Nochmal das Sommermädchen
Sönke hat da einiges falsch gemacht. Er hat zum Beispiel seinem eigenen Stoff nicht vertraut, dabei wird er nie einen größeren bekommen. Die Musik (diese Musik!) machte auch viel kaputt. Aber nun gut und trotzdem Danke. Das sind jetzt halt die Bilder, die wir haben. Danke auch dafür, noch einmal deutlich gemacht zu haben, was für eine pomadige Type Ballack ist. "Wie, erst Stuttgart, dann zurück nach Berlin?" nölte er sinngemäß. "Totaaaal anstrengend."
Aber das muß man denen zugutehalten, was konnten die aus ihrer Binnenperspektive wissen, wie die Stimmung in 'Schland gewesen ist in all den Wochen? Ich selbst habe übrigens zum ersten Mal überhaupt Bilder "von außen" gesehen von diesem Spiel in Stuttgart, von der berauschten Menge vor dem Spielerhotel. Was das überhaupt für ein Abend war, wurde mir vorhin noch mal so richtig klar. Ist ja immer erst echt, wenn es im Fernsehen ist, McLuhan, Kittler, Klinsmann. Oder gebloggt wird.
Ja, man kann immer noch viel dagegenhalten. Fahnenmeer, Verdrängung, Besinnungslosigkeit. Immerhin: Eine junge Multikulti-Truppe (sogar ein Kölner war dabei!) hat ihre Füße entrümpelt und vier Wochen lang eine Menge Menschen begeistert. Man sollte sich nicht alles madig machen.
Nee, muß man nicht.
In puncto Musik stimme ich Ihnen trotzdem zu - und nörgel hiermit ein bisschen.
Und interessant natürlich, daß da Fußballer mal mehr als einen Satz sagen. Von denen kennt man ja sonst nur Aussagen wie: "Ja- wir haben erst stark vorgelegt, aber dann haben halt die anderen ein Tor geschossen und es hat halt nicht gereicht" oder: "Wir haben verdient gewonnen - wir haben ja auch alles geben" - also in diesem Sinne nicht wirklich Aussagen.
Viel aussagekräftiger war es da für mich, den Jungs mal zuzuhören, wenn sie gerade nicht patschnaß vom Platz kommen. Und da muß ich sagen, daß das gerade einigen Antipathien noch erheblich verstärkt hat.
(Manche sind eben noch pomadiger, als man immer schon dachte, und manchen, den man bisher für einen simplen Dummschwätzer hielt, nun ja...)
Und für die eine oder andere (positive) Überraschung hat das bei mir gesorgt. Und ich kann mir jetzt jedenfalls ein bisschen was unter dem Löw vorstellen - das sagte einem bisher ja nicht viel, wenn man nicht regelmäßig die Bildzeitung liest. Und dort gibt's dann sowieso nur ein Bild vom Kopf in DIN A3, weiß man also immer noch nicht, was das für einer ist.
Und ansonsten hatte der Klinsi schon recht - wahrscheinlich erlebt das keiner von uns nochmal.
Begeisterung braucht doch keine Legitimation - oder doch?
Die Musik hat selbst mich Musik-Ignorantin regelmäßig in Ekel-Gänsehaut ausbrechen lassen (vielleicht hatten die Spieler Mitspracherecht?). Ein guter Film wars nicht, ein guter Dokumentarfilm auch nicht, aber dass es ihn gibt, macht ihn zu Zeitgeschichte.
Wirklich interessant (mich interessierten die Individuen einer Fußballmannschaft nur geringfügig mehr als die Individuen einer Formationstanztruppe) fand ich den Orga-Hintergrund: Briefing, wann wer wie ins Stadion einmarschiert, offizielles Festsetzen der Spielerkleidung vor der Partie, so Zeugs. Und dass die Spieler in ihrer Hotel-Lounge wirkten wie die Teilnehmer eines Management-Seminars in der Pause.
Man sollte nicht alles madig machen. Diese vier Wochen waren irgendwie anders, gar nicht schlecht, finde ich jedenfalls, und dieses Gefühl hat der Film ganz kurz wieder aufleben lassen. Nur deshalb habe ich wohl auch hingeschaut, den größten Teil fand ich dann doch eher langweilig. Ok, interessant: Fußballer schlafen gern bis 10 und haben dabei nen Handy in der Hand (Ob das so gesund ist? War es ausgeschaltet?), Jens Lehmann hätte wohl kein Anspruch auf Elterngeld (sagte die Kanzlerin) und dieser komische Sänger da, na gut, ich lass das jetzt lieber.
"ich habe mehr erwartet, mir mehr erhofft." vor allem, dass die wirkliche stimmung besser rüberkommt und das nicht nur von den fans da draußen, sondern auch von den spielern ... irgendwie etwas flach
Da fehlte auch ein dramaturgischer Rhythmus, einiges versteht man nur, wenn man im Kopf die realen Hintergründe addiert. Das ist ein bißchen unglücklich, weil man doch rasch viele Details vergißt. Und die Musik... schauderhaft.
