Als Kind, also damals, mochte ich die Filme mit Doris Day sehr. Das waren Sonntagnachmittagsmomente, turbulentes Boulevard mit domestizierten Problemen, angekreischten Kostümen, überschnappenden Empörungsstimmen ("Oh! Oh! Ooooh!") und augenrollendem Ham-acting.
Filme ihrer Zeit, mit all dem Mief und Muff, der damals die frisch-deodorierte Vorstadtwelt zusammenhielt.
Aber wenn mir jetzt eine Schmonzette wie Bridget Jones 2 dasselbe Frauenbild als "witzig" und "modern" verkaufen will, dann sage ich jetzt, 13:46 Uhr, schon mal gute Nacht. Dieser reaktionäre, dumme und unglaublich erfolgreiche Aschenputtelkäse erklärt wiederum, wie sie ist. Unsere Zeit.
Deshalb zum Ausklang der Hartbrandwoche lieber weiche Blicke auf die Arbeiten von Marco Wiegers und Arnoud Bakker werfen. Und sich zart berühren lassen.
Das meint: Sie spiegeln einerseits "ihre" Zeit - sind also dem Zeitgeist verhaftet -, löcken andererseits jedoch am Rande immer auch ein ganz klein wenig (bei "Dirty Dancing" ist dies sehr gut zu sehen) gegen das gesellschaftlich Etablierte.
Krakauer hat im Umgang mit den kommerziellen Filmprodukten stets zu bedenken gegeben, dass gerade im Zuge kritischer Einschätzung bei den Durchschnittsfilmen die verborgenen, sozialen Absichten mit zu berücksichtigen sind und zugleich das diesen inhärente Gesellschaftsbild herausgearbeitet werden muss. Wohlgemerkt - nur wenn man solchen Produkten kritisch gegenübersteht & intellektuell genügend gerüstet ist, den Verblendungszusammenhang zu erkennen.
Dass solche Filme den Zuschauer in eine Scheinwelt versetzen, um über diesen Eskapismus gesellschaftlich stabilisierend zu wirken, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die "Hollywood"- Bonzen sich über ihre Ware natürlich materiell reproduzieren müssen. Diese Bewusstseins-Industrie wird ja nun nicht ihren eigenen "UNTERGANG" inszenieren wollen!!
Es reicht also nicht, diesen Filmen das Etikett "kleinbürgerlicher Schwachsinn übelster Sorte" anzuheften (denn wir, die vermeinen begriffener als andere zu sein, wissen um diesen Schwachsinn); wichtiger wäre es - wie Krakauer es vorschlug - diese kleinbürgerlichen Machwerke in einem Gesamt-KonText zu desavouieren & nicht nur einfach ein Film-Erleben zu beschreiben (Anke Gröner z.B.), das kultur- & gesellschaftskritisch irrelevant bleibt. Bei Frau Gröner hatte ich vor langer Zeit einmal versucht, darauf aufmerksam zu machen … aber wir verstehen uns wohl nicht so sehr gut …
Das mit der Identifikation (psychoanalytisch gesehen) ist wieder eine ganz andere Sache … doch ich möchte mir nicht den üblichen Tadel wegen zu ausgreifenden Kommentierens einhandeln, darum lasse ich diesen Gesichtspunkt hier zunächst einmal unbesprochen. Vielleicht finden wir ja gelegentlich in einem anderen Blog zueinander?!??
Als ich den Film 87 sah, war ich (40) mit'ner 23 Jahre alten Studentin zusammen & wir sahen ihn im Rahmen einer psychologischen Filmwirkungsuntersuchung. Man muss ihn nicht mögen, den Film, und ich mag solche seichten Sachen genau so wenig wie Sie - mich frappierte aber (& das war's für mich wert, darüber nachzudenken), dass den jungen Leuten, besonders den Frauen, der Film den Zwickel so sehr foichtete, dass man die Wirkung hätte ganz krude quantitativ empirisch übers Auspressen von Slipeinlagen, die zuvor kostenlos an die Zuschauerinnen ausgegeben worden wären, hätte messen können. Das gibt doch zu denken .. oder … SIE müssten doch dazu EI-gen-tlich profunder & anders schreiben können als ich (manno!)??
Ihren Vorschlag Tidy Dancing finde ich sehr sprechend … denn was fesselte (tie ~ ties) an ihm?? ;-) Alles nicht so ernst gemeint - ich hatte heute Abend nur die unbändige Lust ein wenig anders zu plaudern als ich's sonst (mit Worten) tu'e(r) = franz. "Dirty Writing" or Righting??
mein hermometer zeigt mir gerade an, dass mein buchstabencontingent für heute aufgebraucht ist.
