The Flyin' Rabaukis

Damals, als ich noch nicht in der Gartenzwergfabrik arbeiten mußte, verdiente ich mir mein Geld als Trapezkünstler. Wir waren ein Duo, die begnadete Lollo und ich, und als "The Flyin' Rabaukis" bekannt. Zweifachsalto, Dreifachsalto, Salto mortale , Zwillingsschrauben, Flügelschrauben, wir hatten alles drauf und hatten in der Zirkuswelt so etwas wie einen Namen. Hoch oben in der Kuppel, dreißig Meter über dem Sand der Arena - das war unsere Welt.

Kennengelernt hatte ich Lollo in Rumänien. Ihre Eltern waren im Widerstand gegen Ceausescu gewesen und hatten die kleine Lollo schon in Kindertagen auf die Zirkusschule geschickt. Sie hatte Talent und wurde bald als die "Begnadete" bekannt. Ich holte sie in einer Holzkiste im Laderaum einer Propellermaschine versteckt aus ihrer betonkommunistischen Heimat heraus.

Zum Dank unterwies sie mich im Trapezfliegen, und wir beschlossen, unser Glück beim Zirkus zu versuchen. Sie nannte sich fortan "Lollo", damit die Häscher der Sekuritat sie nicht finden würden. Zudem konnte niemand ihren wirklichen Namen aussprechen. Ich war "Tony Speciale, the Incredible Man on the Trapeze". Damals hatte ich noch öliges, schwarzes Haar und ging glatt als Italiener durch.

Wir hatten schnell Erfolg. Unsere Nummer kam an. Das Publikum liebte den zarten, fragilen Körper von Lollo und meine wagemutigen Übersprünge. Jedes Mal, wenn ich Lollo im letzten Moment beim Sturz in die Tiefe mit meinen starken Armen auffing, ging ein Raunen durch die Menge.
Ich war auch in Lollo verliebt. Aber ich glaube, sie hatte was mit Bolek, dem tschechischen Bärendompteur, der selbst aussah wie ein Bär.

Und so fing unser Unglück an. Zuerst war es nur der Stich der Eifersucht. Bald nagendes Mißtrauen. Lollo schien öfter unkonzentriert. Unsere gemeinsamen Schwünge schienen nicht mehr harmonisch. Eines abends entdeckte ich die beiden hinter dem Zelt von Manolo, dem Eisenbieger. Der stämmige, überall behaarte Bolek hielt meine zarte Lollo eng umschlungen. Ich raste. Der Puls schlug hart in meiner Brust.

An diesem Abend, als Lollo sich in einer spiralförmigen Bewegung bis unter die Kuppel schraubte, so daß sie fast die Zeltbahn berührte, griff ich zum ersten Mal daneben.

Das war das Ende der Flying Rabaukis. Es gab eine Untersuchung. Aber man konnte mir nichts beweisen.
Unter Zirkusleuten weiß man, solche Dinge können geschehen.

Homestory | 17:01h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
kaltmamsell - Donnerstag, 22. April 2004, 18:48
Ich WUSSTE, dass ich Sie irgendwoher kenne. Aber über meine Zeit in der Side Show als Frau ohne Unterleib spreche ich nicht gerne.

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semmel - Donnerstag, 22. April 2004, 23:25
na endlich hab' ich mal jemanden gefunden, der solch herrliche geschichten schreibt, wie sie auch mir ab und an durch die ganglien zischen. sehr schön. das liestsich nach mehr. gibt es die bei ihnen gesammelt in einer kategorie? ich werde stöbern.

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kid37 - Freitag, 23. April 2004, 01:26
Geschichten, Geschichten. Ich höre immer nur Geschichten. Das ist alles wahr. Ich hatte ein schweres Leben.

Nächsten Monat fliege ich nach Wien und lebe im Hotel Kummer. Dann gibt es mehr davon.

