Ich werde wohl nie ein Bond-Girl

So wurde heute die allgemein recht bekannte Schauspielerin Kate Winslet zitiert, und man weiß nicht, ob sie diese Feststellung mit Bedauern oder Erleichterung traf. Wenn es denn ein Trost sein sollte, möchte ich Frau Winslet mitteilen, so geht es mir nicht viel anders. Wir sitzen sozusagen im selben vierschlotigen Boot, denn auch ich, so muß ich befürchten, werde nie ein Bond-Girl werden.

Früher, ja damals, bestand noch eine gewisse Chance. Da war ich schlanker, und mein Haar fiel dunkel und schwer. Mit einem Dolch im Bikini hätte ich eine wunderbare Figur gemacht. Nun aber hat sich ein Schleier von Grau über mein Haupt gelegt, so daß ich fürchten muß, nicht einmal als Geheimagent ihrer Majestät noch in die engere Wahl zu kommen. Eine leise Hoffnung bloß bleibt, was dieses Gewerbe angeht, als Gegenspieler. Denn für die Rolle des Bösewichts haben wir Deutschen eine gewisse und auf der Silberleinwand auch gerühmte Tradition. James Bond jagt Dr. Kid, das machte sich in rotumfranster Schrift recht gut auf den Plakaten. Ich stapfte durch ein geheimes unterirdisches Bioschrecklabor und weckte meine finstere Homunculus-Armee, die Daniel Craig und hernach der gesamten Welt bedrohlich an die Gurgel wollte.

Doch während diese Zukunft heller leuchtet als beispielsweise die Reflektion des Silberschopfs von Sky du Mont in der Abendsonne, um auch einmal einen anderen großen Kollegen zu erwähnen, ist mein wahres Leben dunkler als gedacht. Jedenfalls des nachts, wenn es mir zunehmend weniger gelingt, die naturgemäße Finsternis hilfsmittellos zu durchdringen. Das Zahnputzglas, das heute gegen drei klirrend im Handwaschbecken zerbarst, legte unleugbar lautstarkes Zeugnis einer gewissen tapsigen Nachtblindheit ab, die ich an mir bislang nicht kannte. Ein schöner Schurke! Schiffbruch, schreit es. Vielleicht könnte ich ein kleiner Maulwurf werden, der neue Heino Ferch, der überall seine Tunnel gräbt.

Jedenfalls schlurfte ich müde, aber immer noch schlaflos, zurück ins Bett, wühlte mich durch Laken und Kissen, dachte kurz, so trampelig wird aus mir nie ein Bond-Girl werden, drehte mich links, drehte mich rechts, verfluchte die Nacht, den nahenden Morgen, und fühlte mich kurz nach dem Aufstehen so, daß ich dachte, aus mir wird auch nie ein Hirnchirurg werden. Als hätte mich jemand gefragt!

Dabei soll man ruhig wagen, sich in Bewegung und neue Ziele setzen. Ich begriff mein Verharren in diesem immer gleichen Leben, diesem Staub, diesem Schmutz an der Oberfläche des Nie-Veränderns einzig als ein Fehlen persönlicher Hygiene, schreibt Pessoa im Buch der Unruhe. Und so setze man sich ruhig in Züge, verreise von hier en direct Richtung Zukunft, nur um dort in der Gegenwart auszusteigen. Von Cédric Klapisch lernen wir, siehe L'auberge espagnole - Wiedersehen in St. Petersburg, die Bedeutung, die es hat, wenn man die irrende Traumfahrt - endlich! - beendet und am Bahnhof erwartet wird: Es muß ja kein Bond-Girl sein und nicht einmal Kate Winslet. Ein Gedanke, kein Messer im Bikini, vielleicht ein Name auf einer Dankesliste, hell oder dunkel, das Anstoßen zweier Gläser, einfach eine Aufmerksamkeit. Jetzt, meine ich, kein Trost auf irgendwann später. Weil man irgendwann kein Bond-Girl mehr sein wird.

