Donnerstag, 27. August 2009


Sub & Vision




Was ja immer geht, wenn Besuch in der Stadt ist: Hafen zeigen. So zog ich gestern, nachdem ich zum Schichtende mit dem großen Hauptsicherungshebel die Maschinen stillgelegt hatte, mit Lu zur Eröffnung des Subvision-Kunstfestivals. Auf dem bislang unbebauten Strandkai mitten in der Glasstahlbetonwüste Hafencity hat eine kleine Containerstadt Einzug gehalten, die aber keine Asylbewerber oder Wohnungslose behaust, sondern Kunst.

Überragt werden die Containerkonstruktionen von einer riesigen Tafel, die illustre Sponsoren dieses Festivals verzeichnet, der Hauptplatz befindet sich in einer Wagenburg aus Getränkeständen, Bars und Imbißbuden. Der Kunst-Imbiß steht etwas abseits. Man wird den Eindruck nicht los, einer Alibiveranstaltung für die Bewohner dieses künstlich erschaffenen Viertels beizuwohnen, die arm zu nennen, von wahrem Mitleid zeugt. Da ist ja nichts! in dieser Betonwelt, außer gläsernen Balkonen, auf denen man gelhaarige Businesshemdträger beobachten kann, die allesamt aussehen als arbeiteten sie bei einer maroden Landesbank.

Jetzt stehen sie an Häppchentischchen, eine Hand lässig in der Hosentasche, die Chipkarte für die ETW, 102 qm, 2 Balkone, umklammernd, in der anderen eisgekühlt Spritziges, Ziermöhrchenpartner an der Seite, großmännischer Blick aufs Hafenbecken. Kunst sehen sie nicht, das Gedränge um die Container ist groß, die Türen schmal, aus einem Zelt dringt das aus der Zeit gefallene Werk eines Musikunterhalters, bei dem wir darauf wetten, daß er gleich "She's Fresh" von Kool & The Gang spielt, damit ein Fransenslipper wippt. Lu wartet auf "Funky Cold Medina".

Die Kunst, das muß man einräumen, hat es schwer, gegen die imposante Kulisse des Hafens anzustinken. Während die Sonne langsam untergeht (über Bali und Shanghai), sitzt man lieber auf einem gemütlichen Platz, schaut aufs Wasser, lacht über Vergangenes, blickt den auslaufenden Schiffen hinterher in die Zukunft, wickelt sich ein in den letzten Rest der warmen Abendsonne, der milden Luft, genießt die Gegenwart des Augenblicks und malt irgendwelche Zeichen in den Sand. ("Subvision". Hamburg, Hafencity. Bis zum 6. September.)


 


Montag, 24. August 2009


In die Gänge kommen





Am Wochenende lockten die Abbruchhäuser des Hamburger Gängeviertels zur umfangreichen Kunstbeschau. Der Block aus Wohnhäusern und alten Fabriken steht seit langem leer, nun ist ein Investor gefunden, der letzte Lücken im umliegenden Glas- und Betongeflecht schließen, solventen Mietern schicke Lofts bauen und in Hamburg dringend benötigte Büroräume in diesen Stadtteil setzen will. Letzte Spieltage also für ein paar spontane Ateliers und Galerien, um Löcher in Boden und Wänden herumzumalen, Bilder zu hängen und Installationen zurechtzudengeln, während unten im Hof die Würstchen schmurgeln und ein Soundsystem wabernde Baßfrequenzen durch die maroden Treppenhäuser schickt.





Im Hof singt eine Dame zum Klavier, in den Häusern gibt es Licht, öfter auch Schatten, das trifft natürlich wie immer auch auf die gezeigten Werke zu, aber am Ende zählt ja auch die Atmosphäre des einmaligen, des besonderen, die Energie, die aus den Wänden schwitzt, die Erinnerung an die alten Bewohner, die Geschichten unter den abgerissenen Tapeten. Im Kinderzimmer noch ein Lichtschalter von Winnie the Pooh, ein Mädchen hat in alle Spülbecken Blumen gestellt. In den alten Backsteinfabriken die unwiderbringlichen Details, schmiedeeiserne Fenster, verrostete Feuerleitern aus Metall, kleine Balkone, Industriesicherungen und Meßgeräte, dazwischen Schmetterlinge, die grazil um die Kunst tanzen.




Für ein Wochenende zeigt die Stadt, was möglich wäre, ließe man kreatives Leben in diesen letzten Nischen zu. Gleich nebenan nämlich glotzen neidisch die toten Glasfronten der um diese Zeit geschlossenen Läden und Büros, ausgestorbene Straßen, die auf die Ankunft der Arbeitsameisen am Montag warten.

