Wie Himmelsbrand blühte das Morgenrot,
Und mein Blaß schneite von ihren Wangen.
(Else Lasker-Schüler,
"Es war eine Ebbe in meinem Blut". 1902.)
Der Vollmond macht mich schon jetzt rappelig. Heute den ganzen Tag mein Zimmer umgeräumt (das eine), weil ich dachte, ich müßte mal mein Zimmer umräumen. Klein- und Mittelmöbel von hier nach da und dort nach links verschoben, Teppiche gerückt, Staubnester entdeckt und mit Namen versehen ("Meer der einsamen Erdnuß", "Land des verlorenen Weinkorkens"), Kabel ("Strippen") gezogen, mit dem Kopf gewackelt (bedächtig), zurücksortiert, Krise bekommen (More Belastbarkeit, Baby!), gleich darauf Mut zum Neuen, Heftchen gefunden, erstmal langgelegt (Chaiselongue), geblättert & festgelesen.
Zwischendurch Wein geholt (Bordeaux, 75 Cent mehr ab diesem Jahr, neuer Luxus!), an dieses gedacht und an jenes auch, Geduld geübt. Zu einem Lied mitgesungen, (It was really nothing), ein Bild umgehängt, ein anderes endlich geradegerückt. Unruhe, alle Fenster aufgerissen, Heizungsluft gegen feuchte Kühle getauscht. Never, never, never stop. Festgestellt, die TÜV-Plakette vom Deckenhaken ist abgelaufen. Kurze Panik bekommen, dann Hoffnung. Brauche ich nicht mehr. Erstmal.
Ein Tag, um über Vorhersagen nachzudenken. Zum Beispiel beim Möbelrücken (Metapher, Metapher!) oder Haareschneiden. Selbsterfüllende Prophezeiungen niederschreiben, kleine Zettel unter die Fußmatte schieben. Schlüssel bei der Nachbarin abgeben (alle Fälle, alle Fälle!), ein Kleinmöbel zurückstellen, beschließen, schlaflos zu bleiben (Herr Kid, wieso sind Sie eigentlich nicht mehr somnambul?) und Untersuchungen in nächster Nähe anzustellen. Mit gerade einmal 37einhalb ein Bauchansatz, ich muß kämpfen. Immer kämpfen.
45. Ich esse jetzt besser was.
(Mal wieder mehr Smiths hören. There is a light that never goes out. Der Himmel sieht bedeckt aus. Please let me get what I want. Schokolade, stimmt schon.)
Diese Zustände, zwischen Delirieren und Hin-/Aushalten besitzen ja ein gewisses gefährliches Faszinosum. Vielleicht, weil man die Befriedigung kennt, wenn man langsam wieder hochzählen kann. Extremsportler kennen womöglich etwas ähnliches.
Über den Zustand meiner Synapsen sollte ich mich öffentlich besser nicht äußern, ich vermeine schon, das dreckige Lachen in den angebunden Sendeanstalten zu hören.
Zum Faszinosum: ich hatte mal einen ganzen Film lang großartige Zustände, in jeder von vielen Filmminuten so osmotische Hinreißungen. Dummerweise war es Groundhog day, kann man sich ja nicht aussuchen. Die privaten Achttausender, genau, da wollt ich gar nicht runter so schnell. Bis heute sitzt der Film mir in den Knochen und ist mir nah wie meine Oma, seitdem pass ich auf.