Sonntag, 19. Juni 2011


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Jetzt hätte ich beim Rausschauen aus dem Fenster fast eine Herbstattacke bekommen.

(die gute Nachricht: In sechs Wochen kommt schon wieder die neue Herbstmode.)


 


Montag, 6. Juni 2011


Jetzt erstmal liegen bleiben



Vor der Sommerpause noch einmal Bewegungsprogramm. Musik zur Nacht, flirrende Lichter, Mädchen in engen Sixties-Kleidern, schwubbernder, krächzender Soul unten am Hafen und Wehmut im Herzen. Im Goldenen Salon läuft Beatprogramm, das Publikum ist sehr jung, die Ponys sehr gerade, die Kleider kürzer. Hier wird die Hoffnung herbeigetanzt: Bei "I Saw Her Standing There" von der Gruppe aus Liverpool ist die Tanzfläche schweißtreibend voll. Diese Jugend ist nicht verloren.

Nächster Tag dann schneller als die Sonne zum Frühstück nach Eimsbüttel, es ist bereits unangenehm heiß, als ich ankomme. Auf dem Flohmarkt (jetzt also: Eppendorf, man muß es leider so sagen) schleicht der Chefredakteur einer großen Hamburger Wochenzeitung in dicker Cordjacke durch die sengende Hitze. Kurz darauf sehe ich noch Deutschlands großen Kameramann mit schicker Sonnenbrille und verweile wenig später kurz vor dem Geburtshaus von Jan Delay, das eine illustre Geschichte aufweist und überhaupt sehr schön ist. Man sollte geführte Touren anbieten: Hamburg, wo man kennt. Auf den glühenden Tischen hingegen finde ich nichts, bemerkenswert viel Plunder hat den Weg aus den Kellern und Abseiten nach draußen in die Sonne gefunden. Es muß alles da liegen bleiben.


 


Sonntag, 5. Juni 2011


Du wirst es nicht auszählen können



#1 Österreicher 1 - Marmeladinger 2, das soll wohl die Ordnung der Dinge darstellen. Die Tagesereignisse ziehen nach ihren ganz ähnlichen gerechtigkeitsfernen Gesetzen vorbei. Am Ende watet man wie ein Metzger im Blut, giert nach einer Fluppe und dem Heulen der Fabriksirene, geht hungrig hinunter zum metallenen Tor, wo mir Frauen Gurken schenken. Ich bin doch nicht Jeck, sage ich, da pfeife ich doch drauf. Der Tag indes liegt da wie heiße Rotze im Tee.



#2 Alles ein aufgewärmter Schlotz. Ich sage, ich esse nichts, ich trinke nichts, ich atme eine Erinnerung. Hinter den Kulissen malt eine unverfroren an der nächsten Fälschung, ich tippe ihr auf die Schulter und sage, das kenne ich nun schon, diese Geschichten, gleich klimpern Sie mit den Augen, lachen eine Spur zu laut, malen ein falsches Datum darunter oder erklären, da sei nix, ich würde mich täuschen, wo ich doch ganz genau sehe, wer hier der Täuscher ist.



#3 Alles bloß annagen. Die Momente festhalten. Manchmal, so erkläre ich später, sei es mir fast schon zu viel. Weil ich denke, die meinen das womöglich wirklich ernst, an den Stellen, wo sie mich aufziehen könnten oder einen Hintergedanken haben. Man muß auch das aushalten können. Man muß das auch aushalten können. Man muß da ganz tapfer sein.


 


Montag, 2. Mai 2011


Baby, It's You



Den Maibaum umtanzt, der heuer ausschaut wie eine vergessene Weihnachtsdekoration und etwas welk über der Reling hängt. Wellenglitzern in der Abendsonne (das kann nur Hamburg, Baby, sag ich so zu einer Unbekannten), scharf geschnittene Sixties-Anzüge und der dringende Wunsch, nach Jahren mal wieder eine Zigarette zu rauchen. Die trotzig ertragenen Widrigkeiten. Tanzen gehen.

Die alten Geschichten sind die alten Geschichten. Und immer noch eine wertvolle Lektion.

>>> Geräusch des Tages: Baby, It's You


 


Mittwoch, 27. April 2011


Ostern ohne Feuer



Also folgendes, man denke sich das so in der Kurzversion: Herr Kid versucht, Frau Gaga Obstblüten mitzubringen und kommt auf den Hund. Nachdem es zuletzt nämlich nicht mit dem Übersetzen ins Alte Land geklappt hat, unternahm ich es nun, weiter östlich den Stadt- und den Weltkreis zu befahren und der Frau Gaga die blaue Blume der Ostbaumblüte zu fnden. Das Spadenland ist da allerdings nicht so ergiebig, der Rhythmus aus Deiche, Felder, Deiche, Felder wird dort eher von dem ein oder anderen Windrad synkopisch durchbrochen, denn von einem Apfelbaum.