>>> Webseite vom Gängeviertel


 


Montag, 29. Juni 2009


Flagge hissen



Eine anstrengende Woche. Die Verkehrsbetriebe zeigen ihr unangenehmes Gesicht, Ohnmacht vor dem kafkaesken Beamtenapparat, so Kram halt, wie man hier sagt, was könnte man sich bloggend echauffieren, wäre Empörungsbloggen nicht so 2006. Wie schön, wenn dann die Großsegel der Miagolare-Brigg im Hafen auftauchen, an Bord einen Haufen anderer Gedanken und Grüße vom Rhein.

Matrosen der Herzen, so tuckern wir elbabwärts, erklimmen die Treppen, trotzen dem Regen, der uns aus dem Osten verfolgt, und winken ihm was. In der S-Bahn fange ich an, mich unter den erstaunten Blicken der Blankeneser Bevölkerung auszuziehen, kurz an der Freiheit lecken, wie leicht vergißt man die bloß übergestülpte nordische Zurückhaltung, dabei wollte ich bloß was Wärmeres unterziehen.

Auf dem Weg zum Essen bei Herrn Krüger untergeschlüpft. Der zeigt zur Zeit viel Buntes vom humorvollen Martin Nill, dessen "Wohnzimmermuseum" ich hier einst lobend erwähnte. (Hui, wie die Zeit vergeht.) Kein Grund, hier Rätsel auszusprechen: die kleinen hintergründigen, boshaften, derben, traurigen und oft einfach nur putzigen Skulpturen sollte man sich selbst ansehen. Hier gibt es ein paar Bilder. Bankkarte nicht vergessen, ihr werdet das alles haben wollen.

Wasser, Kunst und dicke Schiffe. Am Ende haben wir noch sehr gelacht. Kaperbilanz ganz ohne Blendlaternen.

Im Ohr, etwas mit Autumn. Der Klang der Nacht.


 


Mittwoch, 24. Juni 2009


Ganz von selbst




Das Altonaer Museum ist ein Heimatmuseum mit Sammelstücken der Region, Bauernkaten, eingerichteten Wohnstuben, alten Kramerläden, einer maritimen Abteilung mit Harpunen, Schiffsmodellen und einer alten Bootsbauwerkstatt, dazu Stadtgeschichtliches und die hochinteressante Sammlung optischer Geräte von Werner Nekes. Derzeit gibt es viel Schmuggelware, Hafenromantisches und Historisches zu Wal- und Fischfang zu sehen. Dazu gesellt sich eine kleine, aber sehr rührige fotografische Abteilung, die in den letzten Jahren immer wieder schwer interessante Ausstellungen auf die Beine stellte. Ich erinnere nur an die Bakterienbilder von Edgar Lissel.




Die Ausstellung Ich 1:1 bietet, man sagt das ja oft sehr leicht, wirklich einzigartige Bilder. Fotounikate aus der von Werner Kraus und Erhard Hössle entwickelten Kamera, für die der Begriff "Großformat" nicht wirklich ausreicht. Die Bilder entstehen ohne jede weitere Bearbeitung oder Vergrößerung im Maßstab 1:1. Ganzkörper-Selbstporträts wie gemalt. Die Kamera selbst steht in Berlin, vielleicht, so war es zu lesen, wird es einmal eine mobile Version geben. In einem Umkehrspiegel kann man aber schon einmal den seitenrichtigen Blick reflektieren: Ein besonderer Reiz, die ganze Gestalt zu erfassen und sich selbst zu gestalten.




Um Selbstinszenierung und Selbstauflösung geht es in der zweiten Ausstellung, die parallel gezeigt wird. Johanna Manke hat in sehr stilvoll ausgearbeiteten Bildern kindliche und jugendliche Lebenswelten nachgestellt, sehr stimmungsvoll, ruhig, fern der grellen, schrillen Schnappschußästhetik um Yo-Kids!, zeitlosere Einblicke in die fragilen Bruchstellen beim Erwachsenwerden, wenn man beginnt, sich abzunabeln, selbst zu endecken, die Verletzlichkeit schützt. Im Besucherbuch der Ausstellung finden sich wie zum Beweis ganz reizende Einträge, die das Thema aufgreifen.


Ok, Hannah. Von Zeit zu Zeit schauen wir nach und stellen einen Teller mit Käsebroten Keksen vor die Tür.

(Erste Liebe - Geheime Orte. Fotoarbeiten von Johanna Manke und Ich 1:1 Portraits aus der größten Kamera der Welt. Altonaer Museum, Hamburg. Bis 27. September 2009.)