Zu den Auswirkungen von Filmen, die Herr Bartleby hier etwas übereindrücklich anschaulich beschreibt, kann ich nur anmerken, daß sexuelle Fantasien glücklicherweise (!) nicht politisch korrekt sein müssen. Im Gegenteil, ihre Wirkkraft liegt ja häufig gerade in solcherlei gesellschaftlichem Tabubruch. Insofern ist die Wirkung von Swayzes Tanzschritten auf den Hormonhaushalt ihrer Betrachter meiner Meinung nach gar nicht wirklich relevant für das andere Thema:
Der Subtext solcher Filme offenbart ja in der Tat, was ich ganz oben als reaktionär und frauenfeindlich etikettierte. Herr Fabe hat zurecht "Ally" ins Spiel gebracht. Ich bin ja ein großer Fans von banalen SitComs ("Verrückt nach dir" oder selbst "Susan"), aber "Ally" habe ich keine zwei Folgen durchgestanden. Ich begreife den Erfolg bzw. das Identifikationspotential solcher neurotischer Zicken (dito: Bridget Jones) für die "junge, moderne Frau" (vulgo: Zielgruppe) nicht.
BJ 2 beginnt ja schon mit dem Kracher, daß BJ ihren Lover Darcy als "Sexgott" bezeichnet. Der kugeläugige Colin Firth ist sicher ein hochsympathischer Typ - aber "Sexgott"? (Angeblich hat Firths Bruder schallend gelacht, als er von der Besetzung erfuhr.) Gab es nicht mal Menschen wie Marlon Brando oder Richard Burton? Die Frau von heute träumt im Kino von Colin Firth?
BJ, die sich als "engagierte Journalistin" bezeichnet, kreis(s)t nur darum, die richtigen Klamotten zu tragen, die richtige Frisur zu haben, die richtigen Dinge zu sagen - bloß, um von ihrem Schnucki einen Heiratsantrag zu bekommen.
Das ist ein Rückgriff auf die Vorstadtglückseligkeit der Doris-Day-Ära, die mich schaudern läßt. Doris Day stand wenigstens noch Ikonenhaft 1:1 in ihrer Zeit. Aber diese Rück-Wendung, die seit einiger Zeit mit einfach irrem Erfolg (SATC, Ally, BJ) in die Köpfe filtriert, ist mir nur schwer erklärlich. Möglicherweise ist es nur ein weiterer Ausdruck allgemeinen Retro-Wahns (im Desgin z.B.), von dem ich ja auch nicht frei bin.
Wie eingangs erwähnt: Es ist die Zeit meiner Kindheit, die hier ihr mumifiziertes Haupt hebt. Aber das können 20jährige Ally-Fans nicht behaupten.
Also, Herr kid, Sie können doch nicht ernsthaft dafür plädieren, die Tanzschrittchen von Swayze abtrennen zu sollen von dem, was sie Subtext nennen, der - wie mir scheint - ein intellektuell gereinigter ist und mit dem Strukturzugriff, den ich mit diesem Terminus zu begreifen suche, lediglich homonym ist. Der apokrinsche Applaus, den ich überausdrücklich (nicht übereindrücklich) herausstellte, wird doch von einem qualitativ Ganzen (gestalttheoretisch) bedingt. Es ist eben Mehreres & Anderes zugleich, was die Wirk- & Psychästhetik von Kulturprodukten ausmacht. Nicht hier Sexualität, dort sozioökonomischer Zusammenhang, hier political correctness, dort nostalgischer Schein. So hätt's der Orthopäde gern, aber so funktioniert das Seelische nicht.
Wenn Sie also analysieren ohne zugleich die Bewegung der Synthese in dies Strukturganze einzuschreiben, wenn Sie beschreibend trennen ohne zu logifizieren, verfehlen Sie das den Phänomenen inhärente paradoxe Wirkungsgefüge.