@kaltmamsell: Sieh an, dann kennen wir uns wirklich. Ich war der abgehalfterte Trapezkünstler, der als Side Show Artist noch einmal Fuß fassen wollte. Ich ließ Hufeisen nach mir werfen und fing sie mit der Nase auf. Es reichte aber nicht für die Jim Rose Circus Show. Aber ich bin bescheiden geworden. Und auch ein wenig demütig.

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yvonnesonne - Freitag, 23. April 2004, 12:58
ze kid steht ja totalmente auf wahre geschichten (siehe: die verbotene zone, teil eins)

aber ob wien welche dieses kalibers zu bieten hat? mein gelber trainingsanzug jedenfalls liegt gebügelt im kasten, das mokume schwert ist gerade beim graveur. "karati" wird da drauf stehen dann.

und demut steht ihnen gut zu gesicht. menschen die noch erröten können haben mehr soziale kompetenz als "mir ist alles wurscht". das mit dem fallenlassen üben wir dann am pool.

(edit) gerade ist mir ein furchterbarer verdacht gekommen und so gerne ich es würde, ich kann sie einfach nicht im unklaren lassen: (vielleicht bestätigen sie meine vermutung eh nicht wegen der jahresangabe, dann entwarnung) es muss 96 gewesen sein, im frühsommer. ich arbeitete in einer kleinen bar in den suburbs von wien. ein paar kilometer weg gastierte ein zirkus, den ich das vergnügen zu besuchen noch nicht gehabt hatte. eines abends kam als letzte gästin eine junge, zarte dame herein. sie setzte sich zu mir an den tresen und orderte einen gin nach dem anderen. sonst schwieg sie. irgendwann konnte ich das elend nicht mehr mitansehen und sprach sie an. in den stunden bis zum morgengrauen erzählte sie mir dann ihre leidensgeschichte. als trapezkünstlerin hatte sie sich in ihren partner verliebt nur getraute sie sich nicht, ihm ihre gefühle zu offenbaren. strafverschärfend kam ihr exliebhaber dazu, der unter dramatischer eifersucht litt und sie immernoch zurückhaben wollte. ich riet ihr, reinen tisch zu machen und setzte sie in ein taxi. ich habe sie nach dieser nacht nie wieder gesehen.

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kid37 - Freitag, 23. April 2004, 23:53
Oh Gott! Sie wissen also... Jetzt wird es mir klar, warum Lollo so unkonzentriert an diesem Tag war. Ich hatte immer den Verdacht, daß eigentlich SIE daneben gegriffen hat.

Aber ich fühlte mich so schuldbewußt, daß ich dachte, ich hätte, ich wäre... Aber, das ist ja grausam. Eine Tragödie!

Ich muß blind gewesen sein. Blind.

(Kennen Sie eigentlich die schönste Liebesgeschichte der Welt, "The Gift of the Magi" ("Das Weihnachtsgeschenk") von O'Henry?)

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yvonnesonne - Samstag, 24. April 2004, 02:11
oh gott!
herr kid! verzeihen sie, dass ich sie wiederhole, aber die geschichte! mit der bin ich aufgewachsen, mama hat mir die bestimmt hundert mal vorm einschlafen erzählt, ich wollte sie immer und immer wieder hören. aber ich hatte das vergessen! einfach und völlig. unglaublich. was für ein kindheitsflash. ich danke ihnen für diese rückführung.

bezüglich lollo: was sie mir noch erzählte in jener nacht war, dass sie an einem unheilbaren gehirntumor erkrankt war und nur noch drei monate zu leben gehabt hätte. darum wollte sie ihrem trapezhelden eigentlich nichts erzählen. die tragödie war ein würdiger abschied für sie. seien sie nicht traurig, ich wette sie ist jetzt gerade anwesend und streicht zärtlich über ihr ergrautes haar. das sie geliebt hätte doch nicht erleben sollte.

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kid37 - Samstag, 24. April 2004, 02:29
Ja, diese Geschichte ist zum heulen schön. Sie haben die vergessen? Erstaunlich. Verdrängt. Aber es gibt so was. Das ist möglich. Vielleicht nicht so radikal und konsequent, mehr so im Kleinen vielleicht. Aber es geht ja ums Prinzip.