 


Dienstag, 2. Juni 2009


Elbart 2009



Pfingsten zeigte sein schönstes Rosengesicht, strahlende Sonne, strahlende Gesichter, rotgestrahlte Rückenpartien, besser, so dachte ich, man geht unter die Erde. Mal wieder lockte die Elbart zum Abstieg in die Tunnelröhre, dort wo sich Lungenkranke Linderung erhoffen und die Kunst die kühlen, krummen Wände ziert. 50 Künstler, 500 Kunstwerke, 5000 Besucher und alles an einem von Hamburgs faszinierendsten Ausstellungsorten. Die Qualität der Arbeiten war wie immer durchwachsen, der Spaß aber durchgehend hoch. Eine wunderschöne Hommage an die Arbeit von Herrn Sakana beispielsweise, Akte auf Filtertüten, Detlef Klein mit seinem "euphorischem Realismus" (großartige Arbeiten mit bitterem Witz), viel Dekoratives natürlich, gesiebdruckte Fotos kann ich auch nicht mehr sehen, dafür die neuen Arbeiten der Edition 8x8, auf Herrn Graf ist Verlaß, ich habe mir den Weltreisenden Fungi Pavel Bratcovicii gekauft, wegen der Fliegenpilze natürlich, aber auch, weil er denselben Forscherdrang wie ich verspürt.

Abends dann, hier fehlt die Pointe, strukturiert präsentierter, aber spontan gekochter Spargel. Auch das paßt entgegen aller Bedenken gut zusammen.

>>> Fotos in den Kommentaren


 


Mittwoch, 20. Mai 2009


Sex & ein paar Tiere






Der Künstler als Pop-Star. Cecily Brown, leidlich junge (unter 40), attraktive Malerin, verheiratet mit dem richtigen Mann (=Traumpaar-Effekt), New Yorkerin (=hipper geht nicht), malt expressive, anstößige, enthemmte, in da face-Bilder sexuellen Inhalts. Die Vorlagen findet sie auf einschlägigen Seite im Netz, dafür gibt es natürlich Punktabzug, Tracey Emin nähme ihre eigenen. Brown ist geschickter und hält die Grenze zwischen Kunst und Leben, weshalb man sich (immer augenzwinkernd und jovial) auch im konservativen Anzug ruhig an ihre Seite stellen darf. Die Ausstellung ist dennoch weniger plump geraten als man befürchten konnte. Die wuselige Mal-Ekstase erstreckt sich mittlerweile auch auf andere (z.B. biblische) Motive, und das sind auch gleich die interessanteren Bilder, auf denen sich das Figurative so gerade eben andeutet, so gerade eben sichtbar herausschält. Viele Tiere gibt es zu sehen.

Die malt auch Herbert Brandl, der den zweiten Teil der Ausstellung beschickt. Manche kritisierten, der Österreicher passe nicht zu den Bildern Browns, aber das finde ich nicht. Er ist ruhiger, konzentriert sich in seinen beeindruckend großen Formaten mehr auf das Abstrakte oder die Landschaft, setzt Farbe gezielter ein. Gefährliche Tiere hat er aber auch.

Ich erkläre meiner Mutter am Telefon die Situation. Nachgemalte Pornobilder aus dem Internet", fasse ich zusammen, bin mir aber nicht sicher, ob meine Mutter weiß, was "Internet" ist. Brandl hingegen , sage ich, hätte manchmal einen leichten Dreh ins Dekorative, das seien Bilder, die man auch gut übers Sofa hängen könnte, was mit Cecily Brown vielleicht nicht so ohne weiteres geht (Meine Mutter: "Aber ins Schlafzimmer vielleicht.")

Die Quizfrage des Abends lautet, Gustav im Pudel. Oder Spargelessen. Ich entscheide mich für Spargel. Der Hunger, es ist ja immer der Hunger.

(Cecily Brown/Herbert Brandl. Deichtorhallen, Hamburg. Noch bis zum 30. August.)


 


Dienstag, 28. April 2009


Darum geht es doch

Gemeinsam im Regen naß werden, gehörte - neben einigen wunderbaren Käsebroten in der alsternahen Mittagspause - zu meinen schönsten Erlebnissen des Sommers 2008. Dazu muß man nicht mal in die Ferne, so ein Island liegt auch in der unspektakulären Nachbarschaft. Sommerregen, Blues Explosion hören, wir werden alle Frisbee im Gegenlicht spielen. Auf der Straße trifft man Ehemalige, sie berichten vom Gefühl der Freiheit, der Leichte, die sich über Druck und Schwere hebt. Hartz-4-Bräune erklärt man lachend zum Inbegriff eines neuen Lebensgefühls, mit dem man die Balance nach dem professionalisierten Leben in der Lifestyle-Gemeinschaft sucht.