Dafür schießt ein kleiner aufgebrachter Hund aus einem Wohnmobil, dem Radler nach der Wade schnappend, verfolgt von einem Rentner mit hochrotem Kopf. Warum, schreit er, man nicht anhalten würde. Und, noch nie in freier Wildbahn, sondern immer nur im schlechten Sketch gehört, auf meinen Protest und Vorhalt setzt er tatsächlich nach mit: Der wolle "doch nur spielen". Allein dafür lohnt es sich ja schon, ab und an wenigstens die heimische Bibliothek und Dunkelkammer zu verlassen und auf Menschen in der sogenannten Realität zu treffen. Demnächst, ich bin fast sicher, werde ich irgendwo unten am Deich auf eine Mario-Barth-Type stoßen (haha, "stoßen"!), der mir was von einer gewissen "Uschi" erzählen will. Hömma.

Zuerst aber betrat ein weiterer Hunderentner die Bühne und behauptete, ich hätte den Hund ja "selbst herangepfiffen". Was für ein gut erzogener Hund, denkt man still bei sich und mit augenrollendem Blick zum Himmel, läuft in Radfahrer, läßt sich von Fremden heranpfeifen... innerlich aber habe ich mich in solchen Momenten längst zurückgelehnt, weil ich denke, daß ist jetzt ein absurdes Theaterstück, schreib mal schnell die Dialoge mit, gleich erzählt jemand was von Nashörnern, die auf einen gewissen G. warten. Pfiffe also. Tinnitus vielleicht oder ausgedehntes Sitzen in der Sonne, ohne Obstbäume fehlt es dort eben auch an Schatten.

Ringsum zudem eine Badeseestimmung: eine ins Endlose geparkte Autokarawane, Ostermotorräder, auf dem Uferstreifen Decke an Decke an Decke. Der Mitmensch als seine eigene soziale Plastik am Wegesrand, aber ohne weitere Wärme.



Mit der schwimmenden Tanzdiele durch den nächtlichen Hafen, andere Eindrücke, andere Spacken. Durch einen Studenten, Ende 20, Typ Sauberbravgeleckt, letzteres aber nur von der hütenden Mutter und einem spuckegetränkten Taschentuch, spricht sein eigener Vater, Typ BenzvorderTür. Die Freundin deutet ans Ufer, fragt, ob es Hausboote seien, er antwortet wie fest ins verengte Weltbild gemeißelt: "Das sind so Spinner." In Fahrt gebracht, moniert er die angeblich "katastrophalen hygienischen Zustände an Bord" und kommentiert die hier und da im Hafen untergebrachte Aktionskunst mit "entartet". Zum Glück macht seine Freundin eine spitze Bemerkung, so daß bald Ruhe eintritt, während ich schon denke, noch ein Wort, Junge, und du gehst über Bord. Ist Hamburg hier, das geht ganz schnell.

Die Ufer sind dunkel, nur vereinzelt schlackern kleine Feuer durch die Nacht. Mich hält die Reling fest und die Sehnsucht über Wasser.

>>> Vamos!


 


Mittwoch, 13. April 2011


Melodramen

Von meinen bislang 37 Romanen hat sich ausgerechnet Wer liebt den Wasserfall, wenn er ganz unten ist? am besten verkauft. Ein kitschiger Schinken, eine Gelegenheitsarbeit, gespickt mit Kalendersprüchen und abgewandelten Benjamin-Franklin-Lebensweisheiten, die mich wie lästige Fliegen umschwirren und ebenso schwer abzuschütteln sind.

Trost allerdings spenden sie mir in diesen Tagen, alldieweil die elektrischen Rechner in meinem Haushalt sich wie trotzige Teenager aufführen, wichtige Betriebsbestandteile vor mir verborgen halten und steif und fest behaupten, von einer Veranstaltung namens "Internet" noch nie etwas gehört zu haben. Wenn ich darum bitte, im virtuellen Haushalt mitzuhelfen, den Blogmülleimer runterzubringen beispielsweise, neue Fotos einzukaufen oder eine MP3-Datei fürs Abendbrot vorzubereiten, heißt es nur Pfff, es wird gelangweilt an der Festplatte gedreht oder sie vor meinen Augen aufreizend und provokativ hochgejault, daß man gleich schimpfen möchte, He, laß das bitte, die geht kaputt, aber man weiß ja wie das ist mit pubertierenden Systemen: schreit man sie an, schreien sie bloß lauter.