Der freiwillige Verzicht - oder das Opfer - aus Liebe, aus dem das größte Geschenk erwächst, was es überhaupt gibt. Gebe, und Dir wird gegeben, sozusagen.

Leider gilt ja heute eher das Motto "Ich will auf nichts verzichten". Eine gewisse hedonistische Gier. Egoismus eben. Das gereicht dann für die Selbstliebe. Übersieht aber den anderen. Oh, ich schwadroniere gerade. Verzeihen Sie.

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yvonnesonne - Samstag, 24. April 2004, 03:01
stört mich immer noch nicht, ihre weitschweifigkeit. im gegenteil. ich frage mich nur manchmal, ob dieses geben, da es ja die noch grössere befreidigung ist, nicht dann auch wieder egoistisch ist? ich fand das schenken an sich immer schon schöner als das beschenkt werden. dann habe ich aber auch wieder sorge, jemand wähnt sich in meiner schuld. was unangenehm wäre. andererseits ist es auch so wunderschön, beschenkt zu werden und die freude beim schenker zu sehen. jetzt verliere ich den faden. ich denke gerade zuviel nach, das stört das thema liebe empfindlich, muss ich bemerken.

und ja - gier ist heutzutage das am weitesten verbreitete übel. aber ich denke, nicht aus bösarigkeit sondern deshalb, weil den menschen der sinn abhanden gekommen ist. als ersatzbefriedigung wird gescheffelt. 100 euro teure wägelchen um wiesendünger auszuteilen! wofür gibts hände und gespür? sehr komisch das alles.

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yvonnesonne - Samstag, 24. April 2004, 03:03
ps.
ich hatte nahezu alles vergessen. wie man isst, daran konnte ich mich immer erinnern, und wie man sich dessen entledigt auch. manchmal war wirklcih nicht mehr mehr da. aber gut, jetzt ist alles gut.

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kid37 - Samstag, 24. April 2004, 03:11
Ja. Hände und Gespür können eine Menge ersetzen. Wenn man mag.

Angenehme Träume.

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yvonnesonne - Samstag, 24. April 2004, 03:35
danke.

dank illegaler quellen kann ich jetzt mit mr. marvin einschlafen. neugierig wie ich bin.

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kid37 - Samstag, 24. April 2004, 03:50
Heute ist alles (l)egal. Habe ich gerade so entschieden.

Lee Marvin ist ja schon 70 Jahre tot. Da endet das Urheberrecht. Ich kann das aber auch singen.
Gut kann ich auch "Septemberwind". Schädigt allerdings die Stimmbänder auf Dauer.

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yvonnesonne - Samstag, 24. April 2004, 03:53
gut. dann ist es ja recht wenn ich mal anfange mir feinde zu machen.

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kid37 - Samstag, 24. April 2004, 04:02
"Yvonne, mir graut vor dir!" (Goethe)

Was haben Sie ausgeheckt? Muß ich die Kevlarweste anziehen?

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yvonnesonne - Samstag, 24. April 2004, 04:13
sie wagen es, mich zu duzen?! na warte!

eigentlich meinte ich ja nicht sie, sondern meinen austritt aus dubiosen vereinen, in die ich gegen meinen willen annektiert wurde.

aber jetzt ist alles anders. ich bin schon im gelben anzug.

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kid37 - Samstag, 24. April 2004, 04:18
Und der Graveur? Ist der schon fertig? (Gut, daß ich nicht aussehe wie David Carradine. Sonst hätte ich jetzt doch ein wenig Angst.)

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yvonnesonne - Samstag, 24. April 2004, 04:22
ach sie können sich jetzt auch nicht mehr hinter ihrem guten aüsseren verstecken. dazu ist es zu spät.

und das schwert, nunja, das "karat" ist fertig, vielleicht genügt das.

engarde!

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kid37 - Samstag, 24. April 2004, 04:28
Dann kann ich auch die Latexmaske abziehen und den Elefantenmenschen präsentieren. Ein Blick von mir schlägt Sie in die Flucht. Oder wenigstens den gelben Anzug.