Sich ein Heim schaffen für das Innen und das Außen. Daneben das Essen nicht vergessen und auch nicht das Schauen: Beim Gruner & Jahr Photo Award möchte ich Philipp Dietrich und Matthias Keller loben. Ihre Serie, die man "Mit Energie leben" nennen könnte, zeigt in still inszenierten Bildern Tristesse und Sehnsucht in einer polnischen Grenzstadt, die von ihrem Kraftwerk lebt. Eindrucksvoll und vergnüglich auch die Porträts von Yasmin Janin Obst, die Menschen im Museum fotografierte, wie sie Kunst betrachten. Maren Janning führt mit ihrer Reihe Glücklich altern auf Wolke 9. Es gilt, sich anzufreunden mit der eigenen Zukunft - und so schön darf sie gerne kommen.

Mich haben nicht alle Preisträger überzeugt - aus manchen Gründen und auch anderen. Ich würde der Jury gerne mal über die Schulter schauen, um zu sehen, was der Fotografen-Nachwuchs denn so wirklich präsentiert.

(G & J Photo Award 2009. Gruner & Jahr Pressehaus, Hamburg. Noch bis zum 3. Mai.)


 


Mittwoch, 1. April 2009


Was übrigbleibt




So kann man das auch halten. Sich nach der Arbeit schnell noch in die Stadt stehlen, die kleinen müßigen Momente, die man sich nehmen kann und darf und sollte, Slowdive. Vor ein paar Tagen feierte die Galerie von Robert Morat ihr fünfjähriges Bestehen mit Bildern, Blumen, Catering. Ein Fall also für die Neigungsgruppe Kunst & Trunk: Neben den beiden Serien von Jessica Backhaus "What Still Remains/One Day in November" zeigt dort Bernhard Fuchs "Autos".

Ich muß vielleicht dazu sagen, daß ich kein besonderer Fan des Becher-Stils bin. Fuchs, ein Schüler der beiden, fotografierte Autos in unspektakulären Umgebungen, aber mir war das für eine Typologie nicht sachlich und für alles andere nicht atmosphärisch genug. Ich finde das Thema sogar ziemlich gut, es ließe sich in diesen Zeiten prima aufladen, Krise und unbewegte Zukunft, aber mir scheint in diesem Fall manches ein wenig wahllos. Backhaus hingegen hat mit tollen lakonischen Detail- und Alltagsbeobachtungen den Nebenraum vollgehängt. Grund für meinen einzigen Kritikpunkt: "vollgehängt" - ich glaube, hier wäre weniger mehr gewesen. Die Bilder - oder sind es die Rahmen? - ersticken sich gegenseitig, man merkt an den Wänden, an denen bloß einzelne Großformate hängen, sofort, wie die Motive zu atmen beginnen. Die 1970 in Cuxhaven geborene Fotografin zeigt die Leerstellen, das Verschwinden, die Stille und leise Melancholie trister Wohnstuben, den Resten, Fragmenten, achtlosen Splittern und Spuren eines Lebens, in dem die Menschen merkwürdig abwesend scheinen. Auf ihrer Webseite ist einiges davon zu sehen.

(Jessica Backhaus/Bernhard Fuchs. Robert Morat, Hamburg. Bis 5. Mai 2009.)

Flanieren | von kid37 um 11:18h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 21. März 2009


Tagebuch #2

You don't feel like mine anymore
This night i wrestle with pride on the floor
That's cos you don't look back like i look back
That's cos you don't look back like i look back

(The Duke Spirit, "My Sunken Treasure")



Regelmäßiger vorbeischauen, hieß es zuletzt. Berlin in kleinen Dosen, quasi mal vorbeipaddeln, Elbe und Spree, ein Boot führen und nicht nur Gast sein. Eigene Orte schaffen, neue Erinnerungen, die den Blick durch zerkratzte S-Bahn-Scheiben überlagern, wenn draußen wehmütig bekannte Stationennamen vorbeiwischen.