Mit Hilfe der therapeutisch arbeitenden Super-Nanny Linux allerdings, eine warmherzige Mama vom Stamme der Ubuntu, die mit gütigen Händen und erstaunlichen Einblicken in die vor den erziehungsberechtigten Administrationseltern verborgenen Systemdateiwinkel der Windowsseele dem verbockten Familienmitglied das ein oder andere bedrückende Problem entlockt und mit ein, zwei, drei Kopierschritten wieder geraderückt, ist immerhin bereits so etwas wie Friede am Frühstückstisch zurückgekehrt. Zersplitterte Ini-, Def- und Sys-Dateien liegen zerschlagenem Geschirr gleich noch herum, dafür sind die offenbar zum Haarefärben zweckentfremdeten guten Handtücher nur leicht lädiert im Schrank wieder aufgetaucht.

Kurz gesprochen, die Rechenmaschinen benehmen sich wieder einigermaßen wie verläßliche und nicht nur von Launen gesteuerte Mitglieder meines kleinen Haushaltverbunds. Ein bißchen Aufräumen, vielleicht noch einmal väterlich über diese merkwürdige Frisur reden oder den pöbelhaften Ton, der sich hier und da noch einschleicht, dann aber heißt es hoffentlich bald wieder, wir sind one family, ein Team und können bald gemeinsam wieder diese kleine Bloghütte befüllen.


 


Montag, 11. April 2011


...a hell of a tester

Zuletzt wieder Schüsse hier im Ghetto, nachdem neulich erst einer seinen Wagen nach einem während der Fahrt erlittenen Kopfschuß in die benachbarte Grünanlage lenkte. Von wegen Rentnerviertel. Diesmal ist alles noch schlimmer, "Beziehungstat" sagt man dann, und: er war so ein harmlos wirkender, unscheinbarer Nachbar, und man fragt sich, wann endlich diesen "Sportschützen" die Knarren abgenommen werden.

Vor zwei Jahren wurde im Parkhaus des gegenüberliegenden Fitneßstudios auf einen Luden geschossen, später feuerte einer mit einer MP auf der nahen Tankstelle herum. Ein Nachbar ballert manchmal nachts raus auf die schlafenden Enten unten am Kanal, das wiederum hat fast schon so was folkloristisch-hinterwäldlerisches, demnächst wird er auf seinem Balkon Eichhörnchen grillen.

>>> Ria van Dijk sammelt seit 1939 bis ins hohe Alter ihre Selbstporträts vom Foto-Schießstand auf der Kirmes.


 


Sonntag, 3. April 2011


Gegabelte Landstraßen



23° - Wie ein plötzlich aufplatzender Riß im Lack durchbrach ein Vorgeschmack auf Sommer den kaum entfernten Winterdreck, die Schuhe also schlurften über den Gehsteig durch Reste von Splitt und Sand, mit dem erst kürzlich noch das Glatteis stumpf gemacht wurde, frisch nachtätowierte Oberarme staken bleich und entzündet aus noch frischer gewaschenen T-Shirt-Ärmeln, Mädchen versteckten ihre übernächtigten Augen hinter dicken Sonnenbrillen, verpennte Menschen wunderten sich in gefütterten Übergangsjacken, woher auf einmal diese wie unschuldig aufspielende Temperatur kommen mochte. Kurz: der erste Frühling ist noch nicht einmal da, da witterten manche schon den zweiten.

(Verpaßt aber: die Zwillings-Eröffnung, die Gettys völlig vergessen, aber ich mußte mal wieder den Kopf rausziehen aus all den Vernissagemenschen. Diese Woche ist viel zu tun, Phototriennale in Hamburg, und ich habe natürlich überhaupt keine Zeit.)

