Don't Walk Away

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Nur kurz, ich habe gar keine Zeit, also ganz wenig. Beim Zappen durch Jugend, Vergangenheit und ausgetretene musikalische Schuhe im Angebot der Firma Youtube, stellte ich mir erneut nur wenig boshaft meinen Hang zur Rührseligkeit unter Beweis, als mir dieser kleine Ausschnitt unterkam von den Brit Awards 2005. 50 Jahre, Freunde, und ein Leben, das ich nicht in allen Punkten im Tausch haben möchte. 1982 sah ich sie das erste Mal live, das sind auch schon 25 Jahre her, man wird ja doch ein wenig wunderlich. Und plötzlich schüttelt man Leuten die Hand, die sind halb so alt wie man selber und man merkt dann, Kinder, wie die Zeit vergeht - und schön, sich zu erinnern. Schön, zu überleben (um die Geschichte zu erzählen), schön auch, wenn der Nachwuchs höflich ist oder etwas Rührendes sagt. Respekt also, und ich meine nicht die Scissor Sisters Liz Taylor.

Zum Schluß, fürs Sentimentale, weil es damals so war, als die 80er zu Ende gingen, und zwar exakt so, mit dem letzten Schlag des Herzens und man irgendwann sowieso nur noch zurückblickt, bis in die schmuddeligen Winkel des allerersten Clubs, in dem alles begann, was für immer bleiben sollte und doch nicht konnte. Aber he, so ist das halt mit der Revolution.

Gestern sah ich bereits das erste Graffiti: Internet's not dead. Sag ich ja, Sid, abgerechnet wird eben erst zum Schluß. Bis dahin: immer weitermachen.

(Geht bald weiter.)

Radau | 03:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
neo-bazi - Samstag, 7. Juli 2007, 07:12
Rührselig würde ich das nicht nennen. Eines der wenigen Beispiele, wo sich Bild und Ton fast vollendet treffen. (Last Beat)

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kid37 - Samstag, 7. Juli 2007, 22:25
Die dazugehörige Tournee damals war meiner Meinung nach der Höhepunkt der Band-Karriere.

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derherold - Samstag, 7. Juli 2007, 23:53
*Räusper* ... ich habe ja schon manche Nacht vor *youtube* gesessen und mir irgendwelche "alten Kamellen" angesehen.

So schön das ist ... ich frage mich, wie es später einmal Anthropologen deuten, daß "wir" uns praktisch unbegrenzt Erfahrungen/Eindrücke aus Kindheit und Jugend wieder visuell vorführen können.

Jugend, die nicht vergehen will ... ;)

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kid37 - Sonntag, 8. Juli 2007, 00:28
Stimmt. Soziologie und Kulturwissenschaft beschäftigen sich aber schon länger mit diesem Thema. "40-jährige Turnschuhträger", allgemeine Infantilisierung der Gesellschaft (und der Medien) usw. Ich finde das ein hochinteressantes Thema, weil dieses peterpanige Drücken vor dem Erwachsenwerden/~sein (was dann wie zu definieren wäre?) ja eine Menge Konsequenzen nach sich zieht. Es sind ja nicht nur Kulturphänomene wie diese von mir so genannten explodierende Kinderzimmer™-Kinofilme à la "Mission Impossible" (Bumm! Knall! Kapott!) zu ertragen, sondern weitere gesellschaftliche Ver-/Fügungen.

Den Rückblick an sich ab einem gewissen Alter würde ich aber als normale Reaktion verstehen. Wenn man merkt, daß es nicht mehr unbedingt bergauf geht, sondern in jeder Hinsicht die Neigung einem Ende entgegen spürt (wie es Hölderlin in "Hälfte des Lebens" beschreibt), ist die wehmütige Retrospektive doch ganz legitim.

Was bei mir noch dazukommt: Ich habe bedauerlicherweise aus dieser Zeit von Ende 70er bis Ende 80er fast keine Fotos von mir. Daher finde ich es besonders schön, bestimmte Momente durchs Internet wiederzuentdecken. So wie in Karl Nagels Fotoarchiv.