Museum für Kommunikation also, viel Andrang, Gläser klirren, ziehen Menschen an wie eine Lockrufpfeife. Nachdenken über Distanz und Distanzlosigkeit, soziale Scharaden und Dos and Don'ts auf dem Gesellschaftsparkett. Oder besser nicht. Das ist mein Abend, denke ich, beiße mir auf die Zunge, als im Treppenhaus ein Satz an mich gerichtet wird, zu dem ich gleichzeitig "Ja, natürlich, sehe ich genau so" und "Nein, das ist doch nur ein Bild für etwas anderes" sagen möchte. Aber falscher Ort, falscher Anlaß, falsches Gegenüber für so etwas verquer Zerrissenes, Mißverständliches gilt es auszuhalten - und den Springteufel lassen wir an diesem Abend besser im Kästchen. Zumal der Haken bedrohlich geöffnet wurde. Schweigen also im Museum für Kommunikation, ich betrachte die Wände, vor die man gemeinhin die Sachen fährt.






Eigentlich ist der Abend ein Bloggertreffen, dabei gehe ich gar nicht mehr zu so etwas. Wie sich das anhört. Als seien Menschen aus Papier. Mek, Miss Monolog, Kinky und Frau Kopffüßler sehe ich, Frau Casino hat es zu meiner Freude noch geschafft, sagt mir etwas für mit auf den Nachhauseweg, Frau Gaga macht sich leichtbestrumpft davon, das hingegen wird ein Nachspiel haben.

Fliesensuchen, eng bekritzelte Tagebücher aus echtem Papier bestaunen, dann das Holzklotzdiarium von Anke Gröners Opa. Das ist wirklich wunderbar. Sehr faszinierende kleine Details überall, aber ich bin zu hibbelig, ich bin zu aufgebracht, ich bin zu aufgedreht, ich würde gerne allen am Ärmel zupfen, eine Rauchen, einen unglaublich geistreichen Witz reißen, der das toll illuminierte Glasdach aus dem Lichthof sprengt. Oder etwas ganz anderes.

Es gibt schlimmeres, sage ich mal mit hanseatischer Nüchternheit, als zwischen Madame Modeste und Anousch zu sitzen und darüber nachzudenken, ob Nüchternheit wirklich eine Option ist. Während das Gespräch auf nautische Themen kommt, entwickeln Wortschnittchen und 40Something die Idee einer Blogger-Kommune im noch näher zu definierenden Osten. (Ich bleibe dabei, es muß Wasser in der Nähe sein.) Wo aber werden wir unsere Leichen verscharren?

Den Abend über versuche ich, ein Bonmot zu formulieren, das sich um das Produkt dreht, daß Anouschs und meine Heimatstädte verbindet: die Rauhfaser. Irgendwas mit wie etwas in verschiedenen Farben daherkommen kann, aussieht wie eine grobverputzte Wand. Und darunter doch nur, na ja, Papier. Ein Bild nämlich über etwas Zerrissenes. Es klingt albern, es klingt falsch. Berlin ist immer noch nicht richtig, und vielleicht sind an diesem Abend die Menschen einfach zu nett zu mir. Ich möchte Madame Modeste sagen, wie toll sie aussieht, ich möchte schreien, ich möchte laut rufen "Entschuldigung" (kann man ab und zu mal tun), sagen, daß es weh tat, ich möchte etwas in mein Tagebuch schreiben, eine Frage formulieren. Wie oft wohl kann man sein Herz verlieren?

"Der Rest", heißt es bei PeterLicht, "ist Hobby."

("@bsolut Privat!?". Museum Für Kommunikation, Berlin. Bis zum 30. August 2009.)


 


Freitag, 6. März 2009


In Our Own Image



Ihr Berliner da draußen! Ihr habt es gut, ihr geht nämlich heute Abend alle in die Strychnin-Galerie und schaut auf ganz eigentümliche Skulpturen: Raf Veuleman und Marc Janssen zeigen ihren eklatant eklektizistischen Kosmos aus Tod, Vergänglichkeit und dem Wunder der Tierpräparation, eine eher abgedunkelte Schönheit also und sicher nichts für die ganz Zarten unter uns Weltbetrachtern. Dabei ist das nicht weniger anrührend als ein Mädchen am Morgen, das ein viel zu großes Männerhemd trägt. Nur anders. Hier gibt es noch ein paar Informationen über die Künstler.

Wer wie ich in Hamburg bleiben muß, geht dafür morgen zu Feinkunst Krüger, wo Thorsten Passfeld einmal mehr seine großartigen Skulpturen und Bilder aus Holz zeigt. Witz, Biss und eine feinbestäubte Melancholie summen aus diesen Arbeiten, und wer heute in Berlin Memento mori! murmelt, wird morgen in Hamburg Ja, genau! rufen.

(Raf Veulemans und Marc Janssens: In Our Own Image. Plus: Christina Graf. Strychnin Galerie. Berlin, Boxhagenerstrasse 36. Ab 6. März 2009.)