Denn ich bekomme die Worte immer noch nicht zu Papier. So viele Erinnerungen gilt es zu ordnen. Wie wir irgendwo in Frankreich durch die Nacht fuhren, Sigur Rós in diesem altem Discman, den ich auf das Armaturenbrett geklebt hatte, ich sagte, ich führe nachts am liebsten und träumte, während du auf dem Beifahrersitz schliefst. Ich drehte die Musik schließlich lauter, weil mir niemand mehr antwortete und dachte, eingehüllt in eine Wolke aus Klang wie in einer glänzenden Rettungsdecke, toll, ich kann die Seitenbegrenzungen nicht mehr sehen, dieser kleine Suzuki hat doch tatsächlich soeben wie auf Schmetterlingsflügeln die Fahrbahn verlassen, schwebt durch die Nacht, gleitet wie ein rotlackierter Tänzer in eine interstellare Umlaufbahn, und ich sagte wie ein huldvoller Galan, der die ersten Blumen des Jahres überreicht, schau mal, die Sterne da links und auch die da rechts, die schenke ich alle dir. Dann aber kam die Mautstation, und du sagtest, aus dem Schlummer erwacht, man müsse doch im Leben echt für alles bezahlen.

>>> Geräusch des Tages: PJ Harvey, Silence


 


Montag, 28. März 2011


Nach der Luft greifen



Den kühlen Wind in die Gardinen lassen, breit geöffnete Fenster, den ersten Kaffee ins Licht halten, mit den nackten Füßen einen Sonnenfleck auf dem Fußboden suchen, Agnes Obel singt etwas dazu. Ein Reklamemoment, ein Sonntagmorgen nach einer zu kurz geschraubten Nacht, Zeitumstellung, eine kleines Bier in einer noch kleineren Bar, verstreute Menschen in der U-Bahn, vier Uhr, fünf Uhr oder sechs, man rät und rätselt und malt sich eine eigene Zeit.

Die Energie kommt dieser Tage nicht mehr aus der Steckdose. Auf dem Rad kurbel ich ein paar Kilometer hinunter bis über die Schleuse, am kleinem Landhaus vorbei, gegen das nun doch so vieles spricht. Zu Hause wartet Arbeit, lesen will ich, einen waghalsigen Brief formulieren, umschalten vielleicht, abschalten. Den Kopf zum Träumen unter das Kissen schieben, zum Weinen vielleicht oder Schlafen, das Ticken der zu spät verstellten Uhren dabei wie ein achtlos schlagendes Metronom. Beim Lesen deines Briefes hatte ich gar nicht gemerkt, wie das Papier mir in die Finger schnitt.

Im Mund berge ich etwas Dunkles, die Zähne verfärbt, Staub auf der Zunge, ich lasse den Wind hineinpfeifen, in den knirschenden Ritzen wühlen, Blut hinausspülen, mir Worte hineinlegen, die ich später, zurück am Schreibtisch vergessen haben werde.

>>> Geräusch des Tages: Agnes Obel, Close Watch


 


Sonntag, 20. März 2011


Yippie-yah-yah-yippie-yippie-yeah



Mir geht es manchmal so wie in einem dieser wirklich lebensgefühlahnenden Spots eines großen Heimwerkermarktes. Auferstanden ist er, welcher lange schlief zitiere ich Heym, fühle dieses Pulsieren in meiner Brust und das Verschmelzen meiner zarten Muskeln in die kinetische Energie eines Vorschlaghammers.

Lange schon währte das Gerücht, ich wolle endlich mal das in meinem privaten Umfeld mittlerweile mythisch gewordene Fliesenprojekt (verewigt in meinem Buch The Fliesen Years, Bd. I- III) in Angriff nehmen. Das gebar sich einer seltenen Sternenkonstellation gleich vor Jahren bereits in meinen Kopf, denn in der Duschecke war der Fliesenspiegel bedauerlicherweise viel zu niedrig angesetzt, die Wand durch mehrfaches Nachstreichen und ewiges Trockenrubbeln zudem mehr als unansehnlich geworden. Die Keramik, eine der frühen Formen des menschlichen Kulturschaffens, schien mir eine elegante Lösung.

Nun, wir nähern uns in schnellen Schritten der Moderne, galt es nachzudenken. Und noch ein wenig nachzudenken. Wenn, so die kühne Idee, ich schon bereit war über den Rubikon zu schreiten, warum nicht gleich wie einer dieser Internetradikalen in großen, von verklemmt analem Machbarkeitsdenken völlig losgelösten Dimensionen denken? Andere fliesen, dachte ich. Ich baue ein Taj Mahal. Auch ein Deckenfresko, wer ist schon dieser Michelangelo?, kam mir kurz ins innere Gespräch, das muß dann immerhin schon so kurz nach dem WM-Endsieg 1954 in Bern gewesen sein.

Nach der Ölkrise und dem Ende der Boomjahre aber stutzte ich mich und meine pfauischen Höhenflüge (Können die überhaupt fliegen?) zurecht, tauschte Michelangelo gegen Oskar Schlemmer und weiße Fliesen und hatte jetzt nur noch das Problem, diesseits von Dessau ein geeignetes Bauhaus zu finden. Als unmotorisierter Mensch ist ja das Thema "Materialbeschaffung" immer wieder ein pointenreiches.

