SNAFU

There was only one catch and that was Catch-22.
Orr would be crazy to fly more missions and sane if he didn't,
but if he was sane he had to fly them.
If he flew them he was crazy and didn't have to;
but if he didn't want to he was sane and had to.

(Joseph Heller. Catch 22. 1961.)



Situation normal, all fucked up: Noch bis zum 25. Juni verlängert wurde in der Hamburger Kunsthalle die Ausstellung SNAFU - Medien, Mythen, Mind Control.

Ich bin ja leider wie viele Museumsbesucher kein besonderer Freund von Videoinstallationen. Shirin Neshat mit ihren strengen Kompositionen und grafisch eindrucksvollen Filmbildern ist da eine gern gesehen Ausnahme. Aber allzuoft drohen einem muffige Kabinen, in denen man man die wackelnden Einstellungen technisch minderwertiger Videokameras ertragen muß, die der Künstler vor sich her durch Straßen, Müllhalden oder Abbruchhäuser trägt, wenn er nicht zwei Stunden lang in endlosen Loops das Gesicht seiner Freundin zeigt. Ein Experiment in subjektivem Blick, selbstverständlich, toll und gut gemeint, aber oft ein wenig anstrengend oder einfach nur... öde. Nicht meine Tasse Tee.



Unter denen in einen etwas gewollt-konzeptionellen Überbau gezwungenen Videoinstallationen von SNAFU jedoch sind einige Werke, die wirklich Spaß machen. Kybernetik und Systemtheorie, sexuelle Revolution und Jugendkultur sind die Eckpfeiler, an denen die Kuratoren ihre Auswahl filmischer Arbeiten aufgehängt haben. Nicht immer einsichtlich, aber irgendeine Linie muß man halt haben, wie im Leben auch. Mitreißend psychedelisch zum Beispiel die Einblicke in Andy Warhols Factory. So war es dort natürlich jeden Tag, Musik, junge Menschen in Silberfolie, Extase - aber ich fürchte, diese Menschen nahmen auch Drogen, darum schnell weiter.

Im Video von Günter Brus rezitiert Gerhard Rühm aus Baudelaires Die Blumen des Bösen, während nebenan Otto Mühls Wiener Aktionskunsttheater ("Mama und Papa") in einem Cut-Up regelrecht verhackstückt wird. Der Mühl wieder, denkt man, zwischen Blut und Essen und Matsch.
Die obsessive Blumenliebhaberin Veronica Read wurde hier bereits erwähnt, ein documenta-Klassiker von Kutlug Ataman. Diese Installation ist eine ausdrückliche Empfehlung, tolle Frau, völlig skurril, völlig bessessen - und zudem ein sehr interessante Simultan-Präsentation auf vier Leinwanden.

Heimlicher Höhepunkt, und sogleich ins Herz geschlossen ist aber das kleine rote Auto aus dem Video "Rehearsal" von Francis Alÿs. Zu den erst schwungvoll hoffnungsvollen Klängen einer Mariachi-Kapelle nimmt ein VW Käfer Anlauf, einen sandigen Hügel zu erklimmen. Aber immer wieder scheitert der unermüdliche Beetle (Er läuft und läuft und läuft...), begleitet vom enttäuschten Absterben der Musik. Herzzerreißend und belustigend zugleich. Große Metapher selbstverständlich - und der einzige Grund überhaupt, weshalb ich das hier erzähle. Situation normal, all fucked up.

(SNAFU - Medien, Mythen, Mind Control. Verlängert bis zum 25. Juni 2006 in der Hamburger Kunsthalle.)

Flanieren | 14:03h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
fabe - Dienstag, 20. Juni 2006, 15:15
Einer Nachbarstochter Vater
Einer Nachbarstochter Vater arbeitete dereinst bei VW und deshalb war es ihr vergönnt einen neuen Käfer zu fahren zu einer Zeit als diese hier garnicht mehr gefertigt wurden. Er hatte diese rote Farbe und auf der Heckscheibe einen Aufkleber "Build for mexican Roads". Ja.

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waschsalon - Dienstag, 20. Juni 2006, 15:52
der beetle-film hätte mir auch gefallen. erinnert mich an meine vergangene woche. ich mag aber auch das bild dazu sehr. ich habe einen faible für gammlige vorstadtsiedlungen im sommer. die wirken immer so trostlos staubig - mit ein paar saftigen oasen. in die setz ich mich dann und beobachte.

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waschsalon - Dienstag, 20. Juni 2006, 16:03
der beetlefilm hätte mir auch gefallen. ich hab eine schwäche für tristess und staubige vorstadtsiedlungen im sommer.

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kid37 - Dienstag, 20. Juni 2006, 19:42
Wie sehr das Schreiben und Kommentieren heute auf dem ruckelnden Server von Blogger.de den unverdrossenen, gleichwohl meist vergeblichen Mühen des Käfers ähneln, hat Herr Waschsalon sehr schön gezeigt. Ich hoffe, Blogger gibt bald wieder Gas.
Die steile Straße sieht erst gar nicht so beeindruckend schwierig aus. Man denkt dann, das muß er doch schaffen. Komm Junge, erster Gang und über die Kuppe... aber mit leichten Klimaxschwierigkeiten bricht die rote Kugel ihre Versuche immer wieder ab und rollt zurück zum Ausgangspunkt. Und dann mit Anlauf und freudiger Musik ein weiteres Mal. Stundenlang könnte man zuschauen. Wie den Wellen.

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red adventrice - Mittwoch, 21. Juni 2006, 11:31
ich fand den film auch sehr herrlich! und fieberte bei jedem neuen anlauf des beetle mit, und hoffte, dass er es schaffen würde!! und war auch jedesmal traurig, wenn er aufgeben musste! sehr tapfer, der kleine beetle!

francis alys hat auch einen preis für den film bekommen - ich weiß leider nicht mehr genau welchen, sondern nur noch, dass der ausgezeichnete künstler das preisgeld weitergeben muss an andere junge künstler, die er für förderungswürdig hält. das hat mir sehr gefallen an dem preis.

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kid37 - Mittwoch, 21. Juni 2006, 13:40
Eine wirklich hübsche Idee, das Preisgeld so zu verwenden. Nehmen und Geben. Das wäre übrigens auch ein Film, für den ich mir eine DVD-Auswertung wünschte. Den könnte man gut auch zuhause anschauen.

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c17h19no3 - Donnerstag, 22. Juni 2006, 12:24
bei uns gibt´s irgendwie nie solch interessante ausstellungen. ich lebe im falschen bundesland. :(

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kid37 - Donnerstag, 22. Juni 2006, 16:23
Immerhin, Sie leben. Hier langweilen wir uns alle entsetzlich. ;-)

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