt der über fünf, wird auch der härteste Wissenschaftsleugner weichgekocht - dann heißt es, Arme frei zum Gebet und Glück auf, die Spritze kommt.

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Muß jetzt mal Schluß sein mit diesem endlosen Lavieren auf meine Kosten. Bin vulnerabel und nicht verhandlungsbereit. AND THAT'S OFFICIAL!

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Verfolge seit Jahren die Arbeiten der in Großbritannien lebenden Künstlerin Julia Soboleva (Instagram), von der ich auch zwei fantastische Drucke besitze. Jetzt hat sie gemeinsam mit dem kleinen französischen Verlag Joie Panique ein noch kleineres Buch herausgegeben, das sehr hübsch geworden ist.

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Wie schnell doch die französische Post Bücher liefert. Und wie günstig. Man zuckt da schon wehmütig zusammen, wenn man die Entwicklung der Portokosten für den kleinen Kunst- und Warenverkehr in den letzten zwei, drei Jahren betrachtet.

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Übrigens ist das Buch auf hundert Exemplare limitiert. Ich habe die Nr. 32 erwischt. Wieviel Pech kann man haben?

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TWASBO sucht Störschreiber.

MerzBow | von kid37 um 17:43h | 9 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 23. August 2021


Merz/Bow #68



Ich frage mich, wer diesen Infotext geschrieben hat. Was geht in diesem Menschen vor? Warum dieser Hass auf Sprache? Oder ist das ein Hilfeschrei, eine verschlüsselte Nachricht? Ein Wesen vielleicht aus einer anderen Dimension, ein Geist? Immerhin handelte es sich bei der "Disk" um eine aus der 2. Staffel Twin Peaks. Mysteriös, aber irgendw. auch brut., ein Umg. m. Sprach., d. an e. Psychofol. erinn. Vielleicht war es ursprünglich rückwärts formuliert.

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Widerstand ist möglich. Initiativen und Indie-Verleger wie Ugly Duckling Presse versuchen, Medienhäuser, Autoren, Käufer und Leser zu sensibilisieren für eine Welt jenseits von Amazon. Hyperallergic berichtete.

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Immer dieser spannende Moment, wenn es heißt "This Tumblr may contain sensitive media". Große Erwartungen, die sich nach dem beherzten Klick auf "View Tumblr" oft als übertrieben entpuppen.

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Wie zum Beipiel beim harmlosen Blog Moonhunter, das Fotos von Flor Garduño, Cartier-Bresson, Man Ray oder Edward Steichen sammelt. Die Tumblr-Zensurstelle wurde dennoch nervös. Kunst wirkt.

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Der nervigste Trend der letzten Jahre röchelt, ist aber immer noch nicht tot. Ich rede von "Lab", dieser unter Kulturinstitutionen oder Festivals weit verbreiteten Marotte, Webseiten als Design-Laboratorium zu gestalten, so daß andere Kulturinsider zwar juchzen, normal Interessierte und Besucher aber nur sehr mühsam zu relevanten Informationen wie Öffnungszeiten und -bedingungen, Eintrittspreise und Anfahrtswege pi&pa&po gelangen. Gerade frisch wieder bei der Phototriennale Hamburg, die statt einer übersichtlichen GUI allen Ernstes den Marquee-Befehl aus den 90er-Jahren reanimiert. Wie so was auch in spannend und übersichtlich geht, zeigen Leute, die auch was verkoofen wollen wie (wahlloses Beispiel) der durchentwickelte Komplex Industrycity in Brooklyn, N.Y.

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Man könnte eine Kulturfestival oder -institutionsseite ja mal so gestalten wie den Infotext meines BluRay-Players. Alles in so einer gewissen dadaistischen Radikalität getextet. Ich biete mich an.

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Die Kommentare auf Youtube sind zurecht verschrien. Manche aber haben eine ganz eigene Poesie. Das sind Menschen die technische Dokumentationen und Infoscreens betexten sollten.

The repetitive mixture of major and minor cords in this song just makes me feel cozy in a very melancholy way, like a long hug from a friend who makes you feel bad about yourself, and who you probably having feelings for you don't know what to do with, so you bottle them up. A quiet adolescent heartache. Safe and nostalgic and deeply, deeply pathetic, but most all just sorta painful in an oddly reassuring manner. (Q)

MerzBow | von kid37 um 13:52h | 4 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 23. Juni 2021


Merz/Bow #67



Kinder, wie die Zeit vergeht: 20 Jahre Antville. Blogger, die wo Abitur haben und vernünftigerweise "das Blog" sagen. Das waren die großen Cousins und Cousinen, die ein Blog bei Antville hatten, haben, wiederkehrten. Ein paar habe ich 2005 immerhin beim "Blogmich" in Berlin gesehen, gehört, gesprochen. Man ist sich so lange her. Ich hatte kein Blog bei Antville, wg. zu spät. (Bin ja sehr jung.) Halte mir als stille Reverenz aber eine Ameisenstraße auf der Tastatur.

Gesammelte Texte zum Jubiläum: 20 Jahre Antville

Ekkehard Knörer im Merkur (PDF)

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via Sakana übrg., einen der ersten Blogger, den ich in Hamburg kennenlernte. (Alles beschrieben im Roman Marktstube, früher.)

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Da ich gerade so ein bißchen Zeit am Tag habe, kam ich endlich dazu, noch einmal durch die auch schon lange Geschichten von Blonde Redhead zu gehen. Die in ihrer freigestimmten Frühphase ja an Sonic Youth erinnerten, einen Vergleich, den sie aber im Booklet zu Masculin / Feminin, der tollen Kompilation der ersten beiden Alben, beklagen. Andererseits hatte aber Steve Shelly von Sonic Youth die einst produziert und auf seinem Label herausgebracht. So hängt alles mit allem zusammen. (Foto zeigt die Band in der Canal Street in New York, was eine große Stadt in den USA ist.)

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Habe mir jetzt aus verschiedenen Gründen erstmals ein Auto gekauft, das aber noch nicht zugelassen ist. Natürlich ein Camper, wie es viele derzeit machen. Hervorragend geeignet für einen kleinen Ausflug (habe schon seit 1972 keine Ausflüge mehr gemacht), ausgebauter Dachraum für ein Nickerchen. Möchte damit aber ins Autokino, denn vom Aussichtssitz ist die Sicht hervorragend.

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Interessiere mich insgesamt sehr für Pilze, seit ich einen Bericht im Fernsehen gesehen habe, in dem zwei junge Damen aus dem Süddeutschen, glaube ich, proträtiert wurden, die in ihrem Altbaukeller Pilze züchten und an Restaurants verkaufen. Die Gewächse hängen in Plastiktüten (darin: Nährboden) im naturfeuchten Keller und werden, sobald sie weit genug aus kleinen Löchern herausgewachsen sind, einfach abgeschnitten.

MerzBow | von kid37 um 14:26h | 6 mal Zuspruch | Kondolieren | Link