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gheist - Sonntag, 8. Juli 2007, 05:32
Auch ich verfolge dieses Sujet mit grossem Interesse. Waehrend die Soziologen evtl. von einer 'verschleppten Adoleszenz' sprechen moegen suche ich in der Literatur nach Anzeichen: so wird im Great Gatsby z.B., wie ueberhaupt in Fitzgeralds Texten, die Jugend schlagartig verlassen und ohne Umschweife ab dem Alter von 21 das Leben der 'Erwachsenen' gefuehrt, also Eintritt in Arbeitswelt, Heirat, Kinder, gesellschaftliche Interessen, etc. (Es liesse sich einwenden, dass der Plot des GG allerdings eine Teenageromanze behandelt, diese ebenfalls verschleppt.)
Dagegen in E. Waughs Brideshead Revisited die praezise Analyse (vorgenommen von Carla, der italienischen Geliebten des im Stand der Ungnade im venedischen Exil lebenden Patriarchen -also von einer "Rand"figur) von Sebastian Flytes alkoholischer Selbstzerstoerung, der "in seine Kindheit verliebt" sei und seinen unsichtbaren Kummer ertraenken wolle. Eine sehr schoene Passage.
Den 'Typ' Sebastian Flyte gibt es scheinbar immer noch, grad gestern bin ich auf einer Party Sebastian gegenueber gestanden und hab mich fuer ihn gefreut.

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kid37 - Sonntag, 8. Juli 2007, 14:29
Eine interessante Entwicklung ist da sicher die Umdeutung des (ich sag's vorsichtig) "Lehrcharakters" von Literatur. Was ehedem als Pakt mit dem Teufel galt, also Tausch von Seele gegen Jugend (Dorian Gray etc.) und stets mit dem Scheitern dieses Versprechen endet, ist nun unser aller Ziel und Streben: das möglichst lange herausgezögerte Altern. Jugend ist durchweg positiv sanktioniert, bis hin zu dem Punkt, das Infantile zu verherrlichen (man betrachte mein Blog). Natürlich lebt auch eine ganze (teuflische) Industrie davon, aber niemand mag unser Ende erzählen.

Fitzgerald ist ein sehr gutes Beispiel (Initiation überhaupt als wichtiger Topos in der US-amerikanischen Literatur). Wobei die Kindheit damals wohl eher als Vor-Stufe des Erwachsenseins charakterisiert war, denn als eigenständiger Zustand.

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kid37 - Sonntag, 8. Juli 2007, 14:45
Retarded
Dazu irgendwie passend.

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gheist - Montag, 9. Juli 2007, 10:46
Charles Ryder hingegen flüchtet aus der Kindheit nach Oxford, um dort eine Art ewige Jugend zu zelebrieren nach Bekanntschaft mit Sebastian. Doch gleich der Titel des Kapitels erinnert an die selbst im Paradies schon immer angesiedelte Zerstörung (Et in Arcadia ego - zu diesem Motiv bei Panofsky noch mehr).
Zuerst umgibt Charles sich allerdings mit jungen Männern, die die Macken der Lehrkörperschaft sofort mimetisch in sich aufnehmen und und wie Karikaturen der Erwachsenenwelt gelehrten Unsinn daherreden.
Diesen Typ 'junger Mann' kenn ich ebenfalls von der hiesigen Uni. Mit Mitte 20 schon lederne Ellenbogenschoner am Jacket tragen und abgetragene Hosen. Hier scheinbar der Wunsch als aelter und angesehener aufzutreten.

Charles' Kindheit wird in einem Satz abgehandelt, in dem von Krieg u. Trauer die Rede ist. Waughs eigene Kindheit/Jugend sind schön festgehalten in seiner Autobiographie.
Beide erinnern dann stark an Austerlitz, in dessen Hauptfigur die Kindheit ja eine äußerst denkwürdige Form annimmt: zum einem ist sie ein Idyll, nachdem er aus Wales forgeschickt wird und im Internat in einer Art Rousseau'schen anti-autoritären 'Herr der Fliegen' Kosmos seine Selbsterziehung beginnt und seinen besten Freund kennenlernt, andererseits ist dies alles eine gemeine Lüge, die sein eigentliches Sein und seine Herkunft immer weiter verschüttet. Gegen Ende des Buches spricht der Erzähler aber ausdruecklich von Austerlitz' jugendlichem Antlitz, ganz als ob ihm das Altern verwährt bliebe in seinem mythos-ähnlichen Leben, hier Jugend evtl. als ungerechte Bestrafung eines Unschuldigen.