Bedingt durch diesen Fehl, diesen Mangel an Dialektik bei der Gegenstandsbildung, ist es nur zu verständlich, dass Ihnen solche publikumswirksamen Mach(t)Werke wie BJ, Ally, etc in ihrer Wirkung unverständlich bleiben. Für mich war das nie ein Weg, zu sagen: 'Bis hier hin verstehe ich, darüber hinaus will'ich nich'!' Wichtig & spannend ist's doch, sich zu fragen: Warum bergen 'solche neurotischen Zicken' ein so erfolgreiches "Identfikationspotential". Im Zuge psychologischer Tiefeninterviews kommen Sie immer an den Punkt, an dem Ihr Gegenüber sagt: "Irgendwie, isch weiß nich', macht misch da wat an?!" (Jetzt auf den D.D. Film bezogen) … die Interviewte spürt also schon selbst, dass da etwas mehr im Filmerleben mitschwingt. Sie mag mit dieser Unbestimmtheit zufrieden ihr nasses Näschen ins pill-low coucheln … aber für mich beginnt erst hier die Arbeit :-)) an & mit dem Gegenstand, den ich bilde. Und lesen Sie doch nur einmal aufmerksam die Beschreibungen & Anmutungen Ihrer geschätzten Kommentatorinnen zu dem Unbehagen, das diese beim (lustvollen & Lust abwehrenden) "Umgang mit dem Seichten" beschleicht, dann mögen Sie etwas von dem erahnen, was man hinter den Bildern an Subtext zu instaurieren vermöchte … so man denn möchte …
Ob das nun "dirty" in unserem Verständnis ist oder nicht, mag dahingestellt bleiben. Ich halte Dirty Dancing für eine üble Klischeebude, einen getanzten Kompromiß, der zwar gesellschaftlich heikle Themen anreißt, aber stets um den wirklich heißen Brei herumsteppt, aber nun gut: es wird geschwitzt. So wie in Flashdance von 1983, in dem Jennifer Beals immerhin so heiß wird, daß sie sich einen Eimer Wasser überm Kopp kippen muß.
Was aber an "Ally" und BJ und "SATC" (haben Sie diese Werke gesehen?), die allesamt aus den späten 90ern und 2000er Jahren stammen, auffällt, ist ja die offenkundige Abwesenheit des Körperlichen. Es wird zwar ständig über Sex gequatscht - aber das ist bereits die Manifestation der Neurose. Wenn jemand wie Colin Firth als "Sexgott" bezeichnet wird - dann wünscht man sich doch glatt einen agilen Patrick Swayze in Stretchhosen zurück auf die Leinwand.
Ich ahne natürlich schon die Ursachen und das Identifikationspotential solcher Werke - allein, mir fehlt der Glaube. Ist das wirklich die Denkwelt meiner Umgebung? Nicht zufällig ist BJ zudem ein wahres Stelldichein von Product Placement: sei es ein Netzbetreiber für Mobiltelefonie, eine Internetsuchmaschine oder ein koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk - hier wird ein Schnittmusterbogen ausgelegt für das Spiel: Sei so wie Bridget! (oder: Ally). Nur, wer zum Henker will so sein, wie diese anorektischen (Ally) oder unsicher-tapsigen (Jones) Zicken?
Mich erstaunt nicht, daß solche Rollenbilder angeboten werden. Das korrespondiert auch mit dem, was Hans Scheugl bereits in Sexualität und Neurose im Film (1974) schrieb: "Es ist typisch für unsere Gesellschaft, daß sie wohl die Folgen ihres Versagens darstellt [...], nicht aber seine Ursachen und noch viel weniger einen Weg zur Überwindung. Der gesellschaftliche Nutzen dieser Filme [gemeint sind u.a. "Kuckucksnest", "Drei Tage des Condors", "Erdbeben" u.ä.] ist gleich Null, denn sie wirken nicht aufklärend, sondern vermitteln in ihrer Befangenheit im Status quo nur Scheinlösungen, die längst integriert sind (Wahnsinn, Gewalt, Promiskuität)."
Während aber "Einer flog übers..." durchaus auch reale gesellschaftlichte Wirk- und Veränderungskraft bewies, mag sich mir das anti-gesellschaftliche in Dirty Dancing nicht erschließen, in Machwerken wie Ally, SATC und BJ schon gar nicht. Dort hat die Neurose längst über jegliche Sexualität gesiegt. Und, da die sich als Komödien verkaufen, gleich noch die Höchststrafe: die sind noch nicht mal witzig.
Da lache ich heute noch mehr über Doris Day, ehrlich wahr. Aber das mag meine eigene regressive Haltung sein.
Dies gilt gleichfalls für die Wertschätzung & Ablehnung der angeführten Filme & Serien. Ally & dies Zeux habe ich mir - wenn überhaupt - nur im Zuge wirkungspsychologischer Untersuchungen angesehen (& ansehen müssen), die dann Ausgangspunkt für's MedienConsulting waren.