(Eine deutsche TV-Moderatorin erklärte einmal, sie und ihr Mann zögen sich immer splitternackt aus und würden dann durch den Wald rennen, wenn sie streiten wollten. Das verhindere allzu schwerwiegende Verletzungen.)

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yvonnesonne - Samstag, 24. April 2004, 04:35
oh - dumbo!
einen klitzekleinen fetisch hab ich anscheinend doch: ohren.

wie süss!

(das ist gruselig. von deeskalation keine spur. erinnert an die wicca geschichte.)

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kid37 - Samstag, 24. April 2004, 04:44
Also mit meinen Ohren fliegen kann ich aber nicht. Dann müßte ich Phantastereien verbreiten.

(Ich glaube, das war aber so gemeint. Nackt sei man friedfertiger, weil ungeschützter. Ich habe andere Erfahrungen gemacht, aber sei's drum.)

So, ich muß ins Bett. Die Schwertwunden verbinden.

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yvonnesonne - Samstag, 24. April 2004, 22:51
Fusselige Nabelschau
hier: http://derstandard.at/ beschäftigen sich sogar wissenschaftler mit uns ;)

ich hoffe ich habe sie nicht verletzt! mein schwert ist nur graviert, nicht geschliffen.

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kid37 - Sonntag, 25. April 2004, 01:48
Ich sehe da erstmal nur Frau F.W. und den Herrn Sch. Sind natürlich auch ein interessantes Paar... Haben Sie noch einen genaueren Verweis?

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yvonnesonne - Sonntag, 25. April 2004, 15:37
kann den artikel nicht verlinken, aber hier der wortlaut:

Fusselige Nabelschau
Warum sich vor allem bei Männern die Fusseln im Bauchnabel sammeln



 
Der Bauchnabel ist im Grunde eine Geburtsnarbe. Nach dem Durchtrennen der Nabelschnur, trocknet der verbleibende Rest innerhalb von ein paar Tagen ein und fällt schließlich ab - der Nabel, der hauptsächlich aus Knorpel besteht, bildet sich.


Es gibt viele unterschiedliche Erscheinungsformen von Bauchnabeln. Diese hängen von genetischen Faktoren ebenso ab wie wie von der Beschaffenheit der Bauchmuskulatur. Grundsätzlich wird zwischen dem tellerförmig nach außen gestülpten und dem "nach innen gekehrten" Nabel unterschieden. Bei einer dicken Fettschicht auf dem Bauch erscheint Letzterer als tiefes Loch.

Bei Nabelpiercing ist auf größte Hygiene zu achten. Jeder Fussel eines Kleidungsstückes kann bereits eine Entzündung verursachen.

Apropos Fussel


Apropos Fussel - vor einiger Zeit konnte der australische Forscher Karl Kruszelnicki eines der letzten großen Geheimnisse klären: warum sich vor allem bei Männern die Fusseln im Bauchnabel sammeln. Die Antwort: Auf den meist behaarten Männerbäuchen wachsen die Haare alle in Richtung Mitte, und die Kleiderwutzerln gleiten an ihnen entlang zum Nabel. (fern, DER STANDARD Printausgabe 24/25.4.2004)
Das Dekolletee des 21. Jahrhunderts

Fusselige Nabelschau

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kid37 - Sonntag, 25. April 2004, 19:07
Wohl deshalb sind Frauen häufig so chaotisch fusselig, während Männer ihre Fusseln alle wohlgeordnet im Bauchnabel abholen können. Interessant.
Lassen Sie uns das am Pool vertiefen.

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yvonnesonne - Sonntag, 25. April 2004, 21:44
ja leider ist mein nabel zur zeit sehr tief. trotz sport und gemüse, ich weiss auch nicht so genau warum. wenn sie jetzt an das foto denken muss ich sie enttäuschen: es handelt sich zwar um orginal meinen, jedoch im liegen geknipst. da flutscht das fett nach innen und alles ist flach.

zu "chaotisch fusslig" schweig ich jetzt mal lieber.

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