Zwar half mir zunächst mitleidsvoll eine stadtbekannte Bloggerin mit ihrem E10-befeuerten Mobil, aber dann gab es neue Probleme, dann schien die Sonne, dann mußte ich arbeiten und dann hatte ich keine Zeit. Zwischendurch juxten sich mittlerweile zu Ex-Freunden gewordene Mitmenschen durch mein unverfugtes Heimwerkerleben, neckten mich hier, eskalierten mich dort, empfahlen frech irgendwelche Mareks und Pjotrs, reichten mir von Laternenpfählen gerissene Telefonnummern und unterließen auch sonst keine noch so ehrabschneidende Heimwerker-Insinuation. Einfühlsame Frauen brachte ich mit dem Vergleich "Du möchtest einen Kuchen backen? Frag doch mal meine Exfreundin, die konnte das super!" schnell auf eine verständnisvollere Linie, bei den Männer war es schwieriger. Manche machten sich eine diebische Freude daraus, mal eben ein Haus zu entkernen, bloß um mich zu beschämen, oder sich wie mein Bruder zu benehmen, der daheim auch gerade Betonböden gießt, während ich noch mit einem Ral-Farbfächer über der Frage meditierte, ob man nicht mit einer tollen Kontrastfabre (zum Beispiel ein schönes gestuftes Schwarz) einer weißen Fliese den edleren Schliff geben könnte. Andere Männer fragten pragmatisch, ob ich denn schon wisse, wie ich sie schneiden werde?

Ich mache es kurz: der bei anderen bewährte Kniff mit dem Glasschneider taugte bei mir jedenfalls nichts. Ich schiebe das auf den Glasschneider. Jetzt aber, und ich meine "Buckelvolvo" das ist so Eighties!, kommt der Hammer: Ich bin nun im Besitz einer metallblitzenden Fliesenschneidemaschine! Da macht es Ritsch- und Klick - und schon ist so eine Hartgebrannte halbiert. Und wenn ich mit dem Ding unter dem Arm samstags durch die Innenstadt marschiere, werden alle Frauenherzen weich.

Gut angelegte 20 Euro also. Und nun kam die Zeit, da ich Zeit hatte. Und mäßiges Wetter dazu! Und fast alles Material! Was also lange währte, wurde dieser Tage endlich gut. Meine Lernkurve, he, es war mein erstes Mal!, war sehr hoch, aber zufriedenstellend. Ich weiß jetzt zum Beispiel, warum Fliesenleger ein ehrenwerter Ausbildungsberuf ist, der über drei Jahre geht. Und ja, mich lachte zum Glück kein Meister schallend aus, nachdem er mein Werk in Augenschein nahm und meinte, "Min Jung, das kannste alles wieder abschlagen. Und dann machst du es noch mal, aber richtig." Dafür macht es ein Heimwerker ja schließlich heimlich! Ich sage es mal in der mir bekanntlich innewohnenden diplomatischen Art: Beim zweiten Mal wüßte ich, auf welche Dinge ich stärker achten könnte. Aber auch so: astrein.

Man möge mich bitte auch "Mr. Silikonfuge 2011" nennen. Da, so erkläre ich ohne künstlich reduzierten Stolz, habe ich ein Händchen für. Beziehungsweise einen in Spüli getränkten Finger, mit dem ich kinderpopoglatte Fugen streichen kann als würde ich die Saiten einer Stradivari kosen. Ich geriet darüber in eine gewisse Ekstase und hätte am liebsten sofort meine ganze Wohnung silikonverfugt, schön dauerelastisch wie sonst nur mein Verhältnis zu schwierigen Mitmenschen.

Yippie-yah-yah - und als nächstes lerne ich Balkonbau. Danke fürs Zuhören und die große Geduld und alle, denen ich es auf dem langen, langen Weg versprochen habe, dürfen nun gern zur Einweihungsduschparty kommen. Handtuch nicht vergessen. Ich setze mich jetzt mit einem Glas guten Rotweins andächtig vor meine Fuge und werde vielleicht sogar mein Nachtlager vor ihr aufbereiten.


>>> Was Blixa empfiehlt, kann so falsch nicht sein. Ich möchte aber anmerken: Das hermetische Café wurde sämtlich von einer konkurrierenden Baumarktkette ausgefliest und vom Zementschleier mit einem feuchten Tuch befreit.