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derherold - Montag, 9. Juli 2007, 12:15
Nur sind ab dem 2.Teil der TV-Verfilmung von Wiedersehen in... alle eingeschlafen - außer Jeremy Irons ist mir nix im Gedächtnis verhaftet geblieben. ;)

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au lait - Montag, 9. Juli 2007, 15:57
Wird Internet der neue Punk?

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kid37 - Montag, 9. Juli 2007, 23:33
God save Yah**
It's got nothing for you
They think you're moron
A potential fool

God save Yah**
They sell humans, too
There is no future
In internet's dreaming

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kerstin13 - Montag, 9. Juli 2007, 22:18
Hast Du Siouxsie mal live gesehen, in den 80ern? Ich leider nicht, und wenn ich mir die Videos anschaue, dann gibt es so einen Schmerz in meinem Herzen, dass es nur die Bilder in meinem Kopf zu ihrer Musik gibt.

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kid37 - Montag, 9. Juli 2007, 23:25
Zuerst '82 in Bochum. Da war dieser Mann an der Gitarre, der ist auch bekannt, wie heißt er noch, ach ja, Robert Smith. Das war alles ein bißchen einschüchternd.

1988 in der Philipshalle war ziemlich cool, weil die Besetzung mit Martin McGarrick umwerfend war und sie eine sehr aufwendige Bühnendeko hatten mit riesigen Spinnennetzen, spiralförmigen Laufstegen, mehreren Vorhängen und Projektionen. Das war damals recht ungewöhnlich. Die Creatures habe ich noch ein paar Mal gesehen, daher hatte ich auch die Fotos. (Und ich sehe gerade, ich schrieb 1984, es war aber 82.)

Ich glaube, ich bin uralt.

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kerstin13 - Dienstag, 10. Juli 2007, 00:37
mein gott, wie ich dich beneide. ich war damals zu jung. und jetzt, jetzt wäre es so anders siouxsie und robert live zu sehen. dann würde ich mich alt fühlen...
p.s. tolle fotos!
pp.s. ich mochte das hier sehr gerne: http://youtube.com/watch?v=OMcLAsAzCmM

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petersilie - Dienstag, 10. Juli 2007, 16:32
Ich '86 oder '87.
In Mannheim.
(Oder war das '88?)

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au lait - Dienstag, 10. Juli 2007, 18:38
Ich bin, merke ich wieder, wahrlich kein musikalisches Kind der 80er. Meine Eltern stecken musikalisch in den Jahrzehnten davor, die Frühsozialisation verlief mit Beatles, frühen Dire Straits, Hannes Wader, Pink Floyd oder Georges Moustaki, die eigenen Pfade begannen mit den Toten Hosen und AC/DC und führten früh in einen Spagat zwischen der Liebe zu Grunge auf der einen und Jazz/Funk auf der anderen Seite. Die Indie-Seiten des musikalischen Lebens habe ich erst später entdeckt, und die 80er Jahre beginne ich erst allmählich jenseits all des verhallten Synthieschmocks, der mir die Fußnägel hochklappt, für mich zu entdecken. Doch ich bin hoffnungsvoll, dass wir uns vielleicht irgendwann noch anfreunden werden - Teile der 80er und ich.

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c17h19no3 - Dienstag, 10. Juli 2007, 19:32
meine sozialisation verlief mit hansi hinterseer und peter alexander. ich war ganz und gar der klassischen musik verschrieben und hockte meistens am klavier, dem retro-pc für leute wie mich. meine einzige hoffnung war, früh zu sterben und im himmel mozart zu treffen.

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kid37 - Freitag, 13. Juli 2007, 14:17
@ Petersilie: Mannheim war 1988. Preisen Sie sich glücklich, Sie haben die "Peepshow"-Tour gesehen.

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gorillaschnitzel - Freitag, 13. Juli 2007, 14:18
Ich beginne soeben einen ausgemachten Neid zu entwickeln. Weniger auf Hansi und Peter, eher auf die Siouxsiebesucher...

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