Und genau an diesem Punkt ergibt sich die Notwendigkeit, die Frage nach dem Funktionieren von Übertragungsanhalten & "Identifikationsangeboten" dieser Produktionen zu stellen. Bei all der von Ihnen schon erwähnten Entkörperlichung & der Prävalenz einer uneigentlichen Rede (Gerede des Man, siehe Highdeggers Auseinandersetzung mit Louis Trenker!) möchte/muss ich wissen, was dort an (z.B. abgewehrter) Sexualität die Annahme dieser von Ihnen angemerkten, neurotischen Grundmustern bedingt. Terminologisch gesprochen:
Wie kommt es bei solchen Machwerken zu der den Zuschauer fesselnden "Komplexentwicklung"?
Wir beide verfolgen verschiedene, jedoch durchaus sich ergänzende Ansätze von Medienanalyse. Ich sehe in 'DD' keine Gesellschaftskritik (da bin ich gründlich missverstanden worden). Ich sehe darin lediglich pseudokritische Momente am Werk, die das, was ich Subtext nenne, ins entstellte Manifeste einfließen lassen. Die also genau diese Verkleidung benötigen, um die Wirkung einer nicht bewusst konstruierten & damit nicht kontrollierten (gesellschaftlich bedingten) Unterfütterung entfalten zu können.
Zum Schluss:
1. Die 'Neurose kann nicht über jegliche Sexualität siegen'!! Sie gestaltet sie um & setzt sie ins Werk, ähnlich wie der Traum die unbewussten (infantilen) Wünsche.
2. Geben Sie mir einen Verstehens-Vorschuss; unterstellen Sie mir bitte nicht bei jeder kritischen Anmerkung, die ich mache, sie (persönlich) angreifen zu wollen. Denn genau das liegt mir sehr fern.
Ich denke, ich bin Ihnen näher als Ihnen lieb ist, darum vielleicht Ihr iteratives Abwehrverhalten (dies gilt auch für den Beitrag in meinem Blog zu Ihrem Disput mit sonrisa). Auch dort meine ich gezeigt zu haben (wenn auch ein wenig ent-stellt, wie das so "unsere" Art ist), dass ich Ihre Einschätzungen teile. Ich fragte mich jedoch darüber hinaus, warum Sie sich gezwungen sahen, sich jemandem zu erklären (sonrisa), der versucht, sich an Ihnen pubertär (wie Sie das schon schrieben) abzuarbeiten.
Vielleicht ist's an der Zeit, den Kopfstand von Bazon Brock wieder zu praktizieren!!
Aber: "Wenn Adoptivkinder den Tod ins Haus bringen", heißt es bei Max Goldt. Ich gebe, was ich kann, kann und will aber nicht jedes plärrende Maul stopfen, das an mir zieht und zerrt und Nähe und Intimität sucht und überhaupt mit tentakeligen Fingern aus diesem Internetz heraus nach mir greift. Da kommt seit ein paar Monaten das ein oder andere zusammen. Da kommen mir Gesellen, die hier, egal was man ihnen auch antwortet, nur Krawall suchen, gerade recht. (Lesen Sie: unrecht).
Ich habe nie damit gerechnet, eines Tages mit meiner Person so von Interesse für Menschen zu sein, die ich im Leben noch nie gesehen habe. Das ist psychologisch interessant, auch für die Selbstwahrnehmung und - wer es so sehen mag - auch entblößend genug. Ist eben doch manchmal wie in meiner Therapiegruppe. Wie gesagt, ich gebe gern, lasse mir aber nur schwer Bedingungen diktieren. Ich mag es, wenn Menschen nett ums Feuer sitzen und Geschichten erzählen und sich mitteilen - so weit halt jeder mag.
Zum Thema: Die Neurose gestaltet sie um, genau. Eine unbefriedigende Ersatzhandlung. Für mich ist das mittlerweile ein "Sieg", denn die Verdrängung ins Verklemmte steht doch den 50er Jahren in nichts nach. Interessant wäre, den Siegeszug der ganzen Furz- und Fäkalkomödien in den letzten Jahren daraufhin zu untersuchen. Diese regressiven Ersatz"nummern", die da durch die Kanalisationsrohre donnern. Das geht einher mit der Tendenz des Blockbuster-Kinos nur noch Gedankenwelten anzubieten, die ich gerne als "explodierende Kinderzimmer" bezeichne. Fantasien von Dreijährigen, die fröhlich krähen "kaputt, kaputt, alles kaputt" und dabei ihre Spielzeugautos durch die Gegend werfen.
Nun muß ich