Homestory | 00:23h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
blue sky - Dienstag, 31. Juli 2007, 00:49
Oh ja, Dr. Kid als Oberschurke, wie er Bond durch seine Sammlung eingelegter Hirne führt und mit flackerndem Blick vom menschlichen Genie doziert...

 link  
 
midori - Dienstag, 31. Juli 2007, 12:41
...und das Diabolische liegt gerade in der Ruhe seiner Ausführungen.... ;o)

 link  
 
cabman - Dienstag, 31. Juli 2007, 13:00
Sehen Sie in mir einen Bruder, ist mir doch gleiches Schicksal beschieden. Passeé die Zeit, wo, womöglich sogar mit Ringelstreifen, ein Bikini mir schmeichelte und wallendes Haupthaar...lassen wir das, es stimmt mich betrübt.

Es bleiben uns Ballerinas und die Gewißheit, Gärtner können wir noch immer sein, denn Stärke braucht es und Erfahrung, um Schuld zu tragen, (wir wissen doch:) diese hat immer der Gärtner, auch wenn es manchmal ein Bock ist und der darf sogar verwittert sein, um nicht zu sagen, er wäre ein alter, ;-)

 link  
 
kid37 - Dienstag, 31. Juli 2007, 13:50
Ja, der Weg zum Stelzbock ist verdammt kurz, wo man vorher sich einfach bloß einen Spaß erlaubte. Ich persönlich führe deshalb immer Blumen zum Überreichen mit mir, wie es sich für einen Gärtner gehört. Und komme mir jetzt keiner mit Baudelaire!

 link  
 
c17h19no3 - Dienstag, 31. Juli 2007, 13:54
die wimperntusche steht dir aber sehr gut, lieber cabman. das lässt noch möglichkeiten offen. *g*
ich hoffe ja immer noch auf ein "boogie nights reloaded". zum rollergirl reicht es dann zwar nicht, weil ich mit meinem schlimmen rücken nicht rumrollenderweise auf den hintern fallen darf, aber die koksende porno-mutti würde ich spielen.

 link  
 
frau klugscheisser - Dienstag, 31. Juli 2007, 14:23
Aber, aber lieber Dr. Kid, wer wird denn verzagen. Männer haben meistens mit zunehmendem Alter die interessanteren Rollen in der Schauspielerei, während Frauen schon ab Ende 20 Mutter- anstelle von Hauptrollen übernehmen [wie im richtigen Leben halt auch].

 link  
 
kid37 - Dienstag, 31. Juli 2007, 15:24
Wunderbar, dann könnten Sie die Mutter des verrückten Wissenschaftlers spielen. Obwohl, mit Ihrer Flugerfahrung, wäre die Rolle einer Pussy Galore mit ihrer schnittigen Fliegerstaffel sozusagen hauteng auf den Leib geschneidert.

 link  
 
the thilo - Mittwoch, 1. August 2007, 04:14
Nu machen Sie mal Ihre Haare zurecht und werden Blond-Boy.
So als Tipp. :)

 link  
 
kid37 - Mittwoch, 1. August 2007, 15:13
"Your hair is beautiful - tonight." (Blondie, "Atomic")

Solche Sätze sind heute ja gar nicht mehr möglich.

 link  
 
neo-bazi - Mittwoch, 1. August 2007, 23:24
Lächeln am Fuße einer Leiter

Das Zauberwort heißt 'weiter'
Zurück sollst du nur sehen
Auf deiner Lebensleiter
Zurück darfst du nicht gehen

Neue Ziele - neues Glück
Wende nur den Blick zurück
Damit du nicht zu schnell vergisst
Woher du gekommen bist

Und strebe immer nach dem Licht
Folge nicht seinem Schein
Begleitet man dich dabei nicht
Dann geh den Weg allein

 link  
 
kid37 - Mittwoch, 1. August 2007, 23:36


Das Leben in der Arena war ein stummes Schauspiel, eine Pantomime mit Stürzen, Ohrfeigen, Fußtritten - ein endloses Stoßen und Auffangen von Stößen, Treten und Getretenwerden.
(Henry Miller. Das Lächeln am Fuße der Leiter.)

 link  
 
neo-bazi - Mittwoch, 1. August 2007, 23:42
Ja, ich habe das Hörbuch (Miller spricht selbst). Wahnsinn, das hätt ich dem niemals zugetraut vorher.

 link  
 
kid37 - Mittwoch, 1. August 2007, 23:47
In der Widmung zu meiner Ausgabe steht: "... damit ich Dir nicht immer von der poetischen Seite Millers erzählen muß, und Du mir endlich glaubst". Man muß sich so oft im Leben belehren lassen!

 link