Diese Musik (die bei den Spielszenen, meine ich) (die vom Hr. Newman ist, denke ich) wird ja immer gerne für alles mögliche benutzt von einfallslosen Redakteuren, quer durch alle Sender. Die Hunde-Nanny und das Promi-Dinner und die Sozial-Kontroleure und wasses nicht alles gibt. Schlimm.
Gestern Abend so gegen neun an der Sportkneipe bei mir an der Ecke vorbeigegangen, die während der WM so bißchen das
Hauptquartier der Holländer gewesen ist: Glückliche Gesichter durch die Fenster ausgemacht, die zu den Bildschirmen aufblicken.
ich hatte trotz allem, also trotz schlimmer musik, trotz kruder dramaturgie, trotz zu wenig fussball und trotz wirklich mieser akustik (und ich bin schwaben-versteherin), ich hatte trotz all dem eine andauernde gänsehaut, vor allem am ende, die letzte viertelstunde.
mehr erwartet habe ich auch, aber nun denn, der drop ist gelutscht.
Der Film über meine persönlichen WM-Erlebnisse muss noch gedreht werden. Herr Kid, Sie übernehmen doch hoffentlich die Hauptrolle? War schließlich das Viertelfinale in Hamburg, das meine bis dato verdrängte Fußballbegeisterung ins Bewußtsein hob.
[Warum fällt mir eigentlich jetzt erst auf, wie famos Ihr Artikel über Stuttgart formuliert ist? Und wieso muss ich auf solch famosen Schriftstücke gerade dann vermehrt stoßen, wenn ich grundle und an meinen eigenen Fähigkeiten zweifle?]
[Oha, da mußte ich gleich mal die schlimmsten Fehler darin bereinigen, sonst schlägt hier wieder die Stilpolizei auf. Und kommen Sie mir mal nicht kokett, Sie können mit Ihren Texten doch den eisenherzigsten Typen die Tränen in die Augen treiben.]
Das war ja das erstaunliche an diesen schier endlosen Sommerwochen, selbst den verbohrtesten Fußballgriesgram mitzureißen. Ich habe schon ein Konzept für den Film: Sie und ich fahren zu Jens Lehmann, hauptamtlicher Fußballgott, um ihm für mitreißende Stunden in Hamburg zu danken. Und er sagt, verlegen grinsend: "Ich hab' nur meinen Job gemacht". Musik, Abspann. Danke.
Das können wir aber besser und mit diesem Konzept wird das höchstens ein Kurzfilm. Sowas taugt grade mal für
ein Bambi den deutschen Fernsehpreis Cannes. Wir wollen aber mindestens den Oscar. Lernen wir also aus Wortmanns Fehlern. Nein, wir brauchen echtes Drama, eine richtige Handlung und prima Musik. Vielleicht das Leben des Oli K. Von Frau und Geliebter verlassen, nicht einmal Klinsi glaubt noch an ihn. Von Selbstzweifeln gepeinigt, beschließt er, sich kurz vor Beginn des Halbfinales im Tor zu erhängen. Auftritt Kid37 [Nationalpsychologe und Einzelcoach], der ihn davon überzeugt, dass der [Erd-]Ball rund ist und ein Leben mehr als 45 Minuten dauert [Schlüsselszene des Filmes). Daraufhin schöpft Oli K. neuen Lebensmut. Schnitt. Kameraschwenk über das gefüllte Stadion - die Zuschauer singen den
Gefangenenchor aus Fidelio, wahlweise auch den aus
Nabucco, die Nationalmannschaft läuft in Ringelstrümpfen ein und die Stimmung ist großartig. Da verfängt sich Oli K. beim Versuch, Lehmann die Hand zu reichen, im Netz und stranguliert sich selbst. Das Spiel wird abgebrochen, Sanitäter eilen zur Hilfe, Verena K. bricht weinend neben der Leiche zusammen, dann zückt sie einen Dolch und ersticht erst Klinsi und dann sich selbst.
DAS ist der Stoff, aus dem
das Leben echte Hollywoodschinken sind.
"Ein Sommermädchen"
Das möcht ich sehen!
Dramatisch und Realitätsgetreu.
(Regie Fr. Klugscheisser)
Aber den Film darf man doch bitte madig machen, oder? Nur weil er ein schönes und wichtiges Thema behandeln darf, ist er trotzdem ein beschissener Film.
Den Wortmann-Film ja. Den von und mit Frau Klugscheißer und mir keinesfalls. Das wird ein Kracher mit Musik, Tanz, Tränen und großen Gefühlen. Also ein Gebiet, wo wir beide zuhause sind.